Im Interview: Prof. Dr. Eva Viehmann

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Seit Februar 2022 ist Eva Viehmann Professorin für Theoretische Mathematik am Mathematischen Institut der WWU Münster. Im Interview berichtet sie von ihrer Forschung, ihrem Werdegang, dem Start in Münster - und was sie an ihrem Beruf besonders mag.

Frau Viehmann, was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?
Mein Arbeitsgebiet liegt an der Schnittstelle zwischen mehreren Teilgebieten der reinen Mathematik. Es ist Teil des Langlandsprogramms, das weitreichende vermutete Verbindungen zwischen der algebraischen Zahlentheorie und der Darstellungstheorie untersucht. Die Methoden dazu stammen wiederum aus der algebraischen Geometrie.

Woran forschen Sie aktuell?
Mich interessieren vor allem die geometrischen Eigenschaften dabei auftretender Modulräume, aktuell vor allem Familien von Vektorbündeln auf der sogenannten Fargues-Fontaine-Kurve.

Wo haben Sie studiert und gearbeitet, bevor Sie nach Münster gekommen sind?
Ich habe in Bonn studiert, promoviert und auch einen großen Teil meiner Postdoc-Zeit verbracht. Zwischendurch war ich ein Jahr als Postdoc an der Université Paris-Sud in Orsay und einige Monate in Chicago. Ab 2012 war ich für zehn Jahre Professorin an der TU München.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Laufbahn zurückblicken: Was war für Sie ein besonders wichtiger Schritt?
Ein für mich sehr wichtiger Moment war die Entscheidung, für die Promotion zu Michael Rapoport und in die Arithmetische Geometrie zu wechseln. Ich habe mir für diese Entscheidung sehr viel Zeit genommen, um herauszufinden, welches Gebiet mich wirklich interessiert, und welchen Doktorvater ich mir wünsche und bin nach wie vor sehr glücklich damit.

Was war entscheidend für Sie, die Professur in Münster anzunehmen?
In Münster gibt es eine große und sehr aktive Arbeitsgruppe im Bereich der Arithmetik, mit der ich bereits seit vielen Jahren zusammenarbeite. Es ist schön, jetzt diese Kontakte – auch zu den Kolleginnen und Kollegen in angrenzenden Gebieten – weiter zu vertiefen.

Sie sind nun einige Monate hier. Wie war der Start an der WWU?
Ich bin begeistert, wie offen ich hier aufgenommen wurde. Bereits jetzt haben sich gemeinsame Projekte ergeben, zum Beispiel organisiere ich gemeinsam mit Eugen Hellmann und zwei weiteren Kollegen eine größere Konferenz für den Herbst 2023.

Was ist für Sie das Schönste daran, Mathematikerin zu sein?
An meinem Beruf mag ich besonders, dass man die Zeit und die Möglichkeit hat, Fragen so lange zu durchdenken, bis man sie wirklich verstanden hat. Es fasziniert mich, wie bekannte Resultate mit neuen kreativen Ideen kombiniert werden müssen, um eine neue Theorie zu entwickeln.


Zur Person
Eva Viehmann, geb. 1980, war während ihres Mathematik-Studiums an der Universität Bonn Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. Nach ihrer Promotion im Jahr 2005 arbeitete sie ein Jahr als Postdoc an der Université Paris-Sud. Von 2006 bis 2012 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn. In dieser Zeit war sie zudem 2008 als Gastwissenschaftlerin in Chicago und habilitierte sich im Jahr 2010. Von 2011 bis 2012 erhielt sie ein Heisenberg-Stipendium der DFG. 2012 wurde sie als Professorin für Algebra an die TU München berufen. Im Februar 2022 wechselte sie auf eine Professur für Theoretische Mathematik an der WWU Münster. Sie ist Investigator im Exzellenzcluster Mathematik Münster und im Sonderforschungsbereich 325 GAUS: Geometry and Arithmetic of Uniformized Structures.

2021 wurde Eva Viehmann als Mitglied in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina aufgenommen. Sie war eingeladene Sprecherin auf dem Internationalen Mathematikerkongress 2018 in Rio de Janeiro. 2011 erhielt sie einen ERC Starting Grant, 2017 einen ERC Consolidator Grant. Sie ist Preisträgerin des von Kaven-Preises (2017) und des Felix Hausdorff-Gedächtnispreises der Universität Bonn (2005).


Links:
Prof. Dr. Eva Viehmann: Personenseite und Kontakt

Vortrag „Moduli spaces of local G-shtukas“ beim ICM 2018 in Rio de Janeiro

Video-Interview mit Eva Viehmann für die Reihe „SIGNIFICANT DETAILS – Gespräche mit forschenden Frauen“ (2013)