April 2018
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Münze des Monats

Domitian, 81-96 n. Chr., AE Quadrans
© Künker, Auktion 243, 21. November 2013, als Los 4828

Ein Quadrans des Domitian

Domitian, 81-96 n. Chr., AE Quadrans, 3,14 g, 19 mm, Rom, 84/85 n. Chr., Vs.: Rhinozeros mit gesenktem Kopf nach links laufend, Rs.: IMP DOMIT AVG GERM um großes S·C im Feld (RIC 250, BMC 498)

Die Abbildung von Tieren auf römischen Münzen ist nicht ungewöhnlich. Gerade Pferde als Reit- oder Zugtiere werden verschiedentlich in Szenen auf Münzrückseiten mit abgebildet, etwa bei Darstellungen von Kavalleristen, Triumphzügen o.a. Daneben können Tiere auch als Zeichen Verwendung finden, so das Krokodil als Emblem der römischen Kolonie Nemausus (Nimes) oder als Symboltier Ägyptens. Die Darstellung des Rhinozeros auf dem obigen domitianischen Quadrans ist unter verschiedenen Aspekten jedoch bemerkenswert. Sie befindet sich, ohne weiteren Zusatz oder Erläuterung durch eine Legende, auf der Vorderseite eines Quadrans aus Kupfer. Dieses kleinste Nominal im römischen Münzsystem im Wert eines Viertel As (oder 1/64 Denar) stellt aufgrund seines geringen Wertes eine Umlaufmünze dar, die jeder Bürger, auch nahezu Unbemittelte, ohne weiteres in die Hand bekommen konnte. Die bescheidene Rückseite, welche neben dem S(enatus) C(onsulto) als traditionellem Autorisierungsvermerk von Bronze- und Kupfermünzen, deren Ausgabe nominell vom Senat kontrolliert wurde, nur den Kaisernamen Domitians trägt - die Nennung seines Siegertitels Germanicus datiert die Münze auf 83 n. Chr. oder später, aber nicht nach 85 n. Chr. - weist der Vorderseite, also dem mit erregt gesenktem Haupt nach links stürmenden Rhinozeros eine Schlüsselbedeutung zu. Hier nimmt das exotische Tier zudem den Platz des Kaiserporträts ein, das sonst immer auf dieser Seite abgebildet wird.
Wie wurde diese somit in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliche Prägung von den Menschen, die sie in die Hand bekamen, nun aber verstanden, welche Assoziationen verbanden sie mit dem Münzbild, das doch jede Erklärung schuldig bleibt? Theodore Buttrey hat hier 2007 eine Erklärung vorgelegt, welche dieser ungewöhnlichen Emission eine weitergehende historische Aussage zumisst. Zunächst stellte er fest, dass es sich beim Nashorn um das wohl seltenste und spektakulärste Tier handelt, das bei ludi in Rom gezeigt werden konnte. Ein Rhinozeros ist nicht nur in freier Wildbahn kaum einzufangen; es ist, wie moderne Zoologen und Tierhändler wissen, auch extrem schwer zu transportieren und dabei am Leben zu erhalten. Vor Kaiser Domitian ist die Präsentation nur dreier Exemplare in Rom nachweisbar. Erstmals führte Pompeius bei der Eröffnung seines Theaters 55 v. Chr. ein Rhinozeros vor, dann, eine Generation später, Augustus, der erste Kaiser; ein römischer Historiker behauptete fälschlicherweise sogar, dieses sei überhaupt das erste seiner Art vor römischem Publikum gewesen. Zeitpunkt und Anlass der dritten Gelegenheit sind nicht überliefert. Nach Domitian, als die kaiserliche Logistik von Wildtieren zur Versorgung der Spiele in Rom ihre höchste Leistungsfähigkeit erreichte (und in Nordafrika für das Aussterben von Löwen und anderen Wildkatzen sorgte), ist nur noch zweimal die Vorführung von Nashörnern in Rom dokumentiert: In einem Falle, bei den ludi saeculares des Philippus I. Arabs zur 1000-Jahr-Feier der Stadtgründung Roms im Jahr 248 n. Chr. wurde es neben gleich 60 Löwen und 32 Elefanten gezeigt. Das unterstreicht augenfällig die außerordentliche Seltenheit des Tieres (30 Jahre zuvor ließ Kaiser Elagabal sogar 52 indische Tiger abschlachten).
So sollen wir davon ausgehen, dass unter Kaiser Domitian jedem Bewohner des Imperiums, welchem der Quadrans mit dem legendären Dickhäuter in die Hand gelangte, unmittelbar klar war, dass es sich um jenes eine Rhinozeros handelte, das in dieser Epoche von ihrem Kaiser, der sie auch sonst ungemein großzügig mit Spielen unterhielt, beschafft und vorgeführt worden war. Tatsächlich erwähnt auch ein zeitgenössischer Dichter, Martial, der eine Reihe von Epigrammen De spectaculis verfasst hat, in gleich zwei seiner Gedichte den unberechenbaren, gefährlichen Koloss, welcher das Publikum in ehrfürchtiges Staunen versetzte. Martial notiert, anders als bei den übrigen in Spielen Domitians vorgeführten Tieren, auch nicht, dass der angsteinflößende Dickhäuter in der Arena gejagt und zur Strecke gebracht worden wäre: Er war zu kostbar und für die Demonstration kaiserlicher liberalitas, Großzügigkeit, gegenüber der hauptstädtischen Bevölkerung zweifellos zu wertvoll, um ihn nicht verschiedentlich dem Publikum vor Augen zu stellen.
Es ist denkbar, dass der in hohen Stückzahlen geprägte Quadrans mit dem Rhinozeros anlässlich der Vorführung des Tieres im erst jüngst errichteten Kolosseum ausgegeben, ja vielleicht sogar als Geschenk- und Erinnerungsmünze unter die Zuschauer geworfen wurde. Möglicherweise ist dieses größte Bauwerk Roms, welches die flavische Dynastie nach ihrem Sieg im Bürgerkrieg und der Übernahme der Macht der hauptstädtischen Bevölkerung gestiftet und 80 n. Chr. mit hunderttägigen Spielen eröffnet hatte, erst unter Domitian, dem jüngsten Mitglied der Familie und Kaiser seit 81 n. Chr., endgültig fertiggestellt worden. Klar ist, dass unsere Münzemission außerhalb der Reihe der sonstigen Quadrans-Emissionen geprägt wurde: Es war offenbar ein wirklich besonderer Anlass und markierte zudem ein unvergessliches Ereignis, dieses von außerhalb der Grenzen des Imperiums, aus der Steppe Afrikas herbeigeschaffte furchterregende gewaltige Tier in Rom erleben zu können.

(Johannes Hahn)