
Abdikationsfolleis der Kaiser Diokletian und Maximian
Diocletianus, 284-305, AE Follis, 10,15 g, 29 mm, Münzstätte Serdica, 305-307 n. Chr., Vs.: D N DIOCLETIANO FELICISSIMO SEN AVG, Konsularbüste mit Lorbeerkranz, Olivenzweig und mappa nach rechts, Rs.: PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG / S - F / HTS, Providentia reicht Quies mit Zweig und Zepter die Hand. RIC 15a (Gorny & Mosch Giessener Münzhandlung, Auction 215, 13.10.2013, Lot 444)

Maximianus Herculius, 285-310, AE Follis, 10,19 g, 27 mm, Münzstätte Trier 305-307 n. Chr., Vs.: D N MAXIMIANO BEATISSIMO SEN AVG, Konsularbüste mit Lorbeerkranz, Olivenzweig und mappa nach rechts, Rs.: PROVIDENTIA DEORVM QVIES AVGG / S-B-F / SM SD , Providentia reicht Quies mit Zweig und Zepter die Hand. RIC 675 (Privatbesitz)
Kein antikenbegeisterter Besucher Kroatiens wird es versäumen, den malerisch an der Adriaküste gelegenen Diokletianspalast in Split in seine Routenplanung aufzunehmen und dieses vorzüglich erhaltene spätantike Architekturensemble mit der Grablege des bedeutenden Kaisers (284-312) in Augenschein zu nehmen. Doch selbst bei der ausgiebigen Besichtigung der gewaltigen Substruktionen des Palastes, der verwinkelten Gassen des wehrhaft ummauerten, weitläufig-stadtähnlichen Areals oder des heute als Kirche dienenden Mausoleums wird kaum einem Besucher bewusst sein, dass die Entstehung und Funktion dieser Anlage - der Ruhesitz Kaiser Diokletians - mit einer der bemerkenswertesten Prägungen der römischen Münzgeschichte in unmittelbarer, ja programmatischer Verbindung steht.
In den Jahren 305 bis 310 n. Chr. wurden, zeitgleich in fast allen aktiven Münzstätten des Imperiums, von London bis Karthago, von Antiochia bis Alexandria produziert, zwei Serien von Prägungen in Gold und Bronze emittiert, letztere offenbar in großen Mengen und zur Verbreitung in allen Regionen des Reiches. Ihr Zweck war, der Reichsbevölkerung eine wichtige politische Botschaft zu übermitteln: die freiwillige Abgabe der Macht durch den Begründer des 284 n. Chr. etablierten tetrarchischen Herrschaftssystems, Diokletian, und seinen Mitkaiser, Maximian, nach über 20jähriger Regierung. Die Münzen zeigen auf ihren Vorderseiten motivgleich einen der beiden Herrscher im Amtsgewand eines Konsuls mit Lorbeerkranz und einem Olivenzweig, dem Symbol des Friedens und der Ordnung, sowie einer mappa, ein Zeremonialtuch, als weiterer Amtsinsignie in Händen. Die umlaufende Legende lautet D(omino) N(ostro) DIOCLETIANO FELICISSIMO SEN(iori) AVG(gusto) bzw. D(omino) N(ostro) MAXIMIANO BEATISSIMO SEN(iori) AVG(gusto). Die unterschiedlichen Attribute felicissimus und beatissimus deuten diskret den Vorrang Diokletians vor dem von ihm 286 n. Chr. zum Mitkaiser erhobenen Maximian an. Die traditionelle Herrscherbezeichnung Augustus (in der Spätantike zudem dominus noster, "unser Herrscher") wird hier, einmalig in der römischen Münzgeschichte, um senior erweitert: wie die Rückseite erweist, zu übersetzen nicht mit 'der Ältere', sondern 'im Ruhestand'.
Mindestens ebenso bemerkenswert ist das Münzbild mit seiner Legende auf der Rückseite, das auf allen Prägungen identisch ist. Es zeigt zwei weibliche Personifikationen - diese Doppelung an sich schon nahezu ohne Beispiel auf römischen Münzen -, die sich gegenüberstehen: PROVIDENTIA DEORVM, die Vorsehung der Götter, streckt ihre Hände nach der rechts stehend QVIES AVGG(ustorum) aus, der Rast der Kaiser (von den Anstrengungen der Herrschaft), welche Zweig und Szepter hält, sie gleichsam auffordert, ihre Wirksamkeit zu entfalten. Versinnlicht ist mithin der Ruhestand, der Rückzug ins Privatleben, der beiden Kaiser, der göttlicher Planung folgend nun vollzogen wird, wobei sie ihre Augustus-Titel aber, wie die Prägungen zeigen, nicht aufgeben. Die völlige Übereinstimmung von Münzbild und Legende in allen Münzstätten beweist, dass die Offizinen alle nach einer zentralen Vorlage ihre Münzstempel fertigten, die Gleichzeitigkeit der Prägung, dass sie aus Anlass des Rücktrittes der Kaiser - ein nie dagewesenes Ereignis in der Geschichte der römischen Kaiserzeit - versandt worden war. Die Ausgabe der Münzen über mehrere Jahre hinweg verkündete den Reichsbewohnern nicht nur die Bedeutung dieses Rücktrittes; sie legitimierte zugleich die Herrschaft der den beiden Senioraugusti folgenden Kaiser, Galerius und Constantius Chlorus: Ihr Aufrücken zu Augusti, nachdem sie zuvor als Caesares bereits an der Herrschaft partizipiert, mithin als Tetrarchen Teile des Reiches regiert hatten, folgte ebenfalls der Vorsehung, der planenden Weitsicht der Götter.
Die Entscheidung zum Amtsverzicht war keine kurzfristige gewesen. Diokletian hatte sie unzweifelhaft von langer Hand vorbereitet und so seinen künftigen Altersruhesitz bei Salona in seiner alten dalmatischen Heimat in jener begünstigten Küstenlage bereits über Jahre hinweg errichten lassen. Tatsächlich verbrachte er nach seinem und Maximians öffentlich inszenierten Rücktritt am 1. Mai 305 samt Ernennung der Nachfolger dort bis zu seinem Tod 312 seine letzten Lebensjahre - musste dabei allerdings erleben, dass heftige Kämpfe unter den Nachfolgern ausbrachen und das tetrarchische Herrschaftssystem faktisch zerbrach. Maximian, sein Herrscherkollege, der nur widerstrebend zugleich mit ihm seine Macht abgegeben hatte, mochte sich allerdings nicht der in den Münzen propagierten QVIES anbequemen und ernannte sich im Februar 307 erneut zum Augustus, wurde aber auf Intervention Diokletians 308 wieder zur Abdankung gezwungen. Ein erneuter militärischer Versuch, die Herrschaft zu ergreifen, scheiterte 310. Maximian wurde nach seiner Gefangennahme von der Person zum Selbstmord gezwungen, die schließlich das von Diokletian errichtete tetrarchische System endgültig zerstören sollte: Konstantin, der Sohn des Constantius Chlorus. Es ist derselbe Konstantin (306-337), der 324 nach weiteren Bürgerkriegen sich die Alleinherrschaft sicherte, zudem die Herrschaft der alten Götter und ebenso den Glauben an ihre PROVIDENTIA beseitigen sollte: Er bahnte dem einen Gott, dem der Christen den Weg.
(Johannes Hahn)
