„Ein Triumph für die Geisteswissenschaften“

Historikerin Stollberg-Rilinger im Interview über die Pläne für die zweite Förderphase des Exzellenzclusters

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Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger

Über die Ergebnisse der ersten und die Pläne für die zweite Förderphase des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ hat sich Sprecherin und Historikerin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger in der Universitätszeitung „wissen.leben“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) geäußert.

Fünf weitere Jahre für den Exzellenzcluster – ein Triumph für die Geistes- und Sozialwissenschaften der WWU?

Das ist sicher ein Triumph für die Geistes- und Sozialwissenschaften der WWU. Wir freuen uns, die Erforschung eines gesellschaftspolitisch hoch aktuellen Themas fortsetzen zu können. Wichtig ist auch, dass wir mit „Cells in Motion“ nun einen naturwissenschaftlichen Cluster an unserer Seite haben. Das wird der gleichmäßigen Bedeutung beider Bereiche an unserer Hochschule besser gerecht.

Im Cluster kooperieren 20 verschiedene Fächer. Hand aufs Herz: Haben Soziologen und Historiker oder Juristen und Theologen einander wirklich etwas zu sagen?

Es zählt zu unseren eindrucksvollsten Erfahrungen, dass der interdisziplinäre Austausch wirklich überraschende Einsichten produziert. Sicher kooperieren nicht alle Fächer gleichermaßen, doch es gibt ganz neue fruchtbare Konstellationen. So überprüfen Historiker und Soziologen gemeinsam die Säkularisierungstheorie: Die Historiker tragen empirische Kenntnisse bei, die Soziologen formulieren Fragen, die die historischen Phänomene in neuer Perspektive erscheinen lassen. Ein weiteres Beispiel: Theologen und Historiker untersuchen gemeinsam, wie alttestamentliche Texte zur Rechtfertigung von Gewalt benutzt wurden. Ohne die Textkompetenz der Alttestamentler wäre das schwer zu beurteilen. Schließlich untersuchen Juristen, Soziologen, Islam- und Medienwissenschaftler aktuelle Fragen zum Islam, etwa wie junge Muslime das Internet nutzen, um auf neue Art religiöse Gemeinschaft zu stiften, oder inwiefern das Verschleierungsverbot mit verschiedenen europäischen Rechtssystemen vereinbar ist.

Welche Ergebnisse hat die erste Phase gebracht?

Es ist kaum möglich, die Ergebnisse von rund 200 Forscherinnen und Forschern aus so unterschiedlichen Disziplinen in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Man kann aber sagen, dass wir eine gemeinsame Leitfrage hatten, die wir nun wesentlich präziser beantworten können. Gemeinsamer Ausgangspunkt unserer Arbeit war ja die These von der „Rückkehr der Religionen“. Inzwischen wissen wir, dass man die Frage viel differenzierter stellen muss. Etwa: Inwiefern haben wir es mit einer Zunahme an Religiosität zu tun, inwiefern mit einer Zunahme der medialen Präsenz von Religion? Oder: Welche Absichten stecken dahinter und welche Folgen hat es, wenn man komplexe Konflikte als „religiöse“ bezeichnet – und nicht als wirtschaftliche, soziale oder machtpolitische? Solche aktuellen Fragen lassen sich nach unserer Meinung nur in historischer Tiefendimension und im Vergleich beurteilen. So untersuchen wir Religion und Politik in verschiedenen Machtkonstellationen, Konflikten und Aushandlungsprozessen – von der Antike bis zur Gegenwart, vom Polytheismus über Judentum, Christentum und Islam bis zu den Religionen Afrikas und Ostasiens.

Das ganze Interview: „Ein Triumph für die Geisteswissenschaften“ (Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, in: „wissen.leben“ vom 4. Juli 2012)

Das Interview lässt sich zudem in der Rubrik „Audio“ auf der Website des Exzellenzclusters anhören.