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Gespaltene Gesellschaften

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen die historische Tiefendimension von Spaltungen

© VHD

Gesellschaften haben im Laufe der Geschichte immer wieder tiefe Spaltungen erlebt: von den permanenten Bürgerkriegen in der griechischen Staatenwelt der Antike, den konfessionellen Unterschieden in der Frühneuzeit, zu den Diktaturen und Kriegen des 20. Jahrhunderts oder dem Aufstieg der neuen Rechten in der Gegenwart. Soziale, ökonomische, religiöse oder ethnische Spaltungen haben in allen Epochen und Weltregionen die Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens auf dem Prüfstand gestellt. Nicht selten entwickelten sie sich aber dadurch auch produktiv weiter. Das Dossier „Gespaltene Gesellschaften“ zeigt deren historische Tiefendimension – von „Hate Speech“ in der Antike, den frühneuzeitlichen Schattenseiten des Westfälischen Friedens bis zu katholischen und muslimischen Parallelgesellschaften im 19. Jahrhundert und heute.

Das Thema „Gespaltene Gesellschaften“ stand im Mittelpunkt des 52. Deutschen Historikertag vom 25. bis 28. September 2018 an der Universität Münster. Rund 3.500 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland tauschten sich auf dem größten geisteswissenschaftlichen Kongress in Europa in mehr als 90 Sektionen über aktuelle Forschungsthemen aus.

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© Bundesarchiv/ wikipedia

Katholiken damals, Muslime heute: Vom Vorwurf der Abschottung

Katholiken damals – Muslime heute: Der Vorwurf der Abschottung in eine ‚Parallelgesellschaft‘, den Musliminnen und Muslime seit Jahrzehnten in Deutschland hören, traf im 19. Jahrhundert eine andere religiöse Gruppe – die Katholiken, die die protestantische Mehrheit als ähnlich fremd empfand. Die Historiker Prof. Dr. Thomas Großbölting und Dr. Daniel Gerster überprüfen das Konzept der religiösen „Parallelgesellschaft“.

Prof. Dr. Thomas Großbölting im Kurzvideo über den historischen Vergleich von "Parallelgeselschaften"

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© Reinhold Eckstein, Universität Marburg/Milette Raats, Universität Utrecht

„Der Westfälische Frieden hatte auch Schattenseiten“

Der Westfälische Frieden von 1648 hat Historikern zufolge auch Schattenseiten gehabt. Prof. Dr. Beatrice de Graaf und Prof. Dr. Christoph Kampmann erörtern globalgeschichtliche Dimensionen wie etwa eine intensive Phase der Kolonialisierung infolge des Friedens in Europa und greifen die Debatte auf, ob die Verhandlungen von Münster und Osnabrück als Vorbild für heutige Friedensprozesse im Nahen Osten dienen können.

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© /Holtkötter

„Spaltungen der Gesellschaft sind historisch nichts Neues“

Gesellschaften haben in der Geschichte immer wieder tiefe Spaltungen erlebt, nicht erst seit der Flüchtlingskrise ab 2015. „Die Geschichtswissenschaft kann keine einfachen Lösungen für heutige Herausforderungen bereitstellen“, so die Historiker. „Ohne das historische Wissen müssten wir in den Debatten um Zuwanderung, religiöse Unterschiede oder nationaler Identität immer wieder von vorne anfangen.“

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© Thorsten Marquadt, Studio Wiegel

Schäuble beklagt wachsende gesellschaftliche Spaltung

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sieht die deutsche Gesellschaft zunehmend in „ängstliche“ und in „selbstbewusste“ Gruppen gespalten. Der soziale Zusammenhalt sei vielerorts in Gefahr, so der Politiker in seiner Festrede zur Eröffnung des 52. Deutschen Historikerstags. Es gelte, „den unausweichlichen Wandel für alle erträglich zu gestalten, die Sorgen ernst zu nehmen und Zutrauen in die Zukunft zu vermitteln.“