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Arbeitsbereich „Journalismusforschung I“

Über den Arbeitsbereich

Der von Nina Springer geleitete Arbeitsbereich beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit Journalismus und dessen Rezeption sowie mit Faktoren, die den Rezeptionsprozess beeinflussen. Dabei geht es um Bedingungen und Veränderungen des journalistischen Berufsfelds und der journalistischen Arbeit, um journalistische Inhalte sowie um Nutzung und (individuelle bzw. gesellschaftliche) Effekte journalistischer Produkte oder die Partizipation am Journalismus. Einen Schwerpunkt bilden dabei digitalisierte Kontexte. Unsere Forschungsprojekte untersuchen zum Beispiel Bedrohungen am Arbeitsplatz – sei es durch Publikumsaggression oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse – aber auch, wie der Journalismus sich neu erfindet: durch Innovationen wie immersives Storytelling (etwa im Bereich Virtual Reality), die Erschließung neuer Distributionskanäle oder Crowdsourcing. Wir analysieren journalistische Routinen wie Recherche und Selektion und untersuchen, welche Spuren Publikumsorientierung beziehungsweise -beteiligung im Journalismus hinterlässt oder welche Rolle Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Journalismus spielen. Dabei arbeiten wir inter- und transdisziplinär sowie transferorientiert, häufig mit einer internationalen und vergleichenden Ausrichtung. Wir nutzen die gesamte Klaviatur sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden, darunter quantitative, z. T. automatisierte Inhaltsanalysen, qualitative Leitfadeninterviews mit Expert:innen, klassische Befragungsstudien oder experimentelle Designs.

  • Personen

    Springer, Nina, Prof. Dr. +49 251 83-24655 E-Mail
    Wehden, Lars-Ole, Dr. +49 251 83-23009 E-Mail
    von den Driesch, Lea +49 251 83-24868 E-Mail
    Oldach, Chiara   E-Mail

     

    Ehemalige

  • Forschungsprojekte

    Unsere durch Dritt- und Eigenmittel finanzierte Forschung untersucht (1) den Berufstand und seine Routinen, aber auch, (2) wie und warum das Publikum am Journalismus partizipiert.  


    (1) Berufsfeldforschung und journalistische Routinen

    Ein Schwerpunkt unserer Forschungs- und Lehrtätigkeit liegt auf dem Berufsfeld Journalismus. Der Arbeitsbereich ist beteiligt an der Worlds of Journalism Studie, die den Berufsstand und die aktuellen Bedingungen, unter denen er tätig ist, in etwa hundert Ländern der Welt kartiert. Unser Teilprojekt, das den Journalismus in Schweden untersucht, wurde von der Anne-Marie och Gustaf Anders Stiftelse för mediaforskning gefördert und unterstützt durch den Schwedischen Journalist:innenverband SJF. Die aktuellen Daten zeigen beispielsweise, wie prävalent die Bedrohung durch Hate Speech, Einschüchterungen und öffentliche Diskreditierung journalistischer Arbeit in den Augen der Journalist:innen ist, und wie groß die Sorge, dass Täter:innen einfach so davon kommen.

    Ein weiteres, von der schwedischen Zivilschutz-Behörde MSB gefördertes Projekt untersucht Rechercheroutinen schwedischer und ukrainischer Journalist:innen in Konfliktsituationen zwischen der Ukraine und Russland. Die in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen aus Schweden und der Ukraine durchgeführte Studie zeigt, dass digitale Tools zum Fact Checking weder in schwedischen noch in ukrainischen Redaktionen im Einsatz sind – im traditionalen Journalismus, in dem an der Grenzproduktivität der Individuen operiert wird, ist die Zeit für Recherche eine entscheidende Knautschzone (dazu gehört natürlich auch die Zeit, die zur Einführung neuer Technik nötig wäre). Außerdem kann der recht individualistische Arbeitsstil im Journalismus dazu führen, dass sich confirmation bias in der Recherche und Narration durchschlagen. Erste Ergebnisse der Studie sind im Central European Journal of Communication veröffentlicht.

    Ein weiterer Schwerpunkt des Arbeitsbereiches liegt in der Erforschung der Selektionsroutinen von Journalist:innen in ihrer Rolle als professionelle Gatekeeper. Im Zuge der Digitalisierung und eines Bedeutungsgewinns der Sozialen Medien als Zugangsweg zu Nachrichteninhalten stellt sich die Frage, ob das in den Sozialen Medien journalistisch präsentierte Nachrichtenangebot aufgrund spezifischer Auswahlmechanismen von den jeweiligen Webseiten der etablierten Nachrichtenanbieter abweicht. Daraus könnte eine geringere Informiertheit derjenigen Rezipient:innen resultieren, die sich bei der Nachrichtenauswahl überwiegend auf die Sozialen Medien als Nachrichtenquelle verlassen. Diese Fragestellung untersucht eine aktuelle Studie durch die Kombination einer Expert:innenbefragung mit einem Input-Output-Vergleich von Nachrichtenartikeln, die von Journalist:innen in den Sozialen Medien verbreitet wurden (Wehden, 2022). In der Studie zeigte sich, dass das in den Sozialen Medien präsentierte Nachrichtenangebot grundsätzlich vielfältig ist, auch wenn einige Themen es eher selten auf Facebook und Twitter schaffen. Zudem scheinen Nachrichtenfaktoren für die journalistische Selektion von Artikeln für die Sozialen Medien eine geringere Bedeutung zu haben, als bestimmte formale Aspekte. Neben der Selektion von Nachrichten für die Sozialen Medien beschäftigen wir uns darüber hinaus auch mit der journalistischen Selektion in anderen Themenkontexten, etwa dem Sportjournalismus (z. B. Wehden & Schröer, 2019).


    (2) (Dunkle) Partizipation am Journalismus

    Journalismusforschung kommt in einer digitalisierten Gesellschaft kaum mehr am „audience turn“ vorbei. Die Analyse der Bedeutung von Publikumspräferenzen für die journalistische Themenselektion und Darstellung sowie der Beiträge, die Nutzer:innen zu professionellen journalistischen Produkten leisten, stehen daher auch auf unserer Forschungsagenda. Ein innovatives Tool, das manche Redaktionen einsetzen, ist beispielsweise Crowdsourcing (Springer, 2019). Die Forschung zeigt, dass Journalist:innen genau wissen sollten, was sie von ihren Nutzer:innen in Erfahrung bringen wollen, damit Crowdsourcing effizient eingesetzt werden kann. Hier liegen Journalismus und quantitative Sozialforschung nah beieinander – wie der methodische Ansatz und die Umsetzung in Form von Fragebögen bei ProPublica zum Beispiel zeigen. Einen Überblick über einschlägige Forschung bietet ein systematisches Literature Review zu Partizipation im Online-Journalismus (Engelke, 2019).

    Eines der gängigsten, aber auch ein polarisierendes Tool journalistischer Audience Engagement Strategien ist sicherlich die Kommentarfunktion. Als ein wesentliches Motiv, warum Menschen Nachrichten kommentieren, haben wir in der Bearbeitung kognitiver Dissonanz ausgemacht: Das kann so nicht stehen bleiben, was da steht – das sehe ich anders! (Springer, Engelmann, & Pfaffinger, 2015). Daher analysieren wir auch, welchen Beitrag Nutzer:innenkommentare zur Perspektivenvielfalt in der öffentlichen Kommunikation einer Gesellschaft leisten. Eine Studie zur Finanzkrise zeigt, dass durchaus Ergänzungen geschehen: Während Nachrichten vor allem Strukturen und kollektive Akteur:innen (wie z. B. Regierungen) im Fokus haben, arbeiten sich Nutzer:innen an der Verantwortung einzelner Personen ab. Außerdem ziehen sie Analogien und stützen sich auf Volksweisheiten (Baden & Springer, 2014). Einerseits lässt sich über Kommentare also einiges lernen. Andererseits hat sich vor allem in den letzten Jahren einiges mit diesem Forschungsgegenstand getan: Inzwischen wird vielfach darauf verwiesen, wie problematisch manche Nutzer:innen kommentieren – oder auch diejenigen, die das Tool für strategische Manipulation missbrauchen (Ksiazek & Springer, 2020). Kommunikative Gewalt gegen Journalist:innen (Springer & Troger, 2021) untersuchen wir daher genauso wie die Verbreitung von Mis- beziehungsweise Desinformation oder Verschwörungstheorien.

    In diesem Bereich wurde jüngst ein COST Netzwerk gefördert, an dem wir beteiligt sind (CA21129). Das Netzwerk mit dem Titel OPINION wird sich in den kommenden Jahren damit beschäftigen, wie man Meinungsbeiträge im Internet automatisiert analysieren kann. Das Netzwerk wird Theorie- und Operationalisierungsarbeit leisten, um ein Toolkit zur Analyse unterschiedlichster Formen von Meinungsäußerungen im Online-Diskurs zu entwickeln.  

    Neben der Frage danach, mit welchen Inhalten Gruppen des (Online-)Publikums sich mittlerweile an der Produktion, Verbreitung und Diskussion journalistischer Inhalte beteiligen, ist für Forschende und Berufspraktiker:innen gleichermaßen von Interesse, wer da aus welchen Gründen eigentlich Informationen und Nachrichtenartikel rezipiert, teilt, liked und kommentiert – oder dies nicht tut. Auch dieser Frage gehen wir am Arbeitsbereich nach. Ein Projekt untersuchte beispielsweise mittels automatisierter Inhaltsanalyse der Twitter-Accounts deutscher Zeitungen, wie sich deren Followerschaft geografisch verteilt und was die Chancen einer Redaktion erhöht, in den Sozialen Medien auch Publika außerhalb des physischen Verbreitungsgebiets des eigenen Printprodukts anzusprechen (Wehden & Stoltenberg, 2019). Eine andere Studie (Engelke, 2020) ergründet die Publikumsperspektive auf den deliberativen Charakter und das deliberative Potenzial von Kommentaren, indem mithilfe qualitativer Leitfadeninterviews mit deutschen Mediennutzer:innen untersucht wird, welche Gründe diese für aktive und passive (Nicht-)Nutzung von Kommentaren haben, wie sie Kommentare bewerten und welche persönliche und gesellschaftliche Bedeutung Kommentaren für sie haben.

  • Abschlussarbeiten am Arbeitsbereich

    Unsere Themen haben Ihr Interesse geweckt und Sie können sich vorstellen, bei uns Ihre Abschlussarbeit zu schreiben? Dann informieren die folgenden Dokumente über den Ablauf einer Betreuung bei uns und geben Impulse für Ihre Themenfindung.

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