Islamische Rechtstheorien (Uṣūl al-fiqh)

Mit der Ausdehnung des islamisch-geprägten Territoriums, der Eingliederung komplexer persischer und byzantinischer Verwaltungsstrukturen sowie der inflationär auftretenden freien Rechtsmeinungen (raʾy) sah man sich in besonderer Weise verpflichtet, den – in der Formulierung von Normen – latent lauernden Willkür-Vorwurf im Keim zu ersticken. Die Theoretisierung rechtsschulspezifischer Grundlagen- und Methodenforschungen zur systematischen und kalkulierbaren Eruierung religiösrechtlicher sowie rituell-gottesdienstlicher Normen, genannt uṣūl al-fiqh, war die unausweichliche Folge. Die uṣūl-Disziplin wird klassisch in vier Felder aufgegliedert, die vor allem vier Grundfragen behandeln: 1. Woraus leite ich Normen ab? (adillatu l-aḥkām), 2. Was (für Normen) leite ich ab? (al-aḥkām aš-šarʿiyyah), 3. Wie leite ich diese Normen ab? (dalālāt al-alfāẓ/ istinbāṭ al-aḥkām) und schließlich 4. Wer ist befugt zur Normableitung und wer zur Nachahmung? (iǧtihād/taqlīd). Der Zugang zu all´ diesen Bereichen ist dabei geprägt von rechtsschulgenuinen und damit unterschiedlichen uṣūl-Methoden (manāhiǧ).