(D2-3) Marginale Propheten und heilige Stätten. Translokalität religiöser Vorstellungen in Uganda

In Fortführung und Erweiterung der Fragestellung in Projekt D-11 ‚Gewalt und Christentum in Ostafrika – Die Lord’s Resistance Army‘ soll in diesem Projekt konkret nach den Verflechtungen lokaler christlicher Kirchen am Beispiel der ‚New Jerusalem Tabernacle Ministries‘ in Gulu mit lokalen Konzepten und Akteuren und Elementen der etablierten christl. Kirchen und islamischen Einflüssen gefragt werden sowie den Wegen, wie Vertreter dieser Kirche (Prophet Severino Lukoya und Apostel Prof. Ojok); sich gesellschaftlich positionieren und nach außen missionieren.

Die in der gegenwärtigen Post-Konfliktsituation Nordugandas zutage tretenden Verflechtungen von diversen religiös und politisch formierten Diskursen, Akteuren und Handlungen erfordern eine Herangehensweise, die nicht nach Herkunft und Genese fragt, sondern gesellschaftliche Phänomene als Ergebnis von Transkulturalität und Translokalität auffasst. Vermeintlich tief verwurzelte kosmologische; Konzepte von Geistern beispielsweise, erweisen sich als besonders empfänglich für gesellschaftliche Innovationen, die in dem Idiom; ‚fremder‘ Geister Ausdruck finden. Gleichzeitig operieren die ‚importierten‘ Schulreligionen mit Elementen aus Mythen und Ritualen, die zusammen mit Lehren aus Christentum und Islam ein eher hybrides Erscheinungsbild annehmen. ‚Neue‘ christliche Kirchen mit einem spezifischen Gemisch aus traditionellen, christlichen und islamischen Symbolen und Metaphern begeben sich in die Mission und wirken somit auch an Orten in Europa, Nordamerika und Südafrika beispielsweise, wo sie wiederum in anderen Zusammenhängen aufgefasst und erneut transformiert werden. Die Notwendigkeit einer spirituellen ‚Erneuerung‘ der als dekadent erlebten westlichen Welt wird aber nicht nur von lokalen, pfingstkirchlich ausgerichteten ‚Propheten‘ und Laien in Zusammenhang mit der über zwei Jahrzehnte erlebten Gewalt durch Rebellen konstatiert, sondern auch von etlichen etablierten Vertretern der protestantischen und katholischen Kirche propagiert.

Insbesondere heilige Stätten, umkämpft, zerstört, wiederaufgebaut oder (zeitweilig) vergessen unterliegen einem ständigen Prozess der Sinnzuschreibung, der aus unterschiedlichen Perspektiven gedeutet und legitimierend inszeniert wird. Die rituelle Autorität über einen als ‚mächtig‘ empfundenen, auf Bergspitzen und anderen herausragenden Stätten manifestierten Ahnen-Geist wird in der ‚war-scape‘ zum Polysem. Chiefs, Rebellen, Kirchen und NGOs sowie selbsternannte ‚cultural brokers‘ und andere zivilgesellschaftliche Vertreter reklamieren die Interpretations-Hoheit für bestimmte Ziele. In Norduganda ist es u.U. nur eine Frage der Zeit, wann die Tourismusindustrie derartige spirituelle Stätten (darunter auch heiße Quellen, Stromschnellen und Steilwände in Felsen) für; Safari-Touren entdeckt und diese somit neue Bedeutung; erfahren.

Kriegsbedingte Vernachlässigung des größten Teils der bewohnbaren und landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, staatliche Förderung privater Großinvestoren und der ‚run‘ auf jüngst entdeckte Ölvorkommen verursachen derzeit eine Vielzahl von Landrechtskonflikten, deren Beilegung erneut Konflikte generiert. Grundbucheinträge waren  in dieser Region vormals unüblich, das Land – inklusive des für die Jagd genutzten Buschlandes – ist traditionell Eigentum der Klane, zu deren Mitgliedern alle lebenden und toten Angehörigen zählen. Am Beispiel der aktuellen Landrechtskonflikte soll ermittelt; werden, ob spirituelle, bzw. kosmologische Begründungen bei der Legitimation von Ansprüchen angeführt werden und ob diese allgemeine Akzeptanz erfahren.


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattformen  F Transkulturelle Verflechtungen und G Religion, Politik und Geschlechterordnung sowie der Koordinierten Projektgruppe Legitimation und Delegitimation von Gewalt mittels Schrift und Tradition.