Januar 2018
Januar 2018

Münze des Monats

© LWL-Museum für Kunst und Kultur/Westfälisches Landesmuseum

LWL-Museum für Kunst und Kulturgeschichte / Westfälisches Landesmuseum, Münzkabinett
Merseburg, Pfennig 1014-1024
1.107 g 17 mm
Inv.Nr.45724Mz (obere Münze)
und 1.107 g 17 mm
Inv.Nr.45724Mz (untere Münze)

Unter den deutschen Münzen der ottonischen und salischen Kaiserzeit fällt ein Typ aus dem Rahmen insofern als eine Seite nur ein Christogramm und die andere Seite drei horizontal geordnete Schriftzeilen zeigt, während es sonst üblich war, Schrift um den Rand herum zu führen. Wenngleich die Münzen des Hochmittelalters ganz wesentlich von christlicher Ikonographie geprägt sind, findet sich das Christogramm auf ihnen doch nur sehr selten. In verkürzter Form findet es sich in einer Kirchendarstellung in Mainz in der Zeit Konrads II. und Heinrichs III.
Ausnahmen sind in dem Standardwerk von Dannenberg Nr.1243 und der hier behandelte Typ Dannenberg 1190. Letzterer wurde von Julius Menadier 1891 als „vielleicht“ aus der Benediktinerabtei Prüm stammend bezeichnet, welche Einschränkung in der Nachfolgezeit häufig fortgefallen ist. Nicht weiter beachtet wurde ein Hinweis von Hermann Dannenberg in Auseinandersetzung mit älterer Literatur, die die Heimat dieser Münzen in Italien suchte, auf einen „hohen scharfen Rand“. Ein solcher Hochrand ist ein Caracteristicum für Münzprägungen dieser Zeit im äußersten Osten des Herzogtums Sachsen (übertragen auf moderne Verwaltungseinheiten Westfalen, Niedersachen und westliches Sachsen-Anhalt) und kommt anderen Orts nicht vor. Damit ist die Zuweisung an Prüm, das eher dem Umfeld von Trier zuzurechnen ist, hinfällig. In diesem Zusammenhang ist es auch von Belang, dass entsprechende Münzen in erster Linie in Polen, vereinzelt auch in Russland und im Baltikum, in Schweden jedoch bisher nicht gefunden worden sind. Auch diese Beobachtung zeigt, dass der Typ am ehesten im deutsch-slawischen Grenzgebiet entstanden ist. Hinsichtlich der Datierung ergeben die Fundvorkommen eine Entstehung in der Zeit Heinrichs II. als Kaiser (1014-1024).
Der Münztyp kommt sowohl mit flachen Schrötlingen als auch bei etwas kleinerem Durchmesser mit aufgestauchtem Rand vor. Dieses technische „sowohl als auch“ findet sich auch bei anderen Münzen des beginnenden 11.Jahrhunderts im Großraum Magdeburg, während Ausgaben aus den nachfolgenden Jahrzehnten dort grundsätzlich den „hohen scharfen Rand“ haben.
Die eingangs genannte Schriftseite besteht aus dem zwei geteilten „Cae - sar“ ober- und unterhalb von IVICT, wobei der Kontraktionsstrich über dem mittleren Wort dieses zu INVICTUS (der Unbesiegte) auflöst. Ein Personenname erscheint nicht. Angesichts der Zeitstellung ist es aber klar, dass Heinrich II. gemeint ist, auch wenn es ebenso auf Christus bezogen werden kann. 1007 begann Heinrich einen Feldzug gegen Polen, der aber den Erfolg hatte, dass Truppen des polnischen Königs Bolesław Chrobry in den Raum nahe Magdeburg vordrangen und die Lausitz zurückeroberten. Da es Heinrich II. nicht gelang, den sächsischen Adel zu einem erneuten Zug nach Polen zu bewegen, schloss er 1013 mit Polen in Merseburg einen Frieden, der aber nur von kurzer Dauer war. Im Juli 1015 zog Heinrich II., inzwischen zum Kaiser gekrönt, erneut nach Polen, und überquerte die Oder, während gleichzeitig polnische Kämpfer die Elbe überquerten. 1018 wurde schließlich in Bautzen ein neues Friedensabkommen geschlossen, das bis zum Tode Heinrichs 1024 hielt. Auch das Verhältnis zu den Elbslawen, deren Gebiet zwischen Polen und dem deutschen Reich lag, war gespannt. Sie paktierten teilweise mit Polen, teilweise mit Heinrich II. Der Bund mit den Lutitzen im Raum Ostmecklenburg/Vorpommern geriet in Gefahr, als 1017 ein Gefolgsmann Heinrichs ein mit einem Göttinnenbild verziertes Heerzeichen der Lutitzen durch einen Steinwurf beschädigte, was als Provokation aufgefasst wurde. Das Bündnis konnte nur durch Zahlung eines Bußgeldes gerettet werden.
Das Wort Caesar ist auf Münzen dieser Zeit völlig ungewöhnlich. Normal war der Begriff Imperator zur Bezeichnung eines Kaisers, der auch in der Kanzlei des Herrschers gebraucht wurde. Caesar Invictus kann sowohl auf Heinrich II. als auch auf Julius Caesar bezogen werden. Mehrere sächsische Stammeslegenden sahen in diesem den Gründer. Der Chronist Widukind von Corvey hielt Caesar um 970 für den Gründer von Jülich und Thietmar von Merseburg, gleichermaßen Geschichtsschreiber und Bischof (†1018), war um 1015 der Meinung, die Stadt Merseburg habe ihren Namen von dem römischen Kriegsgott Mars und sei von Julius Caesar begründet worden. In seiner Chronik benutzt er für Heinrich II. nebeneinander die Begriffe Caesar und Imperator.
Es ist wahrscheinlich, dass diese Münzen in Merseburg geprägt worden sind. Dieses lag abseits des Nordhandels, was die Abwesenheit entsprechender Münzen in Schweden erklärt, war aber seit 968 Mittelpunkt eines später wieder suspendierten Bistums. 1004 hatte Heinrich II. dieses mit Thietmar, aus dem Hause der Grafen von Walbeck als Bischof wiederhergestellt und durch Schenkungen gefördert. Zu Anfang des 11.Jahrunderts war die Königspfalz Ausgangspunkt mehrerer Züge gegen Böhmen und Polen.
Dem Titelheiligen des Bistums Merseburg, dem hl. Laurentius, widmet Thietmar in seiner Chronik keine große Bedeutung zu. Dagegen sieht er den Konflikt zwischen dem Deutschen Reich und den Slawen als Kampf zwischen den Dienern Christi und den Antichristen. Als schlimmste Tat der Slawen berichtet er zum Jahr 1018, dass diese nicht nur Kirchen zerstört hätten, sondern „quod miserabillimum fuit, imago crucifixi truncata est“ (dass es am schlimmsten war, dass das Bild des Kreuzes verstümmelte wurde). Eine zweite Hand fügte in die Chronik ein, dass Heinrich II. dem Bischof eine Kreuzreliquie (victoriosissimae crucis partem; einen Teil des allersiegreichsten Kreuzes) schenkte. Das Christusmonogramm Chi-Ro hatte eine mehrfache Symbolkraft und ließ sich in Bezug zu dem Invictus setzen, da Constantin 312 unter diesem Zeichen seinen Sieg an der Milvischen Brücke erlangt hatte.
Sehr groß kann die Ausprägung des diskutierten Münztyps nicht gewesen sein. Sieben miteinander verglichene Stücke stammen eindeutig auf der Christogrammseite aus demselben Prägestempel. Für die Seite mit der Schrift sind dagegen drei sich geringfügig unterscheidende Stempel erkennbar. Diese müssen die einem stärkeren Verschleiß unterliegenden Oberstempel sein, deren Lebensdauer kürzer war. Das Vorhandensein weiterer Stempel ist zumindest für die Seite mit dem Chi-Ro äußerst unwahrscheinlich. Als Quintessenz ergibt, dass die Münzprägung nur von beschränktem Umfang war. Umso stärkeres Gewicht, hat ihr gehäuftes Vorkommen in den polnischen Schatzfunden.

(Peter Ilisch)


Literatur:

  • Peter Ilisch, Oberlothringen oder sächsisch-slawisches Grenzgebiet? Geldgeschichtliche Nachrichten 37, 2002, S. 5-7.
  • Hermann Dannenberg, Die Münzen der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit. Berlin 1876-1905.
  • Julius Menadier, Deutsche Münzen. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des deutschen Münzwesens. Bd. I. Berlin 1891.
  • Manfred Mehl, Die Münzen und Medaillen von Merseburg von den Anfängen bis 1738. Hamburg 2015.