Salafismus in der Schule

Wie begegne ich als Lehrer Extremismus im Namen des Islam?
Mittwoch 28.09.2016, Dortmund

Programm

Religiöser Fundamentalismus stellt unsere Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Wie andere Radikalisierungsprozesse, geht auch Radikalisierung im Namen des Islams mit einer Ablehnung demokratischer Ordnungen einher. Während in der Öffentlichkeit ein negatives Bild des Islam reproduziert wird und die innerislamische Debatte allzu oft eine defensive Opferrolle einnimmt, setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass Präventionsarbeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden muss.

Gerade die Pubertät als Phase der Identitätsfindung macht Jugendliche mit und ohne Migrationsvorgeschichte ansprechbar für vereinfachte Weltdeutungen. Salafistische Narrative und ihre Übersetzung in soziale Mechanismen des Zusammenhalts nach innen und der Abschottung nach außen bieten Jugendlichen eine klare und attraktive Möglichkeit der Selbstverortung.

Darüber hinaus haben muslimische Schülerinnen und Schüler häufig nur oberflächliches Wissen über ihre eigene Religion und sind somit für vereinfachte fundamentalistische Angebote leicht ansprechbar. Daher ist der Islamunterricht in deutscher Sprache der erste wichtige Schritt, junge Muslime über ihren Glauben aufzuklären und einer Radikalisierung vorzubeugen und die inhaltliche Ausgangsbasis des Dialogs über die Religion zu schaffen.
Hier stellt sich die Frage nach der Rolle der Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere des islamischen Religionsunterrichts. Was können und sollten diese leisten? Wie kann der bewusste Umgang mit islamischen Quellen zur Herausbildung einer muslimischen Identität beitragen und wie wichtig ist eine überzeugende Selbstpositionierung der Lehrkraft? Welche Faktoren führen überhaupt zu einer Radikalisierung? Wie gehe ich mit auffälligen Jugendlichen um und welche Wege gibt es aus der fortgeschrittenen Radikalisierung heraus?

Die Fortbildung richtet sich in erster Linie an LehrerInnen und Lehrer des islamischen Religionsunterrichts, steht aber auch Lehrkräften anderer Fächer sowie pädagogischem Fachpersonal offen. Es soll eine grundlegende Sensibilisierung für theologische Argumentationen und psychologische Faktoren von Radikalisierungsprozessen im Namen des Islams vermittelt werden. Außerdem wird den Teilnehmenden in den Workshops Handwerkszeug mitgegeben, mit dem Schritte zu Prävention und Deradikalisierung eingeleitet werden können und wie das Thema gewaltbereiter Salafismus im Unterricht behandelt werden kann.

20160928 Salafismus Schule
© ZIT

Bericht

Am Mittwoch den 28.09. fand in Kooperation des Verbandes der Islamlehrer/innen e.V. und des Zentrums für Islamische Theologie Münster die Fortbildung „Salafismus in der Schule – Wie begegne ich als Lehrer Extremismus im Namen des Islams?“ statt. Das Publikum von knapp siebzig Teilnehmenden bestand überwiegend aus islamischen Religionslehrerinnen und -lehrern, aber auch fachfremde Lehrkräfte sowie pädagogisches Fachpersonal nutzten die Fortbildung für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema. Nach Begrüßungsworten von Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (ZIT), Dr. Ahmet Ünalan (Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW) und Musa Bagraç (Verband der Islamlehrer/innen) wurden am Vormittag sowohl theologische als auch pädagogische Grundlagen vermittelt.

Prof. Dr. Khorchide referierte „Theologische Grundlagen und Argumente des Salafismus und deren Widerlegung“ unter Berücksichtigung ihrer historischen Entwicklung. Kurt Edler, ehemaliger Referatsleiter des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung des Landes Hamburg beleuchtete den „Umgang mit religiös gefärbten Konfliktlagen in der Schule“ anhand seiner langjährigen Erfahrung als Lehrer an Hamburger Schulen. Die Beiträge zur Praxis am Nachmittag stellten einen expliziten Bezug zur Praxis im Schulalltag her. Dr. Michael Kiefer (Institut für Islamische Theologie Osnabrück) betonte die Bedeutung von Teams aus Lehrern, Sozialarbeitern und externen Akteuren im Umgang mit gefährdeten Einzelfällen. Mustafa Koca von Wegweiser Dortmund lieferte einen Einblick in salafistische Netzwerke und Bernd Ridwan Bauknecht, selbst Lehrer für islamischen Religionsunterricht, stellte geeignete Unterrichtsmaterialien vor und berichtete von eigenen Erfahrungen mit radikalisierten Schülerinnen und Schülern. Als Fazit der Tagung lässt sich festhalten, dass Lehrer durch klare Selbstpositionierung und ihr pädagogisches Handwerkszeug zwar Möglichkeiten haben, der Radikalisierung im Zeichen des Islam entgegenzuwirken. Dieser Einfluss ist aber begrenzt, denn in Fällen konkreter Gefährdung bedarf es zusätzlicher Ressourcen und funktionierender Netzwerkstrukturen, welche die Schulen oft nicht in erforderlichem Maße bereitstellen können.

2016 Salafismus Plakat
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