Hs. 12 (12b, verso)
© Springberg

Zwei Osmanische Koranblätter

Objekt des Monats Januar 2021

Inv.-Nr.:               Hs. 12 (a+b)
Maße:                  19 cm x 13 cm
Material:             Gold, Tinte, Papier
Recto:                  (a) Sure 11, Vers 46 (Versende)
                               - Vers 54 (Versmitte)
                              (b) Sure 43, Vers 32 (Versende)
                               - Vers 44 (Versanfang)
Verso:                  (a) Sure 11, Vers  54
                               - Vers 62 (Versmitte)
                              (b) Sure 43, Vers 44 - Vers 54
Schriftstil:           Nasḫī
Datierung:          11. bis 12. Jh. n. H. /
                              17. bis 18. Jh. n. Chr.
Provenienz:        2018 Schenkung durch
                              Dr. Norbert Heinrich Holl an
                              das Institut für Arabistik und
                              Islamwissenschaft; in den
                              1970er Jahren im Kunsthandel
                              in Kairo erworben

Das erste Koranblatt zeigt die Sure 43 (Az-zuḫruf), Vers 32-44, während auf dem zweiten Koranblatt die Sure 11 (Hūd), Vers 46-62 abgebildet ist. Seitens des unbekannten Kalligrafen wurde der Nasḫī-Schriftstil angewandt und eine tiefschwarze Tinte verwendet. Aufgrund ihrer äußeren Übereinstimmung kann angenommen werden, dass beide Seiten einst demselben Koran angehörten. Die abgebildeten Koranverse werden vollständig von drei sehr filigranen, schwarzen Linien umschlossen, welche die Funktion eines Rahmens erfüllen. Hierbei grenzen die äußeren Linien mit nur geringem Abstand aneinander. Der gesamte Hohlraum ist mit goldener Tinte ausgemalt. Neben der äußersten Linie befindet sich eine weitere Gerade, die deutlich breiter gezeichnet und Dunkelblau gehalten ist.
Was Illuminationen betrifft, sind beide Blätter sehr schlicht gehalten. Sie weisen jedoch kleinformatige, kreisrunde Verstrenner auf, die präzise mit goldener Tinte ausgefüllt sind und deren schwarze Umrandung äußerst fein gezeichnet ist. Ferner wurde das Zeichnen der Kreise von der Mitte aus begonnen und im Uhrzeigersinn fortgeführt. Auf die Kreislinie sind jeweils abwechselnd mit einem gleichmäßigen Abstand dunkelblaue und rote Punkte gesetzt worden, wobei die Mitte des Kreises immer auf dieselbe Weise mit einem dunkelblauen Punkt markiert ist. Es folgt zunächst ein weiterer Punkt in Dunkelblau. In der weiteren Abfolge werden beide Farben im Wechsel verwendet.
Das Papier ist qualitativ sehr gut erhalten. Dennoch weisen beide Blätter auf unsystematische Weise Flecken auf, die durch eine bräunlich-blasslila Farbe gekennzeichnet und wahrscheinlich keiner Intention des Papierschöpfers oder des Kalligraphen entsprungen sind. Vielmehr könnten sie durch äußere Einflüsse, wie zum Beispiel ein Übermaß an Feuchtigkeit oder zeitlich bedingte Verwitterung, entstanden sein.
Durch einen Vergleich mit ähnlichen Koranen aus Istanbul und umliegenden osmanischen Provinzen, könnte auch die Anfertigung des vorliegenden Objekts dort verortet werden. Die Beweislage, ob die Bewohner des Byzantinischen Reiches jemals selbst Papier produziert haben, fällt sehr karg aus. Papier wurde zunächst vor allem aus Syrien importiert, ab dem frühen 13. Jahrhundert dann aus dem christlichen Spanien und Italien. Im Jahr 1453 n. Chr. gründete sich die erste Papierfabrik in der Stadt Kağıthane, die heute als Stadtteil von Istanbul bekannt ist. Somit ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, wo das Papier der Koranblätter seinen Ursprung haben könnte.
Der Koran wird für den privaten Gebrauch genutzt worden sein, da die Gestaltung der Seiten zwar sorgfältig, aber hinsichtlich künstlerischer Verzierungen nicht allzu aufwendig ist. Zudem weisen sie nur geringe Spuren von Abnutzung auf. Als privater Auftraggeber könnte demnach ein Religionslehrer oder ein Liebhaber islamischer Kunst infrage kommen.

- Ruth Lisa Schmedes


Literatur:

  • Blair, Sheila S.: Islamic Calligraphy. Edinburgh 2008.
  • Bloom, Jonathan M.: Paper before Print. The History and Impact of Paper in the Islamic World. Singapur 2001.
  • Bayani, Manijeh / Contadini, Anna / Stanley, Tim: The Decorated Word. Qur'ans of the 17th to 19th centuries. Bd. 4, 1. Oxford / New York / Athen u. a. 1999. = The Nasser D. Khalili Collection of Islamic Art, Bd. 4/72.
Hs. 12 a, recto
© Springberg
Hs. 12 a, verso
© Springberg
Hs. 12 b, recto
© Springberg
Hs. 12 b, verso
© Springberg