August 2019
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Münze des Monats

Erzbistum Köln, Sigewin, Pfennig, Hävernick 363, 1,492 g, 20,0 mm, aus dem Fund von Remscheid, Westfälisches Landesmuseum, Münzkabinett Inv.Nr.137Mz
© S. Kötz

Ein Pfennig des Kölner Erzbischofs Sigewin


Abb.1 Erzbistum Köln, Sigewin, Pfennig, Hävernick 363, 1,492 g, 20,0 mm, aus dem Fund von Remscheid, Westfälisches Landesmuseum, Münzkabinett Inv.Nr.137Mz

Köln war schon in römischer und merowingischer Zeit zeitweise Münzstätte gewesen. Auch unter den Karolingern entstanden hier Münzen. Allerdings ist festzustellen, dass im 8. und 9. Jahrhundert Köln im Schatten des Handelsemporiums Dorestad stand, dessen Münzen wie Schatzfunde und Einzelfunde sowohl in das Rheinland als auch nach Westfalen bedeutende Verbreitung fanden.
Der Wandel kam zeitgleich mit dem Bedeutungsverlust von Dorestad mit dem Wechsel vom 9. zum 10. Jahrhundert. Fortan waren die Kölner Pfennige im westlichen Herzogtum Sachsen ebenso wie in den östlichen Teilen des Herzogtums Niederlothringen verbreitet und wurden vielfach örtlich imitiert. Selbstbewusst wurde zu Zeiten von Ludwig dem Kind (900-911) ein S mit Querstrich, das Kürzel für SANCTA dem Ortsnamen COLONIA hinzugefügt. Das behielt man bis in das 2. Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts bei. Danach wurde entweder SCA (1014-1024) geschrieben oder aber (ab 1027) Sancta voll ausgeschrieben.
Hinzu kam eine steigende Bedeutung der Kölner Erzbischöfe in der deutschen Reichspolitik. So wurde Gisela, die Frau des 1.Salierkönigs Konrad II., 1024 in Köln gekrönt. Kurz darauf erscheinen dann auch die ersten Münzen, auf denen mit Pilgrim (1021-1036) ein Kölner Erzbischof namentlich genannt wird. Man sollte daraus nicht schließen, dass das Erzbistum bis dahin kein Münzrecht gehabt hätte. Nur konnte man das im Münzbild nicht erkennen, da dieses in den Münzaufschriften den Königen den Vorrang ließ, zumal diese ja im Reich de jure die Oberherrschaft über das Münzwesen ausübten. Das mit Köln in Konkurrenz stehende Erzbistum Mainz wechselte auf den Münzaufschriften in der Zeit Konrads II. von einem allgemeineren, an vielen Orten benutzten Civitas zu Urbs, womit es sich selbst mit Rom in eine Reihe stellte.
Auch die Nachfolger Pilgrims setzten ihre Namen mit danach folgenden Abkürzung für Archiepiscopus auf die Münzen. Unter Erzbischof Hermann II. (1039-1056) verdrängte der Erzbischofsname sogar den Königsnamen, was nicht unbedingt ein gespanntes Verhältnis zwischen beiden, wohl aber eine Machtverschiebung zugunsten des Klerus signalisierte. Er ersetzte auch das SANCTA durch VRBS, was dann von Erzbischof Anno (1056-75) zunächst beibehalten wurde. Später modifizierte er die Legende zu IMAGO.S.COLONIE, was um eine Kirche herum zu lesen war. Diese war also ein Topos des heiligen Köln. Der Nachfolger Hildolf (1075-1078) kehrte zu SANCTACOLONIA zurück.
Was man den Münzen nur indirekt ansehen kann, war der sich verschärfende Konflikt zwischen den Unterstützern des Königtums und denen der Päpste, wobei es in erster Linie um die Frage ging, wem Bischöfe unterstellt sind und wem es zusteht, sie einzusetzen („Investiturstreit“). Nach dem Tode Hildolfs, der Hofkaplan am königlichen Hof gewesen war, wurde um die Jahreswende 1078/79 der Kleriker Sigewin von König Heinrich IV. als neuer Erzbischof in Köln eingesetzt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger war er bereits im Kölner Domkapitel verankert. Die Einsetzung durch den König entsprach in keiner Weise den Vorstellungen des Papstes Gregor VII. Zu dieser Zeit hatten die politischen Gegner des Königs und Unterstützer Papst Gregors mit Rudolf von Rheinfelden 1077 einen Gegenkönig eingesetzt. Dessen Heer schlug 1080 die Truppen Heinrichs in die Flucht. Durch den Konflikt fehlte Sigewin die Weihe zum Erzbischof, da Gregor VII. die Kölner Frage in der Schwebe hielt. Im frühen Jahr 1080 brannte in Köln das erst kurz vorher errichtete Stift Mariengraden nieder, doch griff der Brand nicht auf die Domkirche über, was als Wunder und Folge des Einsatzes der Reliquien des hl.Kunibert, eines früheren Erzbischofs, angesehen wurde. Dennoch stellte sich die Frage, ob der Brand Gottes Zorn für eine falsche politische Entscheidung Sigewins sein konnte.
Die Weihe zum Erzbischof durch Verleihung des Palliums erlangte Sigewin erst nach der Absetzung Gregors VII. und der Einsetzung des Gegenpapstes Clemens III. von letzterem. Das genaue Datum ist unbekannt, muss aber zwischen Ostern 1084 und dem 20.1.1085 liegen. Die fehlende Würde zeigt sich auch in der Münzprägung. Der älteste Typ Sigewins zeigt diesen mit einem frontalen Brustbild. Der Kopf ist barhäuptig, was für das 11.Jahrhundert bei bischöflichen Münzen die Regel ist. Mit der rechten Hand hält er den Bischofsstab. Die Umschrift lautet auf +SIGEVVINVS, wobei eben der Titel fehlt. Die Rückseite zeigt eine Kirchendarstellung mit Säulenarkade, spitzem mit einem großen Kreuz bekröntem Dreiecksgiebel und zwei kleinen Seitentürmen. Unter der Basis sind Ranken, bei denen seit längerem darüber gestritten wird, ob diese die Quellen des Rhein symbolisieren. Ähnliche Ranken finden sich auch in Duisburg.
Bei der Ausstellung von Urkunden war Sigewin freilich weniger zurückhaltend. Im März 1080 lässt er schreiben: Sigewinus gratia dei Coloniensis archiepiscopus (Rheinisches Urkundenbuch 261, 262). Nur eine einzige Urkunde vom November 1080 führt vor dem Titel noch ein „indignus“ zusätzlich ein (ebda.332), das sich aber später nicht mehr findet. Mit dem König als Verbündetem war an seiner Macht in Köln ohnehin faktisch nicht zu rütteln.

Abb. 1: Erzbistum Köln, Sigewin, Pfennig, Hävernick 390, 1,429 g, 19,6 mm, Westfälisches Landesmuseum, Münzkabinett Inv.Nr.21754Mz
© S. Kötz

Zu einem späteren Zeitpunkt fand dann ein Typenwechsel statt. Auf den neuen Münzen (Abb. 1) ist die Darstellung ähnlich, doch ist die Umschrift um ARCHIEP(is)C(opus) ergänzt. Die Rückseite zeigt nunmehr eine mehrtürmige Kirchenanlage, die von einer Mauer mit einem schmalen Tor und Buckelquadern umgeben wird. Die Umschriften lauten durchweg AINCTA COLONAS, sind somit inkorrekt. Sie zeigen wie die Stempelschneider, die offensichtlich Analphabeten waren, arbeiteten. Sie kopierten jeweils die letzten Stempel und übernahmen dabei eben auch Fehler, die im Laufe der Zeit entstanden waren. Offensichtlich nahm niemand im Domkapitel oder am Hof des Erzbischofs an solchen Fehlern Anstoß.
Der Schatzfund von Remscheid lässt keinen Zweifel daran, dass die eingangs vorgestellten Münzen Sigewins in die Frühzeit seines Erzbischofsamtes gehören. Die Kölner Münzen dieses Hortfundes enden mit diesem Typ. Sie stammen aus immerhin elf verschiedenen Vorderseitenstempeln, was zeigt, dass die Prägung doch einen gewissen Umfang gehabt haben muss. Im Kontrast dazu steht der Schatzfund von Bonn I von 1879, der noch zu Lebzeiten Sigewins, aber wohl nahe an 1089 verborgen wurde. Hier entfielen auf den jüngeren Typ 76 Exemplare, auf den älteren aber nur vier. Dies deutet darauf, dass der Typenwechsel nicht sehr lange nach 1079 stattgefunden haben muss und Sigewin auch schon vor der Übergabe des Palliums durch Clemens III. Münzen mit dem Titel archiepiscopus prägen ließ.

(P. Ilisch)


Literatur:

  • Manfred Groten, Brandkatastrophe und Solidarität, Marktsanierung und Gottesfrieden. Kölns Take-off unter Erzbischof Sigewin(1079-1089). In: Ostkirche und Weltkirche in der Geschichte. Kölnische Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und zweitem Vatikanum, Festschrift für Norbert Trippen. Köln/Weimar/Wien 2011, S. 69-77.
  • Walter Hävernick, Die Münzen von Köln. Köln 1935.
  • Peter Ilisch, Die Schatzfunde von Werlte und Remscheid. In: Bernd Kluge (Hrsg.), Fernhandel und Geldwirtschaft. Beiträge zum deutschen Münzwesen in sächsischer und salischer Zeit. Ergebnisse des Dannenberg-Kolloquiums 1990. Berliner Numismatische Forschungen N.F. Bd. 1 = Römisch-Germanisches Zentralmuseum Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte Monographien Bd. 31. Sigmaringen 1993, S. 153-171.