
Römischer Denar
Römische Republik.
M. Iunius Brutus - L. Plaetorius Cestianus.
Denar, 42 v. Chr., makedonische Münzstätte.
3,73 g.
Vs: L · PLAET · CEST / BRV[T] - IMP, Büste nach rechts.
Rs: Freiheitskappe (pileus) zwischen zwei Dolchen, darunter EID·MAR.
RRC I, 518 Nr. 508/3; Sydenham 1301; BMC 68.
Numismatik Lanz München, Auktion 158, 5.6.2014
Vor gut einem Jahrzehnt fanden sich amerikanischen Museumskuratoren, Numismatiker, Münzhändler und Sammler zuammen, um die "100 Greatest Ancient Coins" zu küren. Man verzichtetet auf eindeutig gewichtete Kriterien, würdigte aber vor allem Seltenheit, Wert, historische Bedeutung, Popularität und Schönheit der Münzen, um aus der über ein Jahrtausend währenden antiken Münzgeschichte die 'bedeutendsten' Münzprägungen auszuwählen.
Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass keine der künstlerisch herausragenden griechischen Prägungen den ersten Platz belegte. Die berühmte, namentlich signierte syrakusanische Tetradrachme des Künstlers Euainetos belegte immerhin den dritten Platz, hinter der wohl bekanntesten antiken Münze überhaupt, der attischen Tetradrachme mit der Eule. Als bedeutendste Münze wurde vielmehr ein römischer Denar der Bürgerkriegszeit erkoren - und dieser "Brutus EID MAR Denar", unsere Münze des Monats Mai, stellt in der Tat eine in vieler Hinsicht spektakuläre, ja ikonische Prägung dar, zudem ein erstrangiges historisches Zeugnis für eines der einschneidendsten Ereignisse der antiken Geschichte, nämlich die Ermordung Caesars am 15. März 44 v. Chr.
Diese Münze war schon in der Antike so bekannt und in ihrer Ikonographie und programmatischen Aussage so geläufig, dass noch drei Jahrhunderte später der Historiker Cassius Dio schreiben konnte: »Brutus (...) ließ auf den Münzen, die er prägte, sein Bildnis und eine Mütze sowie zwei Dolche darstellen und machte durch diese Bilder und die Inschrift deutlich, dass er mit Cassius das Vaterland befreit hatte« (Cass. Dio XLVII 25, 3). Eine Erinnerungsmünze an einen politischen Mord mit dem Porträt des M. Iunius Brutus, eines der Mörder, auf der Vorderseite: Mit dieser Währung, in einer mobilen Feldmünzstätte geprägt, bezahlte eben dieser Brutus Monate später seine Truppen in Makedonien, wo er im nach dem Tod Caesars neu aufgeflammten Bürgerkrieg zusammen mit anderen Republikanern gegen Marcus Antonius und den jungen Octavian, den späteren Augustus, kämpfte und 42 v. Chr. in der Schlacht bei Philippi unterliegen und Selbstmord begehen sollte.
Als historische Quelle ist dieser sog. Brutus-Denar einzigartig, da er das Motiv eines der Attentäter offenlegt, und dies in einer unmittelbar verständlichen Form. Die Vorderseite der Münze bietet, neben der Nennung des verantwortlichen Münzmeisters Lucius Plaetorius Cestianus, das ausdrucksstarke Porträt des Brutus mit seinem Namen und dem Titel Imperator. Sie weist zugleich auf den Ahnherrn des Brutus, L. Iunius Brutus, hin, der 509 v. Chr. die Römer von der etruskischen Königsherrschaft befreit und damit die Republik begründet haben soll.
Frappierend ist allerdings vor allem die Rückseite: Sie bietet eine Rechtfertigung für die Mordtat am 15. März 44 v. Chr. Die Münzaufschrift nennt das Datum EID MAR (= Idibus Martiis, die Mitte des Monats März; der Diphthong EI steht für I), bezieht sich mithin unmissverständlich auf die Ermordung Caesars durch die Verschwörer - diese freilich nicht nur die beiden Anführer Brutus und Cassius, sondern ein gutes Dutzend Senatoren, welche bei der Senatssitzung in der Kurie an diesem Tag über Caesar herfielen und ihn erdolchten.
Die Darstellung einer Freiheitskappe, des pileus, welche ein Sklave bei seiner Freilassung als äußeres Zeichen erhielt, flankiert von zwei Dolchen, symbolisiert die Befreiung des römischen Volkes von der Alleinherrschaft Caesars und propagiert diese als Wiederherstellung der Freiheit. Der Caesarmord wird somit in die Tradition eines gerechtfertigten Tyrannenmordes gestellt. Und auch hier liegt noch eine Anspielung auf den Ahnherrn des Brutus vor, welcher der Tradition nach auf einen blutigen Dolch geschworen haben soll, die etruskischen Herrscher aus Rom zu vertreiben.
Diese Begründung des Mordes ist allerdings durchaus ambivalent, denn Brutus handelte, indem er sein Porträt auf die Münze setzen ließ, nicht anders als Caesar: Einer der Gründe für den Mord war es gerade gewesen, dass Caesar sein Bildnis auf die Münzen hatte setzen lassen - dies galt als ein Zeichen für sein Bestreben, eine Monarchie zu errichten und machte zugleich die Hybris augenfällig, die ihm seine Gegner vorwarfen. Bemerkenswert ist auch die schonungslose Darstellung des Gesichtes des Brutus: starr geradeausblickend, nahezu ausgezehrt und erschöpft wirkend. Jeglicher Versuch, den nur 43 Jahre alten Politiker jugendlich darzustellen, seine Gesichtszüge zu mildern, unterbleibt.
Das schlichte Design der Rückseite dürfte beim zeitgenössischen Betrachter weitere republikanische Anmutungen geweckt haben. Die beiden symmetrisch angeordneten Dolche der zwei Führer der Verschwörung konnten an die Gleichrangigkeit der traditionellen Höchstmagistrate der Republik, der Konsuln, erinnern. Aber sie werden auch als Anspielungen auf die mythischen Retter Roms in tiefer Vergangenheit, die Zwillinge Castor und Pollux, verstanden worden sein, deren Rolle nun eben Brutus und Cassius einnehmen sollten.
Atemberaubend bleibt in der Zusammenschau die Direktheit der Aussagen dieser Prägung: sie zeigt die Waffen, mit denen Caesar ermordet wurde, bietet das präzise Datum der Tat und benennt das Motiv für die Verschwörung und den Mord.
H.A. Cahn führte 1989 in einem Corpus 56 Denare und 2 Aurei dieser Prägung auf. Heute sind wohl bald 100 Münzen dieses Typs bekannt. Die wenigen Stücke, die auf den Markt kommen, sind enorm begehrt und erfuhren in den letzten Jahren beachtliche Preissteigerungen. 2016 ging ein vorzüglich erhaltenes Exemplar dieser außerordentlichen Münze, eingerechnet Zuschläge, für umgerechnet € 450.000 an einen privaten Sammler, auch weniger gut erhaltene Stücke wie das vorliegende wechseln für sechsstellige Summen den Besitzer. Übrigens existieren auch bereits zeitgenössische oder wenig spätere Nachprägungen und Fälschungen dieses Brutus-Denar, welche die frühe Popularität des Typs bezeugen. Mindestens 16 Stücke sind bekannt. Es wird gemutmaßt, dass diese im Bürgerkriegsjahr 68/69 n. Chr. geprägt worden sein können, doch auch eine Nachprägung erst zur Zeit der Renaissance kann nicht ausgeschlossen werden. Das numismatische Motiv wurde jedenfalls auch später noch für politische Zwecke aufgegriffen und variiert.
(J. Hahn)
Literatur:
- Nodelman S., The Portrait of Brutus the Tyrannicide, in Ancient Portraits in the J. Paul Getty Museum, vol. 1, Occasional Papers on Antiquities, 4, Malibu 1987, 41-86
- H.A. Cahn, EIDibus MARtiis, Numismatica e antichità classiche 18 (1989), 211–232
- G. Lahusen, Die Bildnismünzen der römischen Republik (1989) 17 f. Taf. 5, 2; 81-83
- R. Walburg, EID MAR: Die Macht der visuellen Kommunikation, Boreas 30/31 (2007/2008), 111-125
- Berk, H.J. (ed.), 100 Greatest Ancient Coins, Atlanta, GA 2008
- K. Tempest, Brutus, the Noble Conspirator, New Haven - London 2017