
Bronzemünze des Spithridates
Archäologisches Museum der Universität Münster, Inv. M 5233
Bronzemünze (Chalkous) des Spithridates, Münzstätte Kyme (?), wohl 334 v. Chr.
10 mm; 1,30 g; 9 h
Av.: Kopf des Spithridates von Ionien und Lydien mit Tiara, deren Laschen unter dem Kinn verschränkt sind, nach rechts gerichtet
Rv.: Pferdeprotome nach rechts gerichtet, i.F. oben Beizeichen: ; griechische Legende i.F. unten: [ΣΠ]Ι.
Immer noch kontrovers diskutiert ist die Frage der Bedeutung der sog. Satrapenmünzen, zu der auch dieses Münsteraner Stück zu zählen ist. In der Tradition der lydischen Könige werden weiterhin im Westen des Persischen Reiches Münzen geprägt. Sicher als Königsgeld zu bezeichnen sind die Dareiken und die Sigloi, die im Zuge der Münzreform des Dareios I. nach P. Briant ca. 512 v. Chr. eingeführt worden sind. Daneben existieren lokale Prägungen, die von Städten oder Herrschern (Dynasten, Tyrannen, Könige) in Auftrag gegeben worden sind. Als sog. Satrapenmünzen werden diejenigen benannt, die zum einen in der Legende den Namen eines persischen Amtsträgers angeben: u.a. Tissaphernes, Pharnabazos und der hier vorzustellende Spithridates. Zum anderen sind nach J. Bodzek der mit Tiara bedeckte Kopf und der sog. iranische Reiter als Satrapen-Typen zu bezeichnen. In der Folge von C. M. Harrison und L. Mildenberg werden allerdings mehrheitlich Zweifel geäußert, ob es Satrapenmünzen überhaupt gibt. Zuletzt hat H. Klinkott sämtliche Argumente zusammengetragen und schlägt vor, eher von „Strategengeld“ zu sprechen, da die persischen Amtsträger die Münzen nicht in ihrer Satrapie haben prägen lassen. Die Satrapen waren mit großen Feldzügen durch den Großkönig beauftragt – z.B. gegen Euagoras auf Zypern und gegen Ägypten – und ließen deshalb zur Entlohnung des Heeres und der Flotte in Kilikien oder der Levante Münzen prägen. Somit bezeichnet er die sog. Satrapenmünzen als „durch Königssymbolik überlagertes Lokalgeld“. Dies würde auch erklären, warum z.B. die Prägungen des Pharnabazos aus Kyzikos mit dem Thunfisch – Symbol der Stadt – versehen sind. Bodzek hat zuletzt festgestellt, dass der Begriff Satrapengeld nicht wörtlich, sondern symbolisch gemeint sei, indem sämtliche Münzen von Repräsentanten des Großkönigs – gleich welchen Ranges – darunter zu verstehen sind.
Die Silber- und Bronzemünzen des Spithridates sind nach Bodzek aus Anlass des mit großer Heeresmacht herannahenden Makedonenkönigs Alexander III. entstanden, da die unsicheren Prägeorte Lampsakos und Kyme nicht in Spithridates Satrapie Ionien und Lydien liegen. In der numismatischen Diskussion sind allerdings mehrheitlich die Silberemissionen mit den Soldzahlungen bzw. Rüstungsaktivitäten verknüpft worden. Bronzenes Kleingeld konnte auch andere Hintergründe haben, so werden die Münzen des Tissaphernes aus Astyra einerseits (Klinkott) interpretiert als Ehrung des Satrapen. Bodzek andererseits sieht in dem Kleingeld aus Astyra und Adramyttion den Hinweis auf das Amt des Oberbefehlshabers / Karanos der kleinasiatischen Heere.
Wie nun kann die Münsteraner Bronzemünze interpretiert werden? Gemäß des Rückseitenmotivs der Pferdeprotome wird sie dem Prägeort Kyme zugeschrieben, gesichert ist dies allerdings nicht. Das Beizeichen, welches auch auf Münzen aus Karien sowie Lykien und in der anatolisch-persischen Glyptik bezeugt ist, begegnet sehr häufig in Kilikien und gibt nach O. Casabonne als Symbol den Münzmeister an bzw. den Magistraten, unter dem geprägt wird.
Die Vorderseite zeigt Spithridates mit Tiara – Harrison und andere sehen in diesen Bildnissen kein Portrait, sondern z.B. eine Symbolik der persischen Feldherren, wie Casabonne vorschlägt. Diese Kopfbedeckung ist Bestandteil der sog. medischen Reitertracht der persische Amtsträger. Abschließend bleibt noch zu klären, welcher von den beiden literarisch überlieferten Persönlichkeiten mit dem Namen Spithridates (oder Spithrodates) diese Prägungen beauftragt hat. Der ältere der beiden ist im ausgehenden 5. und beginnenden 4. Jh. v. Chr. aktiv, ihm sind bisher allerdings keine Münzen zugeschrieben worden. Der jüngere ist unter seinem Schwiegervater Dareios III. Satrap von Ionien und Lydien – vielleicht seit 344/43 v. Chr., als sein Vater und Amtsvorgänger Rhosakes am Feldzug gegen Ägypten (Diod. 16,47,2) teilnimmt. Spithridates ist einer der Feldherren, die 334 v. Chr. das persische Heer am Granikos gegen die Makedonen unter Alexander dem Großen befehligt haben. Er attakiert zunächst Alexander, fällt dann allerdings durch die Hand des Kleitos (Arr. An. 1,12,8; 15,8; 16,3).
(H.-H. Nieswandt)
Literatur:
- C. M. Harrison, Coins of the Persian Satraps (Pennsylvania 1982)
- N. V. Sekunda, Persian Settlement in Hellespontine Phrygia, in: A. Kuhrt – H. Sancisi-Weerdenburg (Hrsg.), Achaemenid History 3. Method and Theory. Proceedings of the London 1985 Achaemenid History Workshop (Leiden 1988) 175–196, bes. 178–180
- L. Mildenberg, Über das Münzwesen im Reich der Achämeniden, AMI 26, 1993, 55–79
- L. Mildenberg, On the So-Called Satrapal Coinage, in: O. Casabonne, Mécanisme et innovations monétaires dans l’Anatolie Achéménide. Numismatique et histoire, Actes de la Table Ronde Internationale d’Istanbul, 22-23 mai 1997, Varia Anatolica XII (Paris 2000) 9–20
- O. Casabonne, Conquête Perse et phénomène monétaire : L’exemple Cilicien, in: O. Casabonne, Mécanisme et innovations monétaires dans l’Anatolie Achéménide. Numismatique et histoire, Actes de la Table Ronde Internationale d’Istanbul, 22-23 mai 1997, Varia Anatolica XII (Paris 2000) 21–91
- P. Briant, From Cyrus to Alexander. A History of the Persian Empire (Winona Lake 2002) 408 f. 934 f. (Königsmünzen); 700 f. 1009 (Spithridates II)
- H. Klinkott, Der Satrap. Ein achaimenidischer Amtsträger und seine Handlungsspielräume, Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte 1 (Frankfurt am Main 2005) bes. 241–260
- M. Alram, The Coinage of the Persian Empire, in: W. E. Metcalf (Hrsg.), The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage (Oxford 2012) 61–87
- H.-H. Nieswandt, Stoffbinden im Achaimenidischen Reich. Zu sog. Satrapenmünzen und verwandten Denkmälern im östlichen Mittelmeergebiet, in: A. Lichtenberger u.a. (Hrsg.), Das Diadem der hellenistischen Herrscher. Übernahme, Transformation oder Neuschöpfung eines Herrschaftszeichens?, Euros. Münstersche Beiträge zu Numismatik und Ikonographie 1 (Bonn 2012) 71 Spithridates Typus 2 Abb. 21 (diese Münze)
- J. Bodzek, Achaemenid Asia Minor: Coins of the Satraps and of the Great King, in: K. Dörtlük – O. Tekin – R. B. Boyraz Seyhan (Hrsg.), Bildiriler: Birinci Uluslararası Anadolu Para Tarihi ve Numismatik Kongresi, 25-28 Şubat 2013, Antalya (Antalya 2014) 59–78
