Münze des Monats
Der Lincoln-Penny


Das kleinste Nominal der amerikanischen Währung, der Lincoln-Penny [Abb. 1], ist tatsächlich eine 1-Cent-Münze, mit der offiziellen Bezeichnung "one-cent piece". Er übernahm seine umgangssprachliche Benennung von seinem Vorgänger, dem Indian Head Penny (oder Cent), geprägt 1859-1909, der wiederum seinen Namen der Bezeichnung der britischen Kleinmünze verdankte, welche noch in den Anfangsjahren der jungen Nation in den Vereinigten Staaten zirkulierte und weiterhin als gesetzliche Währung Gültigkeit besaß.
Der Lincoln Penny spiegelt wie keine andere amerikanische Münze die Geschichte der USA. Sein Design wurde von Präsident Theodore Roosevelt (1901-1909) in Auftrag gegeben, der sich künstlerisch anspruchsvoll gestaltete, zeitgemäße Münzen für sein Land wünschte. 1905 wurde deshalb der amerikanische Künstler Augustus Saint-Gaudens, der bedeutendste Bildhauer der Epoche des amerikanischen Gilded Age, von der United States Mint angestellt, um den Cent und die vier umlaufenden Goldnominale neu zu entwerfen. Zwei seiner Cent-Entwürfe wurden umgesetzt, allerdings für die Goldmünzen: Diese sind mit ihren ansprechenden, jugendstil¬inspirierten Designs noch heute für die laufenden Emissionen des Golden Eagle und des Silver Eagle, die amerikanischen Gold- und Silbermünzen, in Gebrauch und als Anlagemünzen wie auch bei Münzsammlern außerordentlich populär.
Der Tod Saint-Gaudens verhinderte aber die Realisierung seines zentralen Auftrages. Im Januar 1909 wurde so Victor D. Brenner mit der Aufgabe betraut, die häufigste Umlaufmünze zu gestalten: und zwar die Vorderseite zum Gedenken an den 16. Präsidenten der USA (1860-1865) mit einem Porträt Abraham Lincolns (ermordet 1865), dessen 100. Geburtstag 1909 zu begehen war. Erstmals sollte somit statt der Liberty, der Personifikation der Freiheit, wie auf allen vorherigen Prägungen, das Bild eines amerikanischen Präsidenten auf einer Münze erscheinen - eine Vorstellung, die früher von George Washington vehement abgelehnt worden war, da sie unmissverständlich auf monarchische Traditionen verwies: Herrscher ließen seit der griechisch-römischen Antike ihr Porträt auf das Geld ihrer Untertanen prägen. Tatsächlich orientiert sich das Design des Brustbildes Lincolns im Profil nach rechts auf der Cent-Münze unmittelbar an antiken Vorbildern (ähnlich wie das seiner Sitzstatue im Lincoln Memorial in Washington).
Über dem Brustbild erscheint zudem erstmals das Motto IN GOD WE TRUST - Wir vertrauen auf Gott -, eine Entscheidung Präsident Tafts, des Nachfolgers Roosevelts 1909. Die Rückseite [Abb. 2] zeigt die Wertangabe ONE - CENT und darunter die Bezeichnung UNITED STATES OF AMERICA zwischen zwei Ähren (das ursprüngliche Rückseiten-Design), darüber als weiteres Motto E PLURIBUS UNUM, Einheit aus der Vielfalt.

Diese sog. Wheat-Rückseite wurde dann 1959, zum 150. Geburtstag Lincolns, abgelöst durch eine Darstellung des Lincoln Memorials, der Gedächtnishalle an der Mall in Washington. Der Cent trägt seither auch den Namen Lincoln Memorial Cent. Die von Frank Gasparro entworfene Rückseite ist übrigens so fein graviert, dass manche Details - erst recht auf länger umgelaufenen Exemplaren - sich mit dem bloßen Auge kaum erkennen lassen: selbst die monumentale Sitzstatue Lincolns tief in der Halle ist zwischen den Säulen noch wiedergegeben [Abb. 3]. Verschiedene geringfügige Modifikationen und Varianten auf den beiden Seiten - Größe des Kopfes und der Büste, Jahreszahlen, Künstlerinitialen, Buchstaben der Prägestätten etc. - im Zuge der Jahrzehnte können an dieser Stelle übergangen werden.

2009 wurde anlässlich des Lincoln Bicentennials eine vier Münzen umfassende Sonderserie mit emblematischen Darstellungen aus dem Lebens Lincolns emittiert [Abb. 4]: die Blockhütte seiner Geburt und Kindheit in Kentucky, der junge Lincoln als Holzfäller beim Eisenbahnbau in Indiana, der sich bei einer Pause mit Lesen weiterbildet, Lincoln als Rechtsanwalt vor dem State Capitol in Illinois zu Beginn seines Berufslebens und schließlich seine Präsidentschaft in Washington, D.C.
2010 sollte dann erneut eine generelle Umgestaltung der Rückseite des Lincoln Penny erfolgen. Die Commission of Fine Arts plädierte für ein Design, das 13 Getreideähren gebündelt zeigte, um so die amerikanische Einheit als eine Nation zu symbolisieren. Als sich allerdings herausstellte, dass ein ähnliches Motiv auf deutschen Münzen der 1920er Jahre bereits abgebildet gewesen war, wurde das Design zurückgezogen.

Nun erfolgte eine Empfehlung einer weiteren Kommission für das Motiv eines Union Shield mit dem vertrauten E PLURIBUS UNUM im oberen Register und einer über dem Schild ausgezogenen Schriftrolle mit der Wertbezeichnung ONE CENT [Abb. 5]. Dieses Rückseitendesign wird nunmehr seit einem Jahrzehnt geprägt, doch befinden sich zahllose Lincoln Memorial Cents weiterhin im Umlauf.
Der Lincoln Cent misst seit seiner Einführung 1909 unverändert 19 mm im Durchmesser, seine Zusammensetzung und ihre Veränderungen spiegelt hingegen in einem nicht geringen Maße die Wirtschafts- und Kriegsgeschichte der USA im 20. Jahrhundert. Wie sein Vorgänger, der Indian Head Cent, wurde der Lincoln Cent aus einer Legierung von 95 % Kupfer und 5 % Zinn und Zink hergestellt. Sein Gewicht betrug 3,11g. Der Eintritt der USA 1941 in den 2. Weltkrieg ließ Kupfer und Zinn als kriegswichtige Metalle jedoch knapp werden, die Produktion des Cent deshalb 1942 drastisch zurückgefahren. Unverzügliche Experimente mit verschiedenen, auch nichtmetallischen Prägematerialien führten zur Entscheidung - und einem entsprechenden Beschluss des Kongresses am 18.12.1942 -, für drei Jahre verzinkte Stahlmünzen zu produzieren. Allerdings korrodiert diese Verbindung bei Feuchtigkeit, zudem waren die Ränder der Münzen unverzinkt belassen worden. Es kam zu massiven Beschwerden, zumal die graue Färbung der "steelies" sie mit dem Dime (10 Cent) verwechslungsanfällig machten. 1944 erklärte das Schatzamt, u.a. alte Patronenhülsen, die eine nahezu identische Legierung mit dem Vorkriegsmünzmetall aufwiesen, nun für die Ausprägung von Cent zu verwenden. Allerdings ist umstritten, in welchem Umfang dies tatsächlich geschah und ob es sich hier nicht um eine symbolische Maßnahme handelte. 1946 kehrte man dann zur alten Legierung zurück und die Stahlmünzen wurden sukzessive aus dem Verkehr gezogen, ohne dies aber offiziell bekannt zu geben: Es sollte verhindert werden, dass die Münzen gehortet wurden.
Der in den 1970er Jahren drastisch steigende Kupferpreis, mit dem der Metallwert des Cent den Nominalwert nahezu erreichte, mithin die Produktionskosten signifikant ansteigen ließ, veranlasste Probeprägungen in Aluminium, die aber nicht in Umlauf gebracht wurden. 1982, vor dem Hintergrund eines weiteren Anstiegs des Kupferpreises, wurde dann die Produktion tiefgreifend umgestellt: Ein Münzrohling aus Zink (97,5 %) wurde mit Kupfer (2,5 %) plattiert, womit das Gewicht der Münze bei gleichbleibendem Durchmesser (19,05 mm) und Dicke (1,55 mm) sich auf 2,5 g verringerte. Dennoch erreichten die Herstellungskosten einer Cent-Münze im Jahr 2007 bereits 1,67 Cent, 2011 gar 2,41 Cent. Neuerliche Anläufe, die Zusammensetzung zu ändern, scheiterten aber und ebenso der Versuch, die Kleinmünze ganz abzuschaffen. Immerhin in U.S. Militärbasen in Übersee wurden die Pennies in den 1980er Jahren aufgegeben und alle Transaktionen auf die nächsten fünf Cent auf- oder abgerundet. Eine Gesetzesvorlage im U.S. Congress zur generellen Abschaffung des Cent, die bereits 1987 eingebracht wurde, scheiterte hingegen nach flammenden öffentlichen Protesten kläglich.

Der Lincoln Penny ist, was kaum bekannt ist, die häufigste Münze der Welt, ja der Münzgeschichte überhaupt. 1909 zunächst in einer Auflage von 20 Millionen emittiert - die umgehend vergriffen war und die von Beginn an große Popularität der Münze unterstreicht [Abb. 6] - , erreichte der öffentliche Gesamtumlauf 1917 bereits 1,16 Milliarden Münzen. 1944 wurden erstmals mehr als 1 Milliarde im Jahr geprägt, 1982 gar 16,7 Milliarden. In den letzten Jahren beläuft sich der jährliche Ausstoß der verschiedenen Prägestätten der U.S. Mint auf knapp 10 Milliarden Cent-Münzen. Im Zeitraum von 1909 bis 2019 sind so insgesamt über eine halbe Billion Pennies geprägt worden (ca. 527 Mrd.); der tatsächliche Umlauf heute wird auf 150 bis 250 Milliarden Stück geschätzt. Für die Herstellung dieser immense Menge wurden - bei früher 3,11 g, heute 2,5 g Gewicht der einzelnen Münze - insgesamt 1,5 Millionen Tonnen Metall eingesetzt. Die Stahlkonstruktion des Eiffelturms (7.300 t) ließe sich damit mehr als 200 mal errichten!
Die Faszination des Lincoln Penny und seiner Geschichte(n) lässt sich nicht zuletzt an der großen und aktiven Sammlergemeinde ablesen, die natürlich vor allem in den USA beheimatet ist. Es existieren zahlreiche Guide Books of Lincoln Cents, Kataloge, spezialisierte Sammelalben u.a. Seltene Prägungen und Varianten erzielen auf Auktionen atemberaubend Preise. Unlängst erlöste ein Kupferpenny aus dem Jahr 1943 die Summe von 1,7 Millionen US-Dollar. Während in Canada die Produktion des einheimischen Cent im Jahr 2013 eingestellt wurde, Experten mittelfristig sogar eine Abschaffung der Fünf-Penny-Münze empfahlen, in Finnland die von der Staatsbank geprägte 1-Eurocent-Münze (wie auch die 2-Eurocent-Münze) nie offiziell in den Umlauf gegeben, vielmehr nur an Sammler verkauft wurde, allenthalben aktuell wieder die Abschaffung der beiden kleinen Teilmünzen des Euro diskutiert wird und im Januar die deutschen Regierungsparteien dieses Projekt auf ihre finanzpolitische Agenda hoben, scheint es derzeit kaum vorstellbar, dass den Lincoln Penny, wider die Ratschläge der Finanzexperten, das gleiche Schicksal ereilt: So unbedeutend und hinderlich er für alltägliche Handelsgeschäfte sein mag, so ungemein wichtig ist seine Bedeutung für die amerikanische Identität.
Johannes Hahn, Seminar für Alte Geschichte
Literatur:
- Anderson, S., The Complete Lincoln Cent Encyclopedia. Iola, Wisc.: Krause Publications, 1996
- Bowers, Q.D., A Guide Book of Lincoln Cents. Atlanta, Ga.: Whitman Publishing, 2008
- Department of the Treasure/Bureau of the Mint: Domestic and Foreign Coins Manufactured by Mints of the United States 1793-1980
- www.usmint.gov