
Das Wort PAX auf Solidi der Kaiser Anthemius und Justinian II.
Flavius Procopius Anthemius (um 420–472 n. Chr.) | Gold, Solidus, 4,42 g, 22 mm, Münzstätte Rom, 467–472 n. Chr. | Av.: D N ANTHEMI-VS P F AVG, Panzerbüste des Anthemius mit Helm, Schild und Speer | Rv.: SALVS REI P-V-BLICAE / COMOB. Kaiser Anthemius und Kaiser Leo I. in Rüstung und Mantel, einander die Hand reichend; darüber Schild mit PAX; im Feld links R, im Feld rechts M | RIC X Anthemius 2804 | Münzkabinett | Berlin, Objektnummer 18201533 https://ikmk.smb.museum/object?id=18201533

Justinianus II. (668/669–711 n. Chr.) | Gold, Solidus, 4,44 g, 20 mm, 6 Uhr, Münzstätte Konstantinopolis, 705–706 n. Chr. (zweite Herrschaft) | Av.: d N IhS ChS REX - REGN[ANTIUM]. Büste des bärtigen Christus im Segensgestus mit Codex in der linken Hand, in Vorderansicht, hinter ihm ein Kreuz | Rv.: [D N IUS]-TINIA-NUS MUL[TUS AN]. Drapierte Büste des Justinianus II. mit Krone. In seiner rechten Hand ein Balkenkreuz auf dreistufiger Basis, in seiner linken Hand ein Patriarchenkreuz auf Globus, darauf PAX | DOC II-2 Nr. 1 (705 n. Chr.); MIB III Nr. 1 (705–706 n. Chr.) | Münzkabinett Berlin, Objektnummer 18218743 | https://ikmk.smb.museum/object?id=18218743
Einige Münzen aus der Zeit zwischen der zweiten Hälfte des fünften und dem Anfang des achten Jahrhunderts zeigen die Buchstaben P, A, X. Bis auf wenige mögliche Zweifelsfälle aus Karthago kann man wohl davon ausgehen, dass damit das lateinische Wort Pax für Frieden gemeint ist. Außer bei den hier ausgewählten Kaisern kommt der Schriftzug auch auf karthagischen Silberprägungen der Kaiser Maurikios und Konstans II. vor, bei Justinian II. zudem auf Bronzemünzen aus der Zeit seiner ersten Herrschaft (Maurikios, Viertel-Siliqua, 602 n. Chr., MIBEC NV63; Constans II., Halb-Siliqua, ca. 647 n. Chr., DOC 132; MIB 157 a; Justinian II., Aes 3, ca. 695 n. Chr., DOC 31.3). Bisher nicht erfasst ist ein Nummus von Justinian I. mit PAX auf dem Avers, nachgewiesen bei Grabungen der University of Michigan 1975–1979 (Metcalf 1987, Nr. 201).
Die Deutungen gehen weit auseinander: Manche sehen das Erscheinen des Wortes PAX vor dem Hintergrund konkreter politischer Ereignisse, etwa eines Herrschaftsbeginns oder eines Friedensschlusses; andere erklären die Nennung von PAX damit, dass es sich um ein abstraktes Attribut eines Herrschers handelte, oder mit der unanimitas und concordia von Ost- und Westteil des Römischen Reichs. Wiederum andere Forscher*innen akzentuieren den christlich-religiösen Charakter dieser und ähnlicher Münzinschriften.
Procopius Anthemius
Zwischen 467 und 472 ließ der weströmische Kaiser Procopius Anthemius in Rom, Ravenna und Mailand Solidi prägen, deren Revers ihn stehend zur Linken neben dem oströmischen Kaiser Leo I. zeigt, beide in militärischen Gewand. Sie reichen sich die Hand. Beide tragen Rüstung und Mantel. Auf Kopfhöhe zwischen beiden steht der Schriftzug PAX bzw. PAS oder bAS, bekrönt von einem Kreuz. Die Schreibweisen variieren zwischen den drei Münzstätten. Das epigrafische Problem der unterschiedlichen Schreibweisen von PAX und die Frage „pseudoimperialer“ Nachprägungen können in diesem Kontext außer Acht bleiben. Eine Identifizierung der linken Herrschergestalt mit dem Heermeister Ricimer wird überwiegend zurückgewiesen.
Der Avers zeigt den Münzherrn Anthemius in militärischem Habitus, die Legende Dominus Noster Anthemius Pius Felix Augustus. Auf dem Revers ist auf allen Typen die Legende Salus Reipublicae zu lesen, dazu die Zeichen der jeweiligen Münzstätte. PAX erscheint in unterschiedlicher Einfassung, mal im Kranz mit Schleifen, mal in einer Art Schild. Die Verknüpfung dieses Worts mit dem Motiv der dextrarum iunctio, die beide Kaiser miteinander verbindet, erinnert insbesondere an anonyme gallische und hispanische Münzen aus der Zeit des Bürgerkriegs im 1. Jh. n. Chr. Dort ist sie reduziert auf die ineinander gelegten Hände mit Merkurstab, Kornähren und Mohnkolben sowie den Schriftzug PAX (RIC I² Nr. 34 Spanien, 68 n. Chr.).
Obwohl vom östlichen Kaiser Leo als Mitkaiser voll anerkannt, veranlasste dieser keine Parallelprägungen. Eine Erklärung ist daher im Herrschaftsverlauf von Anthemius zu suchen. Aufgrund der Datierung der Prägeserie scheidet der Sieg über Geiserich 470 aus; auch war dieser Sieg Leo zu verdanken, nachdem Anthemiusʼ eigener Versuch, Geiserich zu besiegen, 468 n. Chr. gescheitert war. Der andere Krieg, den Anthemius der schriftlichen Überlieferung zufolge führte, gegen den Westgoten Eurich, endete abermals desaströs für Rom, sodass auch hier kein Siegfrieden zu proklamieren gewesen sein dürfte. Entgegen Grierson scheint daher ein lokaler Friedenschluss als Anlass für die PAX-Prägungen nicht gegeben zu sein.
Kaegi schlägt daher – unter Verweis auf Äußerungen von Sidonius Apollinaris und dem Buch de caeremoniis – vor, die Anführung von PAX auf Münzen als Zeichen der Einmütigkeit zwischen dem west- und dem oströmischen Kaiser und der damit gegebenen friedensstiftenden Einheit zwischen den beiden Reichsteilen zu sehen.
PAX: Justinian II. (zweite Amtszeit)
Die Zuweisung von Avers und Revers bei den Münzen Kaiser Justinians II. mit einem Bildnis von Christus ist strittig. Überwiegend jedoch gesteht man dem Christusbild den Avers zu. Somit erscheint – wie zu Beginn seiner ersten Amtszeit – der kaiserliche Münzherr auf dem Revers.
Dominus Noster Iesus Christus Rex Regnantium: So lautet die Legende des Avers. Zu sehen ist frontal ein Christus, überraschend mit kurzem Bart und Lockenfrisur. Ähnliche Münzen aus der Zeit seiner ersten Herrschaft zeigen Christus mit glattem Haar und Vollbart. Der jugendliche Bildnistyp, den Justinian II. einführte, blieb ohne Nachfolge.
Dominus Noster Iustinianus Multus Annus [Multos Annos]: Der Revers zeigt den Kaiser mit Krone, frontal mit ähnlicher Barttracht wie Christus. Der Globus in der linken Hand trägt das Patriarchenkreuz, auf der Kugel selbst steht die Aufschrift PAX.
Formel und Inszenierung lassen den Kaiser als Stellvertreter Christi erscheinen. Nicht ausgeschlossen wird eine Reaktion auf die Münzprägung des zeitgenössischen Kalifen Abd-el Maliks, der sich unter anderem als „Herr der Rechtgläubigen“ und „Vertreter Allahs“ titulieren ließ. Auch ein Zusammenhang mit den Anfängen des Bilderstreits wird gesehen. Der Globus – später auch mit aufgesetztem Kreuz – tritt schon früher als kaiserliches Attribut in Erscheinung, allerdings allein in der Ikonografie und nicht als reales Insigne. Zu verstehen ist er als Sinnbild für den römisch beherrschten Erdkreis, ab einer bestimmten Zeit dann unter christlichen Vorzeichen. Durch die Aufschrift PAX erhält das Insigne ein weiteres abstraktes Attribut, möglicherweise als Friedensversprechen für das Römische Reich, das der Kaiser zu Beginn seiner zweiten Herrschaft propagierte. Dagegen wendet sich Woods, der eine politische Deutung angesichts der aus seiner Sicht überwiegend religiösen Bezüge der Münze (Christusbild, Titulatur und Doppel- bzw. Patriarchenkreuz auf dem Globus) für nicht gegeben hält. Für ihn steht die Auseinandersetzung mit dem Kalifen und der aufziehende Bilderstreit für eine Deutung im Vordergrund. Darüber hinaus bleibt aber die Gestalt dieses religiösen Konzeptes von Kaiser Justinian II. unklar. Woods lässt zudem außer Acht, dass der von ihm im Falle der PAX-Prägungen der Kaiser Maurikios, Constans II.und Justinian II. gesehene Antagonismus zwischen den beiden Sphären keinesfalls zwingend ist.
Die PAX-Prägungen von Anthemius und Justinian II. haben sowohl einen christlich-religiösen als auch einen politischen Charakter – darin ansatzweise vergleichbar mit den kaiserzeitlichen und auch spätrömischen Münzprägungen mit Personifikationen der Securitas, der Concordia, der Victoria oder der Pax.
G. Schaaf
Weiterführende Literatur:
Anders 2010
- F. Anders, Flavius Ricimer: Macht und Ohnmacht des weströmischen Heermeisters in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (2010).
Belting 2000
- H. Belting, Bild und Kult: eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst (2000).
Burgess 2008
- R. W. Burgess, ANTHEMIUS – ROME: PRELIMINARY ANALYSIS (19. Januar 2008).
DOC II-2
- Ph. Grierson, Catalogue of the Byzantine coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection II-2 (1968).
Grierson/Mays 1992
- Ph. Grierson/M. Mays, Catalogue of late Roman coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection. From Arcadius and Honorius to the accession of Anastasius. Dumbarton Oaks catalogues (1992).
Kaegi 2010
- W. E. Kaegi, Muslim Expansion and Byzantine Collapse in North Africa (2010).
Metcalf 1987
- W. E. Metcalf, THE MICHIGAN FINDS AT CARTHAGE, 1975–79: AN ANALYSIS. Museum Notes (American Numismatic Society) 32, 1987, 61–84.
MIB III
- W. Hahn, Moneta Imperii Byzantini III (1981).
Morrisson
- C. Morrisson, 13.09.12, Kaegi, Muslim Expansion and Byzantine Collapse in North Africa.
Woods 2017
- D. Woods, The Proclamation of Peace on the Coinage of Carthage under Constans II. Greek, Roman, and Byzantine Studies 57, 2017, 687-612.
