Großes Interesse an der Vier-Tage-Woche

Wer hat nicht alles bei ihrem Lehrstuhl angeklopft, mit der Bitte um Zitate und Studienergebnisse! „Aber das Außergewöhnlichste war die Anfrage der ,Maus‘ vom WDR“, findet Prof. Dr. Julia Backmann, deren Forschungsprojekt auf diese Weise in einem klassischen Erklärformat der Kindernachrichten erschien. Schon nachdem sie ihre Pilotstudie zur Vier-Tage-Woche begonnen hatte, stand ihr Telefon nicht mehr still. Zur Vorstellung der Ergebnisse war die Wirtschaftswissenschaftlerin Mitte Oktober sogar in die nordrhein-westfälische Landespressekonferenz eingeladen. Nach der Pressekonferenz teilte sich das Team auf mehrere Räume im Düsseldorfer Landtag auf. Sobald ein Hörer aufgelegt wurde, klingelte das Telefon erneut. Viele Male stand Julia Backmann vor Kameras und Mikrofonen und erläuterte die Studienergebnisse. „Wir bekommen immer noch Anfragen“, berichtet die Forscherin. Sie freut sich auch darüber, dass viele der Firmen das neue Arbeitszeitmodell über den sechsmonatigen Projektzeitraum hinaus erproben oder beibehalten möchten. Dass sie die Redaktion der „Maus“ zu Dr. Felix Hoch, dem Co-Leiter der Studie, durchstellte, war ein Signal der Wertschätzung. „Das Projekt ist eine Teamleistung mit zwei Habilitanden, einer Doktorandin, einem Doktoranden und 17 Master-Studierenden. Auch die Medienanfragen haben mehrere von uns übernommen“, unterstreicht Julia Backmann.
„Das Thema ist sehr emotional, wir haben entsprechende Reaktionen darauf erlebt“, erläutert die Wissenschaftlerin. Die Pilotstudie zeigte, dass das Wohlbefinden steigt, wenn die Arbeitszeit sinkt – bei gleichbleibender oder sogar leicht steigender Produktivität. „Die Vier-Tage-Woche führte zu einer signifikant positiven Veränderung der Lebenszufriedenheit, die sich hauptsächlich durch die zusätzliche Freizeit ergab“, betont die Forscherin. Vor dem Pilotprojekt äußerten demnach 64 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Wunsch, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Nach der Einführung der Vier-Tage-Woche sei dieser Wert auf 50 Prozent gesunken. „Man muss zwar aufpassen, dass diese Ergebnisse nicht überinterpretiert werden“, räumt Julia Backmann ein. „Aber es ist schön, wenn eine wissenschaftliche Studie so viel Wirkung hat.“
An dem Pilotprojekt der Berliner Unternehmensberatung Intraprenör und der Organisation „4 Day Week Global“ zur Einführung der Vier-Tage-Woche nahmen 45 Organisationen aus verschiedenen Branchen teil. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelten selbst Maßnahmen zur Umsetzung, sei es durch effektivere Meetings oder den Einsatz digitaler Hilfsmittel. Mit wie viel Begeisterung diese dabei am Werk waren, hat die Wissenschaftlerin überrascht. „Diese Motivation bekommt man in Veränderungsprozessen sonst nicht so gut hin“, weiß Julia Backmann. Aktuell untersucht sie, ob sich der Stresslevel der Beteiligten im Projektzeitraum nicht nur gefühlt, sondern auch objektiv verändert hat. Als Grundlage dafür dienen über 600 qualitative Interviews, Daten aus Fitnesstrackern und Cortisol-Messungen in Haarproben, die ein Labor des Universitätsklinikums analysiert hat.
Unternehmerisches Denken kennt die Professorin bereits seit ihrer Kindheit aus dem elterlichen Tischlerbetrieb im Münsterland. Sie entschied sich aber für ein European-Business-Studium an der FH Münster und der University of Portsmouth und einen Master in Human Resource Management an der London School of Economics „Ich wollte immer die Welt sehen.“ Nach Stationen am irischen University College Dublin, in der Beratung, an der WHU – Otto Beisheim School of Management sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München und mehreren Forschungsaufenthalten im Ausland, unter anderem in Japan und Australien, reizte sie an der Professur für die Transformation der Arbeitswelt, dass die Stelle in Münster neu geschaffen worden war. „Es ist wie eine grüne Wiese – ich kann Themen von Grund auf neu gestalten und innovative Ideen vorantreiben.“ Als sie 2022 in ihre Heimat zurückkehrte, erfüllte sich die Forscherin zudem den lange gehegten Wunsch nach einem eigenen Hund. Mit dem Mini American Shepherd dreht Julia Backmann nun vom Büro am Schlossplatz oder von ihrem Zuhause aus viele Runden in der Natur. Oder sie bringt ihm etwas bei: „Der Hund kann jeden Trick der Welt.“
Brigitte Heeke
Dieser Beitrag stammt aus der Broschüre „Zwölf Monate, zwölf Menschen“, erschienen im Februar 2025.
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