September 2018
September 2018

Münze des Monats

© LWL-Museum für Kunst und Kultur/Westfälisches Landesmuseum

Stavoren (Provinz Friesland), König Heinrich III. (1039-1056) und Graf Bruno, ca.1050-1060.

Gewicht 0,926 g –Dm. 16,4 mm - 320 °
Münster, LWL-Museum für Kunst und Kultur/Westfälisches Landesmuseum Inv.Nr. 45743


Über die politische Geschichte Frieslands geben die schriftlichen Quellen nur unzureichend Auskunft. Kaiser Konrad II., aus dem Haus der Salier, ließ Münzen mit seinem Frontalbild prägen und auf der anderen Seite um ein Kreuz herum die Umschrift FRESONIA. An welchem Ort diese entstanden ist aus den Münzen heraus nicht ersichtlich. Danach entstanden in verschiedenen friesischen Orten vom Typ her einheitliche Gepräge, die den Namen eines Ekbert tragen. Dessen Funktion ist nicht durch einen zugefügten Namen gekennzeichnet. Es ist aber naheliegend in ihm einen Angehörigen des Grafengeschlechts der Brunonen zu sehen, da dieser Typ um die Mitte des Jahrhunderts durch einen anderen abgelöst wurde, der zentral auf einem waagerechten Schriftband den Namen BRVN aufweist. In ihm wird Brun II. gesehen, der 1057 starb. Der Chronist Lampert von Hersfeld berichtet zum Jahr 1057, dass zu einer Tagung des sächsischen Hochadels nach Merseburg geladen war, bei der das Verhältnis zwischen den Sachsen und den Königen aus der Dynastie der Salier besprochen werden sollte, nachdem Kaiser Heinrich III. 1056 gestorben und sein Sohn Heinrich IV. noch ein Kind war. Dabei trafen die Brüder Ekbert und Brun aus der Familie der Brunonen, die als Vettern des Königs bezeichnet werden, mit dem nach der Macht strebenden Otto, einem Halbbruder des Markgrafen der Nordmark, zusammen. In einem entstehenden Gefecht wurden sowohl Brun als auch Otto getötet. Das Ereignis zeigt, wie nah die Macht des Grafen mit dem salischen Königtum verbunden war. So ist es bemerkenswert, wenn zu einer Zeit als die Abbildung oder die Erwähnung des Königs auf Münzen außerhalb von königlichen Pfalzorten sehr selten wurde, der König abgebildet und als HENRICVSREX genannt wird. In dem stark reduzierten Bild ist für Analphabeten Heinrich III. an seiner Zackenkrone zu erkennen. Die Verbindung zwischen Königtum und Kirche wird durch das Kreuzzepter zum Ausdruck gebracht. Da es sich nicht um wirkliche Portraits handelt, war es notwendig, den Dargestellten durch ein weiteres Attribut zu charakterisieren, zumal die Umschrift nur sehr wenige lesen konnten. Bei Bischöfen und Äbten geschah dies meist durch Zufügung des Krummstabes, bei Königen bzw. Kaisern im Regelfall durch die Krone, deren Form vielgestaltig sein kann. Barhäuptige Königsbilder gibt es auch, doch sind sie die große Ausnahme. Kreuzzepter oder Kreuzstab als königliches Attribut ist für die Salier selten. Es kommt sonst noch in Dortmund und an unbestimmtem Ort nahe der Nordseeküste für Heinrich IV. vor.
Fast einzigartig in der weltlichen Münzprägung des 11.Jahrhunderts ist der parallele Betrieb mehrerer Münzstätten, die nicht einmal sehr weit auseinander lagen. Allenfalls in Flandern gab es ähnliches. Ekbert I. prägte nach 1038/39 gleichartige Münzen in Bolsward, Dokkum, Emnighem, Leeuwarden und Stavoren. Etwa um 1050 wurde seine Prägung abgelöst durch die hier präsentierte seines Bruders Brun, der dieses Netzwerk übernahm. Das BRVN trat an die Stelle eines vorherigen NOTA, dessen Bedeutung nicht so klar ist. Nach dem Tode Bruns folgte eine Prägung nach Goslarer Vorbild durch den Grafen Ekbert, der noch Münzstätten in Garrelsweer und Winsum hinzufügen konnte. Quantitativ war die Werkstatt in Leeuwarden wahrscheinlich die aktivste. Obwohl es in Friesland keine Silberbergwerke gab, war es offenkundig kein Problem, die notwendigen Mengen an Silber aufzutreiben.
Stavoren (friesisch), früher Staveren, gehört zu den ältesten Städten in Friesland. Sie liegt am Ijsselmeer und früher an der Mündung eines kleinen Wasserlaufs. Der Mönch Odulfus gründete hier im Auftrag des Bischofs von Utrecht ein kirchliches Zentrum, um die Friesen zu missionieren, aus dem später das Odulfuskloster wurde. 991 wurde der Ort von Normannen überfallen, geplündert und in Brand gesteckt. Ziel war Stavoren sicherlich, weil der Ort über See leicht erreichbar war, andererseits aber auch, weil er den Skandinaviern bekannt war. 1061 soll die Stadt von den Grafen ein Stadtrecht erhalten haben, das 1118 von Kaiser Heinrich V. bestätigt wurde. Durch Strömungsveränderungen wurden Teile des Siedlungsgebietes abgeschwemmt. Vom Kloster befand sich 1415 nur noch eine Kapelle auf einem Hügel im Wasser, weshalb die Mönche es aufgaben. Der Hafen versandete.
Wesentlich für den Tauschwert von Münzen war im Mittelalter, wie auch sonst, die Menge des darin enthaltenen Edelmetalls. Das Gewicht der von den Karolingern eingeführten Pfennige (lateinisch denarii) war mit um 1.7 g relativ hoch und die Feingehalte entsprachen den Möglichkeiten der Zeit, reines Silber herzustellen. Schon im 10. Jahrhundert jedoch war die Einheitlichkeit des Gewichtsstandards zerfallen und unterschiedliche Regionen des Heiligen Römischen Reiches wichen in uneinheitlichem Tempo davon ab. Während etwa in Köln die Durchschnittsgewichte nur in geringem Umfang sanken, war dies in Teilen Schwabens wie auch Frieslands deutlich anders. Friesische Münzen erreichten bereits vor der Jahrtausendwende ein Durchschnittsgewicht von weniger als einem Gramm, wobei sich das westlichere (heute niederländische) Friesland von dem östlicheren (heute deutschen) Friesland auseinander entwickelte. (Ost-)Friesische Münzen waren schwerer als friesische Pfennige von westlich der Emsmündung. Die brunonischen Grafen begannen auch das Silber durch Zulegierung unedler Metalle zu strecken, was durch Wegätzen von Kupfer an der Oberfläche cachiert wurde. Eine Reihe von metallanalytischen Untersuchungen offenbaren dies deutlich. Auch wenn die angewandten naturwissenschaftlichen Methoden im Detail der Ergebnisse nicht vergleichbar sind, so zeigen sie doch einheitlich die Tendenz. Röntgen-Fluoreszenz-Analysen, die nicht sehr tief in das Innere der Münzen eindringen können, zeigen für die Münzen des Grafen Bruno aus Dokkum und Leeuwaarden zwischen 35 und 58% Silberanteil schwankende Messergebnisse. Dem Silber hinzugefügt wurde eine Kupfer-Zinn-Legierung, die vermutlich aus eingeschmolzenen Gebrauchsobjekten stammte. Das bedeutet in jedem Fall, dass sie von Feinsilber weit entfernt waren.
Die Friesen, die überwiegend Landstriche bewohnten mit erschwerten Bedingungen für Ackerbau, hatten schon im Frühmittelalter eine große Bedeutung im Fernhandel. Friesische Händler sind in den schriftlichen Quellen des 7.-10.Jahrhunderts in Schweden wie in England nachgewiesen. Auch den Rhein nutzten sie, wo in einigen Orten wie Worms, Mainz und Duisburg friesische Ansiedlungen entstanden. Auch numismatisch können diese Beziehungen nachgewiesen werden. In den im letzten Viertel des 10.Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Schatzfunden Skandinaviens haben friesische Münzen einen nicht unbedeutenden Anteil. Dieser bricht in Schweden in der Mitte des 11.Jahrhunderts etwa zur Zeit des Grafen Brun stark ein. Zugleich erhöht sich der Export friesischer Münzen nach Nordrussland, wohin sie nicht über die Wikinger als Vermittler gelangt sein können, da die dort vorkommenden Fundmünzen nicht die sekundären Merkmale der Münzen in skandinavischen spätwikingerzeitlichen Schatzfunden haben (Verbiegungen, Einstiche u.ä.). Nord- und Osteuropa hatten zu dieser Zeit keine Münzgeldwirtschaft, sondern benutzten Silber in jedweder Form nach Gewicht als Tauschwert. Dabei mussten sie von der Vergleichbarkeit der Silberqualität ausgehen. Mit dem verstärkten Absenken des Silbergehalts verloren die friesischen Silbermünzen ihre Akzeptanz in Schweden, während offenkundig dies in Russland und im Baltikum eine geringere Rolle spielte. In diesen Teilen Europas bestehen die Schatzfunde der 2.Hälfte des 11. und frühen 12.Jahrhundert zu einem erheblichen Teil aus friesischen Münzen, nicht zuletzt des Grafen Brun. Es legt die Vermutung nahe, dass es einen direkten Kontakt friesischer Händler dorthin gegeben hat. Wenn deren nicht vollwertiges Silber uneingeschränkt akzeptiert wurde, hatten sie mindestens vorübergehend einen Vorteil gegenüber gotländischen Händlern.
In Russland wurden die friesischen Pfennige des Grafen Brun nachgeahmt. Wo und wann dies genau geschah, bedarf noch der weiteren Forschung.

(Peter Ilisch)

 

Literatur in Auswahl:

  • Peter Ilisch, Die Münzprägung im Herzogtum Niederlothringen I: Die Münzprägung in den Räumen Utrecht und Friesland im 10. und 11.Jahrhundert. = Jaarboek voor Munt- en Penningkunde 84-85, 1997/98, 274 S.
  • Peter Ilisch, The Frisian impact on Coin import in the Baltic Sea area and Russia. In: Конференция 2017 года будет посвящена крупнейшему археологу-нумизмату Швеции - Брите Мальмер. St. Petersburg (im Druck).
  • Eeva Jonsson, Metal analyses of Viking-age coins. Metallanalyser av mynt. Stockholm 2018.
  • Kenneth, Jonsson, The numismatic evidence for Frisian trade in Sweden in the late Viking Age, in: Ryszard Kiersnowski u.a. (Hrsg.): Moneta Mediævalis. Studia numizmatyczne i historyczne ofiarowane Profesorowi Stanisławowi Suchodolskiemu w 65. rocznicę urodzin, Warschau 2002, S. 233–244.
  • Bernd Kluge, Bemerkungen zur Struktur der Funde europäischer Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts im Ostseegebiet, in: Zeitschrift für Archäologie 12, 1978, S. 181-190.
  • Stéphane Lebecq, Friesenhandel, In: Johannes Hoops, Reallexikon der germanischen Altertumskunde Bd.10 S. 69-80.
  • Tuuka Talvio, The Frisian element in the coin hoards of the late Viking Age in Scandinavia, Russia and the East Baltic lands. In: Society and trade in the Baltic during Viking Age. Visby, 1985, S. 195-200.