
Hyperinflationen
Hyperinflationen sind aufgrund der extrem hohen Inflationsraten außergewöhnliche ökonomische Phänomene. Sie stehen im Zusammenhang mit bedeutenden gesellschaftlich-politischen und ökonomischen Veränderungen, wie beispielsweise den beiden Weltkriegen, der lateinamerikanischen Schuldenkrise und dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems. So hat Deutschland leidvolle Erfahrungen mit einer Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg 1922/23 gemacht. Auch die jüngeren Hyperinflationen in Simbabwe und Venezuela haben ihren Ursprung in extremen politischen Verwerfungen.
Allen hyperinflationären Perioden ist der Durchgriff von Regierungen auf die Zentralbank und die deutliche Expansion der Geldmenge zur Finanzierung staatlicher Ausgaben gemeinsam. Anhand der abgebildeten 50 Millionen Mark Note vom 1. September 1923 aus der Endphase der deutschen Hyperinflation lässt sich erahnen, auf welche Größenordnungen Geldmengen während hyperinflationärer Perioden anschwellen. Die enormen Geldmengenerhöhungen schlagen sich in entsprechenden Preissteigerungen nieder, welche die Krise eines Landes zusätzlich verschärfen. Weite Bevölkerungsschichten führen in hyperinflationären Perioden einen tag-täglichen Überlebens-kampf, da die Preise lebensnotwendiger Güter und Medikamente binnen weniger Tage deutlich steigen und die Kaufkraft der Währung rasant sinkt. Dieser Beitrag zur Instabilität eines Landes ist in der Kriegshistorie gezielt genutzt worden, indem große Mengen Falschgeld als Waffe zur Destabilisierung eingesetzt wurden. Ein Beispiel hierfür liefert der Erste Irakkrieg 1990/1991.
Obwohl der Irak den Golfkrieg in den Jahren 1990/91 verlor, verblieb Saddam Hussein an der Macht. Im Jahr 1992 entschieden sich Saddams Widersacher, mit falschen Dinar-Noten eine massive Erhöhung der Geldmenge herbeizuführen, um durch die daraus resultierende Erhöhung der Preise die irakische Volkswirtschaft und damit das totalitäre Regime von Saddam Hussein politisch zu destabilisieren. Neben westlichen Industrienationen unter Federführung der USA waren an dieser Operation Saudi Arabien, der Iran und Israel maßgeblich beteiligt.
Wodurch wurde die Einschleusung der Dinar-Blüten möglich? Ein Blick auf die monetären institutio-nellen Bedingungen Iraks gibt hierauf Antwort. Die Herstellung von Geldnoten mit hoher Fälschungssicherheit erfordert einen hohen Technologie- und Wissenstand, über den nur spezielle Druckereien in westlichen lndustrienationen, nicht aber der Irak verfügen. Vor dem Irakkrieg wurde Iraks Bargeld von einer britischen Druckerei hergestellt. Nachdem sich als Folge des Irakkriegs die Beziehungen zwischen Großbritannien und anderen westlichen Industrienationen einerseits und dem Irak andererseits wesentlich verschlechtert hatten, war der Irak zur Eigenproduktion der Dinar-Geldscheine gezwungen, ohne das zur Herstellung einigermaßen fälschungssicherer Geld-scheine erforderliche hohe Know How zu besitzen.
Durch die produktionstechnisch bedingte niedrige Qualität wurde der irakische Dinar leicht fälschbar, und es gelang, über die jordanische, saudiarabische, türkische und iranische Grenze den Irak mit Geldscheinen zu bombardieren. Neben dem Schmuggel falscher Dinar-Scheine sollen einem Brief des irakischen Außenministers zufolge auch US-amerikanische Hubschrauber über Dörfern im südlichen Irak große Mengen gefälschten Papiergeldes abgeworfen haben. Selbst die Androhung drakonischer Strafen konnte die Verbreitung der Blüten im Irak nicht verhindern.
Drastische Geldmengenerhöhungen sind mit entsprechenden Preissteigerungen verbunden. Dieser Effekt war auch im Irak zu beobachten. Hinzu kam, dass die internationalen Sanktionen gegen den Irak zu einer Reduktion der Wirtschaftsleistung und damit zu einer Verstärkung des Inflationseffekts geführt haben dürften. Zwar verbirgt sich hinter der Inflationsentwicklung auch die verstärkte Ausgabe von Geld seitens des irakischen Staates zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben für gestiegene Löhne und Wiederaufbaumaßnahmen, die großen Mengen Dinar-Blüten haben die Preissteigerungstendenz jedoch wirkungsvoll unterstützt. Nur die erhoffte Konsequenz - der Sturz von Saddam Hussein - blieb seiner Zeit aus.
(Prof. Dr. Martin T. Bohl)
Literatur:
- lbrahim, Y.F.: Fake-Money Flood is Aimed at Crippling lraq's Economy. In: The New York Times vom 27. Mai 1992.
- Friedman, M.: The Quantity Theory of Money. In: The New Palgrave. Dictionary of Economics. Lon-don/New York 1987, S. 3-20.
- Krugman, P.R./Obstfeld, M.: International Economics: Theory and Policy. 3rd. ed., New York 1994, insb. S. 383-388.
