Sommervortragsreihe 2025
Nachfolgend finden Sie Informationen zu den bisherigen Vorträgen des Sommersemesters 2025.
Eine Programmübersicht zur gesamten Vorlesungsreihe finden Sie hier.
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Im ersten Vortrag der Sommervortragsreihe 2025 sprach Dr. Asmaa Essakouti vom Institut für Arabistik und Islamwissenschaft der Universität Münster über die literarischen Besonderheiten der Maqāmāt von al-Ḥarīrī (gest. 1122) und ihren bleibenden Wert für eine heutige Leserschaft.
Hierfür bot sie zunächst einen Überblick über das Genre der Maqāmāt und stellte dabei heraus, dass insbesondere das Werk von al-Ḥarīrī unmittelbar nach seiner Fertigstellung zu einem echten Bestseller avancierte, der in der Folge vielfach kopiert und kommentiert wurde. Dabei hob sie besonders die ästhetische Qualität der ‚Fremdheit‘ hervor, die das damalige Publikum deutlich stärker ansprach als heutige LeserInnen.
Diese Fremdheit manifestiere sich nicht allein in der undurchsichtigen Figur des Schelmes oder den fortwährend wechselnden Handlungsorten der einzelnen Anekdoten, sondern maßgeblich auch in der Vielschichtigkeit und Komplexität des Sprachstils. Während sich zeitgenössische LeserInnen durch den Gebrauch komplexer Stilfiguren wie dem double entendre (tawriya) jedoch angespornt fühlten, den sprachlichen Mehrdeutigkeiten des Textes auf den Grund zu gehen, wurden moderne Kommentatoren hiervon eher abgeschreckt. Auch missfiel europäischen Auslegern wie etwa Ernest Renan die moralische Ambivalenz, mit der insbesondere die Figur des Schelms porträtiert wird.
Demgegenüber betonte Dr. Essakouti, dass es gerade jene ‘vormodernen’ Qualitäten der Maqāmāt seien, die diese auch für ein heutiges Publikum lesenswert machen. So würden die Anekdoten eben durchweg darauf verzichten, auf Fragen nur eine einzige Antwort zu bieten. Damit verkörpern die Protagonisten – mit ihrer Vielschichtigkeit, Rastlosigkeit und ständigen Entdeckungslust – geradezu den hermeneutischen Prozess, der beim Lesen solcher Texte entsteht.
Zum zweiten Termin der Sommervortragsreihe 2025 durfte das Institut für Arabistik und Islamwissenschaft seine langjährige frühere Mitarbeiterin Dr. Barbara Winckler begrüßen. Mit ihrem Vortrag zum Thema „Diskurse, Räume und Sprachen der palästinensischen Literatur“ setzte sie zugleich einen Schlusspunkt unter die Ringvorlesung „Geschichte und Kultur der Region Palästina“ des zurückliegenden Wintersemesters.
Dr. Winckler bot in ihrem Vortrag einen Überblick über die unterschiedlichen Facetten der palästinensischen Literatur von der frühen Nationaldichtung der 1930er Jahre bis zur aktuellen Dichtung zu und aus Gaza. Sie betonte dabei, dass die moderne arabische Literatur als Ausdruck zahlreicher kritischer Debatten stets auch politisch sei. Für die palästinensische Literatur gelte dies in besonderer Weise, da es sich im Grunde um eine Literatur ohne Zentrum handle, die folglich zwischen verschiedenen Perspektiven (Innensicht – Diaspora – Außensicht) vermittle.
Anhand ausgewählter Beispiele – insbesondere aus dem umfangreichen Oeuvre des bedeutenden palästinensischen Literaten Maḥmūd Darwīš (1941-2008) – zeigte sie auf, wie einschneidende historische Ereignisse in der palästinensischen Literatur auf unterschiedlichste Weise reflektiert wurden. So wich etwa die hoffnungsvolle Erwartung einer zukünftigen Unabhängigkeit nach 1948 v.a. der realistischen Thematisierung von Flucht-, Vertreibungs- und Exilserfahrungen. In der Folgezeit trat an die Stelle einer isolierten Betrachtung der Situation in Palästina zunehmend eine universale und kämpferische Perspektive, in der Palästina als Symbol eines globalen Phänomens erscheint.
Zugleich verwies Dr. Winckler auch auf eine feministisch motivierte „Kritik nach innen“, die etwa in den Romanen von Saḥar Ḫalīfa (geb. 1941) eine Diskrepanz zwischen revolutionären Diskursen und der Verteidigung traditioneller gesellschaftlicher Normen in Palästina anprangert. Abschließend präsentierte sie Beispiele aus der zeitgenössischen Dichtung insbesondere zur Situation in Gaza, in der etwa DichterInnen wie Suheir Hammad (geb. 1973) der „Gebrochenheit“ ihrer Sprache angesichts der kriegerischen Ereignisse literarischen Ausdruck verleihen. Den Abschluss ihres Vortrags bildete das eindringliche Gedicht „If I must die“ des Schriftstellers Refaat Alareer – wenige Tage vor seinem Tod bei einem Bombenangriff im Dezember 2023 verfasst.
Für den dritten Vortrag der Vorlesungsreihe war Dr. Hannah-Lena Hagemann von der Universität Hamburg am Institut für Arabistik und Islamwissenschaft in Münster zu Gast. Sie stellte dabei die Forschungsarbeit ihrer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Social Contexts of Rebellion in the Early Islamic Period (SCORE)“ vor.
In insgesamt vier Teilprojekten werden dort die Rebellionen von Ḫāriǧiten, Nicht-Muslimen (mit einem Fokus auf Armenien), Zayditen und tribalen Notablen (insbesondere der Muhallabiden) untersucht. Statt die religiöse Identität dieser Gruppen – wie in der älteren Forschung üblich – in den Vordergrund zu stellen, richtet die Forschungsgruppe den Fokus verstärkt auf sozialhistorische und ökonomische Faktoren. Zudem fließen materielle Quellen in größerem Umfang in die Analyse ein. Schließlich verfolgt das Vorhaben auch eine vergleichende Perspektive auf die verschiedenen Rebellionen.
Als Ergebnis der bisherigen Forschungsarbeit betonte Dr. Hagemann, dass Rebellion nicht als Scheitern des Systems, sondern vielmehr als systeminhärenter Problemlösungsmechanismus zu verstehen ist. So war in der frühislamischen Zeit die überwältigende Mehrheit der Aufstände nicht durch Usurpation motiviert, sondern vielmehr durch Kritik an ungerechten Maßnahmen einzelner Gouverneure. Vergleichsweise selten endeten Rebellionen daher mit einer gewaltsamen Niederschlagung und Hinrichtung der Aufständischen. Vielmehr wurden die angeklagten Gouverneure häufig aus ihren Ämtern entfernt, während man die Aufständischen im Nachgang wieder in die Gemeinschaft eingliederte.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Zuschreibung bestimmter religiös-politischer Gruppenidentitäten, wie etwa „Ḫāriǧiten“, häufig die komplexen Realitäten von konkreten lokalen Rebellionen nicht adäquat wiedergibt bzw. den Blick auf diese sogar trüben kann. So verwies Dr. Hagemann als Beispiel auf die vermeintlich „ḫāriǧitischen“ Aufstände im Verlauf des 8. Jhd. in der Ǧazīra, welche bei genauerem Hinsehen wenig bis gar keine ḫāriǧitisch-ideologische Prägung aufweisen. Stattdessen lassen sich diese v.a. als Reaktion tribaler Notabler auf den Verlust ihres wirtschaftlichen und sozialen Status im Zuge von Steuerreformen verstehen. Ideologische Gruppenzuschreibungen erscheinen daher häufig eher wie ein Label, welches im Einzelnen in Frage zu stellen ist.
Zum vierten Vortrag der Sommervorlesungsreihe war Dr. Alba Fedeli vom Centre for the Study of Manuscript Cultures im Hamburger Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ zu Gast. Als international renommierte Expertin für frühe Koranhandschriften hatte sie sich intensiv mit drei auf Pergament erhaltenen Koranfragmenten beschäftigt, die die ältesten Exponate der Sammlung des Instituts für Arabistik und Islamwissenschaft darstellen und auf eine Schenkung des ehemaligen deutschen Botschafters Dr. Norbert Heinrich Holl zurückgehen. In ihrem Vortrag präsentierte sie ihre neuesten Forschungsergebnisse zu diesen sogenannten „Münster Fragments“.
Zunächst bot sie einen Überblick über die Geschichte der Koranmanuskriptforschung und stellte verschiedene methodische Zugänge vor. Für ihren eigenen Ansatz der „Archaeo[philo]logy“ betonte sie den Mehrwert einer ganzheitlichen Perspektive, die das Manuskript sowohl als Text (etwa durch Philologie, Paläografie und Visual Studies) als auch als materielles Artefakt (z.B. durch Provenienzstudien sowie chemische und physikalische Analysen) untersucht.
Anschließend zeigte sie am Beispiel der „Münster Fragments“, wie das Zusammenspiel dieser Methoden neue Einsichten ermöglicht. So ließ sich der Fragmentbestand einem Kodex zuordnen, der vermutlich im späten 9. Jahrhundert in den Stiftungsbesitz der ʿAmr b. al-ʿĀs Moschee in Kairo überging. Aufgrund seines Layouts und Schriftbilds ist er der Gattung des „Umayyadenkorans“ zuzurechnen, wenngleich ihm die hierfür typischen Punktierungen und Verzierungen fehlen.
Gerade dieses Fehlen als Merkmal eines zweiten Arbeitsschritts deutet laut Dr. Fedeli darauf hin, dass der Kodex nicht vollends fertiggestellt wurde. Zusammen mit den Ergebnissen der Radiokarbonanalyse spricht dies für eine Datierung in die Endphase der Umayyadenzeit. Mikroskopische Tintenanalysen zeigten zudem, dass später eine Nachzeichnung der Schrift erfolgte, wobei auch Schreibfehler korrigiert und Schäden ausgebessert wurden. Diese Eingriffe dürften im Zusammenhang mit der Stiftung an die Moschee gestanden haben.
Zum abschließenden Vortrag der Sommervortragsreihe 2025 war Dr. des. Colinda Lindermann von der Universiteit Gent zu Gast. Sie sprach über das spezifische Profil der arabischen Lexikografie in späteren Jahrhunderten und stellte dabei zentrale Ergebnisse ihrer bald erscheinenden Doktorarbeit vor.
Zu Beginn skizzierte sie die Anfänge der Lexikografie als einen Prozess des Sammelns und Ordnens. Frühe Gelehrte betrieben Feldforschung (samāʿ) bei Beduinen, sammelten seltene Begriffe (ġarīb) und unterschieden zwischen korrekter und fehlerhafter Sprache (laḥn). Diese Arbeit war jedoch im Wesentlichen ab dem frühen 11. Jahrhundert abgeschlossen und mündete in die großen Wörterbücher der klassischen Periode. Damit stellt sich die Frage, was spätere Lexikografen zur Verfassung neuer Werke wie Lisān al-ʿArab (13. Jhd.) oder al-Qāmūs al-muḥīt (14. Jhd.) motivierte.
Lindermann argumentierte, dass Wörterbücher der nachformativen Zeit als Formen von Kommentarliteratur zu verstehen sind – nicht nur im Fall des bekannten Tāǧ al-ʿarūs (18. Jhd.), sondern grundsätzlich in ihrer Struktur. Bereits frühere Wörterbücher diskutierten alternative Gelehrtenmeinungen und führten Belegstellen zu den Lemmata der arabischen Sprache an. Spätere Werke griffen dann allerdings oft ältere Wörterbücher als Grundtexte auf, die kommentiert, gekürzt (muḫtaṣar) oder neu geordnet (tartīb) wurden. Häufig dürfte dabei vor allem die Popularität des Ausgangswerks eine Rolle gespielt haben.
Trotz dieser Orientierung an bestehenden Werken ist dabei durchaus Innovation erkennbar – etwa im wachsenden Interesse an sprachlichen Fehlern, Fremdwörtern und Fachtermini. Exemplarisch zeigte Lindermann dies am veränderten Umgang mit volkstümlichen Sprachfehlern (laḥn al-ʿāmma): Während ältere Texte hier meist Listen mit zu vermeidenden Fehlern boten, setzte mit al-Ḥarīrīs (gest. 1122) Durrat al-ġawāṣṣ ein Stilwandel ein, indem das Genre nun deutlich stärker auch als Unterhaltungsliteratur (adab) gestaltet wurde. Auch spätere Autoren, die sich kritisch auf al-Ḥarīrī bezogen, knüpften mit ihren Kommentaren zugleich an dessen Erfolg an.