"Zur Hölle mit der Kunst ... runter mit den Blusen."1

Zarah Rietschel, Jannes Tatjes

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Umkehrungen von Geschlechterstereotypen in Faster, Pussycat! Kill!, Kill!

Russ Meyer, „König des Sexfilms“ (Thissen 1985: 9), bekennender Liebhaber großer Brüste und Stellvertreter des Sexpolitation-Kinos. Die These, dass ein Regisseur, der sich mit einem solchen Satz beschreiben lässt, im feministischen Diskurs etwas anderes als Buhrufe ernten könnte, überrascht. Wenn es dann heißt, dass der von ihm gedrehte Film Faster, Pussycat! Kill!, Kill! (Die Satansweiber von Tittfield, USA 1965, Russ Meyer), der 1965 sein Debüt feierte, heute sogar als emanzipatorischer Klassiker gelesen wird, ist die Irritation noch größer. Allerdings nur temporär, denn bereits bei der Untersuchung der filmischen Handlung ist zu erkennen, dass hier einige Verbindungen geknüpft werden, die eine feministische Lesart nahelegen oder zumindest mit Geschlechterstereotypen zu brechen scheinen.

Bereits im Vorspann von Faster, Pussycat! Kill!, Kill! wird gewarnt: Weibliche Sexualität ist gefährlich. In den folgenden Shots sind die drei aufreizenden Protagonistinnen Varla, Rosie und Billie zu sehen, die mit jaulenden Motoren durch die Landschaft fahren. In einer Wüste treffen sie auf das junge Paar Linda und Tommy. Sofort wird Tommy zu einem Rennen gegen die drei ‚Satansweiber‘2 herausgefordert. Als Tommy während des Rennens angeblich Varlas Wagen schneidet, erzürnt diese und bricht ihm nach dem Rennen in einem Kampf sein Genick. Die drei Frauen setzen ihre Fahrt mit der hysterischen Linda fort und treffen an einer Tankstelle auf einen alten, gehbehinderten Mann, der von seinem Sohn getragen wird. Sie erfahren, dass der Mann seit einem Zugunfall behindert ist und mit seinen beiden Söhnen Vegetable und Kirk auf einer einsamen Farm lebt. Der Tankwart verrät Varla, Rosie und Billie, dass der alte Mann viel Geld aus der Schadensersatzleistung einer Versicherung besitze. Varla und die anderen Mädchen schleichen sich auf die Farm, um an das Geld zu kommen, wo die Gewaltakte schließlich kulminieren, sodass am Ende lediglich zwei von sieben Protagonistinnen überleben.

Wie ist die Dominanz des Weiblichen im Film zu werten und befähigt sie allein dazu, von einem feministischen Klassiker zu sprechen? Ist der Vorspann ein ernstgemeinter Warnhinweis für das Publikum? Oder verhält sich der Film vielmehr progressiv und ironisiert durch die Kopplung von Weiblichkeit und Gewalt die gängigen Geschlechterrollen? Die im Film vermittelten Geschlechterstereotype sollen vor dem Hintergrund dieser Fragen im Folgenden ideologiekritisch analysiert werden.

Der Filmjournalist Tom Bond behauptet, dass Faster, Pussycat! Kill!, Kill! ein frühes feministisches Meisterwerk sei (vgl. Bond 2015). Erika Lust, eine Pionierin der feministischen Pornografie, schreibt: „Russ Meyers Kino will, dass wir uns an der Action und an den Frauen erfreuen, die sich am Leiden anderer ergötzen und so böse sind, wie es bisher in den Filmen nur die Männer waren.“ (Lust 2009: 174) Russ Meyer stilisierte sich selbst als „King of Sexploitation“, liebte großbusige Frauen und scheute sich nicht, zu bemerken: "I’m prone to say, yes, I do exploit women.“ (Telegraph 2004) Dennoch bleibt fragwürdig, ob die Filme Russ Meyers und speziell Faster, Pussycat! Kill!, Kill! dem Exploitation-Kino zuzuordnen sind, nur weil das Thema Sex ‚ausgebeutet‘ wird.

Auch die Frage nach der Lesart von Russ Meyers Filmen als entweder sexistisch oder feministisch lässt ahnen, welche differierenden Inszenierungen von Weiblichkeit sich in den einzelnen Filmen finden lassen. Während die Großbusigkeit der Darstellerinnen in Meyers Filmen als markantes Merkmal und Markenzeichen eine sexistische Lesart nahelegen, in welcher insbesondere der weibliche Körper Betonung erfährt und eine Nähe zum Softcore-Porno gegeben ist, lassen sich die Handlungsweisen der Darstellerinnen als Begründung für eine Verortung von Meyer im feministischen Filmgenre betonen. Ein hervorzuhebendes Beispiel bildet in dieser Hinsicht Faster, Pussycat! Kill!, Kill!, ein Resultat aus Meyers Absicht, „to develop a new style of ‚skin flick‘3" (Thissen 1985: 9).

Kopplung von Weiblichkeit und Gewalt

Die bereits in der narrativen Einführung des Films vorgenommene eindeutige Kopplung von Weiblichkeit und Gewalt sieht sich im Verlauf des Films insbesondere in der Protagonistin Varla realisiert. Die drei weiblichen Hauptcharaktere bedienen sich in Faster, Pussycat! Kill! Kill! einem traditionell als ‚männlich‘ verstandenen „Arsenal körperlicher Requisiten“ (Butler 2003: 166). Gemeint sind hiermit Gestik, Bewegung und Gang der Figuren, die laut Butler allgemein als bezeichnend für Geschlechtsidentitäten gelten (vgl. ebd.). Auch über die Stimme lässt sich eine geschlechtsspezifische Konnotation vornehmen. So ist Varla, die die ‚weibliche Gewalt‘ repräsentiert, mit einer tiefen, sonoren Stimme ausgestattet, während Linda, die als eine Inkarnation der amerikanischen Hausfrau gelesen werden kann, eine hohe, schrille Stimme hat. Hierbei realisiert/repräsentiert sich ihr Agieren als Gegenspielerinnen auch auditiv in einer oppositionellen Relation von tiefe Stimme/Gewalt/Macht vs. hohe Stimme/Schwäche/Ohnmacht.

Die Frauenfiguren in Meyers Kultfilm nehmen gegenüber den männlichen Figuren eindeutig starke und aktive Rollen ein. Dabei wird die Kopplung von Gewalt und Weiblichkeit weiter ausgefeilt, indem das Etablieren der Frauenfiguren als Inhaberinnen von agency über das Ausüben von Gewalt funktioniert. So wird Linda als Gegenspielerin Varlas zunächst als kleines, unselbstständiges Mädchen eingeführt, das erst im Akt des Überfahrens ihrer Gegnerin zur aktiven Figur wird.4 Als Freundin von Tommy wird Linda gleich zu Beginn als passive Figur etabliert, die erstmalig mit der Frage „Someone mentioned my figure?“ auftritt, wobei diese von Tommy nicht bejaht werden kann (0:09:25–0:10:30). Nachdem Tommy der Gewalt Varlas erliegt, entführen die drei ‚Satansweiber‘ die junge Linda und nehmen sie mit auf die Ranch des ‚Old Man‘ und seiner Söhne. Linda befindet sich während des Aufenthalts auf der Ranch sowie bei ihren beiden Fluchtversuchen durchgängig in der Rolle einer Opferfigur und verlässt diese erst, als es zum Kampf zwischen Varla und Kirk kommt.

Dadurch, dass Linda diesen Kampf beendet, indem sie Varla überfährt (vorher war nicht bekannt, dass sie überhaupt Auto fahren kann), gibt sie erstmalig ihre passive Rolle auf und nimmt eine aktive ein. Sie überschreitet die Grenzen ihres unselbständigen und ohnmächtigen Charakters, fällt jedoch schnell und intensiv wieder in alte Verhaltensmuster, nachdem sie Varla getötet hat. Das Ausüben von Gewalt ist in diesem Fall eine Voraussetzung für das Etablieren als emanzipierte Figur. Allerdings endet der Film erst, als Linda wieder in ihre Rolle als empfindsames Mädchen geschlüpft ist, wodurch letztlich ein Sieg des Konventionellen über das durch Varla verkörperte Böse suggeriert wird.

Zusammen mit der Eingangssequenz, in welcher Billie, Varla und Rosie in einem Gogo-Club vor einem männlichen Publikum tanzen, wird so ein Rahmen der Konventionalität gebildet, der das Geschehen des Filmes einleitet und abschließt. Zwischen Gogo-Club und dem Sieg der Guten über die Bösen ist alles erlaubt und die Kopplung von Gewalttätigkeit und Weiblichkeit augenscheinlich.

Männlichkeit in Faster, Pussycat! Kill!, Kill!

Im Film werden neben Linda auch die fünf beteiligten/gezeigten Männer5 als schwach inszeniert. Diese Schwäche äußert sich in den einzelnen Fällen auf verschiedene Arten: Als erster männlicher Protagonist, wird Lindas Freund Tommy in den Film eingeführt. Billie, Rosie und Varla treffen in der Wüste auf ihn und fordern ihn zur Teilnahme an einem ihrer Rennen auf, nachdem sie sich über seine Art der „Competition“ lustig gemacht haben: „What’s so exciting about beating time anyway? […] I don't beat clocks, just people!“ (0:11:57–0:12:31) Tommy etabliert sich zunächst als wettbewerbsfähiger Charakter, wird jedoch von Varla im Rennen von der Strecke gedrängt und verliert entsprechend, wenn auch ungerechtfertigt. Der brutale Mord, der ihm nach dem Rennen widerfährt und dessen Grund ein Disput über den verfälschten Sieg Varlas ist, greift die eingangs formulierte Verknüpfung von Weiblichkeit und Gewalt wieder auf und lässt sie bereits nach nur 18 Minuten als im Film realistisch werdende Warnung erkennen.

Eine weitere männliche Figur ist der Tankwart, der die Autos der Frauen nach ihrer Rückkehr aus der Wüste volltanken soll. Er erweist sich als tollpatschig und wirkt wie jemand, der sich mehr für die weiten Ausschnitte der Frauen als für seinen Job begeistern kann und von Varla und Billie deshalb missbilligt wird. Ihre Einschätzung seiner Person als dümmlich wird durch die ironisch formulierte Bezeichnung „Einstein“ gestützt (0:19:13).6

Der ‚Old Man‘, auf dessen Grundstück es die drei Frauen nach ihrem Autorennen in Begleitung der gekidnappten Linda führt, ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Hierdurch ist er den weiblichen Figuren nicht nur körperlich unterlegen, sondern auch im konkret räumlichen Sinne, denn er muss zu den Frauen aufsehen, während sie auf ihn hinabblicken. Die körperliche Behinderung des alten Mannes lässt sich auf dessen Versuch zurückführen, ein junges Mädchen vor einem Zug zu retten, wobei der Mann selbst verletzt wurde. Der Unfall hat in dem Alten einen Hass auf Frauen geschürt, der im Verlauf des Films mehrmals aufgegriffen und auch verbalisiert wird (vgl. 0:29:00f. u. 0:40:05f.).

Die beiden anderen männlichen Figuren sind die beiden Söhne des ‚Old Man‘: Vegetable und Kirk. Wie der Name bereits erwarten lässt, handelt es sich auch bei Vegetable um eine als schwach inszenierte männliche Figur. Dabei mangelt es ihm im Gegensatz zu seinem an den Rollstuhl gefesselten Vater nicht an körperlicher, sondern geistiger Stärke. Während seine Muskelkraft ihm am Ende des Films sein Überleben sichert, weisen seine eingeschränkten Redebeiträge auf eine mangelnde Intelligenz hin (0:27:50–0:28:42). So wird ihm sowie seinem Vater durch den Tankwart bescheinigt, „nuts“ (0:21:46f.) zu sein. Die geistige sowie körperliche Unterlegenheit der männlichen Figuren kann im Kontext der Etablierung weiblicher und männlicher Stereotype als Halbierung eines ,ganzen Mannes‘ interpretiert werden, während die Frauen sich durch Aneignung stereotypisch als männlich konnotierter Charakteristika als ,ganze Frauen‘ oder sogar ‚Superfrauen‘ etablieren.

Im Gegensatz zu Vegetable, wirkt der zweite Sohn Kirk zu Beginn schlagfertig und den Frauen geistig gewachsen. Er ist auch derjenige, der seine Skepsis gegenüber den Besucherinnen direkt formuliert und sie zum Verlassen der Ranch auffordert (0:29:06). Später glaubt jedoch auch er die Geschichte über Linda und ihre scheinbare Entführung, die laut Varla keine wirkliche sei und nur zur Sicherheit des Mädchens diene, und verfällt ihr im Verlauf des Nachmittags. Der Plan, ihn zu verführen, den Varla bereits nach dem ersten Zusammentreffen auf der Ranch gefasst hat (0:46:00), geht auf und Kirk gesteht sich und Varla gegenüber die eigene, in diesem Falle durch sexuelles Begehren bedingte, Schwäche ein: „You're a beautiful animal ... and I’m weak and I want you“ (0:56:58).

Fazit

Neben den erläuterten Verkörperungen von Schwäche in Form von physischer sowie psychischer Beschaffenheit der männlichen Figuren fungiert auch ihre Verortung als Opposition zu den stark inszenierten weiblichen Figuren. So halten sich der ‚Old Man‘, Kirk und Vegetable überwiegend zu Hause auf und gehen scheinbar keiner wirklichen Arbeit nach, während die Frauen unterwegs sind und kein konkretes Ziel in Form eines Zuhauses zu haben scheinen. Die Frauenfiguren in Faster, Pussycat! Kill! Kill! eignen sich damit traditionell als ‚männlich‘ verstandene Verhaltensweisen und Posen an, wodurch sich anstelle einer Etablierung der ‚Frau‘ als „the Other“ (Butler 2007) zum ‚Mann‘ eine Umkehrung von Geschlechterstereotypen vollzieht. Der aus dem Jahr 1965 stammende Faster, Pussycat! Kill! Kill! weicht die Geschlechterrollen von Mann und Frau auf und bildet somit einen produktiven Ansatz im Nachdenken über Geschlecht, der sich auch für aktuelle Sexismusdebatten fruchtbar machen lässt.

Dennoch lässt sich ein male gaze innerhalb der filmischen Umsetzung nicht leugnen sowie auch die zum Teil vorhandene sexuelle Aufladung der Kampfszenen eine Verortung des Filmes im Genre des Exploitation-Kinos nahelegt. Das letztliche Scheitern der rebellischen, sich gegen die ihnen auferlegten Geschlechterstereotype aufbegehrenden Frauenfiguren in Faster, Pussycat! Kill! Kill! lässt die feministische Lesart des Filmes ins Wanken geraten und kommt nicht um die Ergänzung der positiven Bewertung um ein eingeklammertes Fragezeichen herum, wenn auch das Spiel mit Geschlechterkonstruktionen in seiner anregenden sowie diskussionswürdigen Umsetzung in jedem Falle Beachtung verdient.

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1   Thissen 1985: 9.

2   So die Bezeichnung der drei Frauen im deutschen Filmtitel.

3   Dt. Übersetzung zu skin flick: Pornofilm.

4   Es bleibt diskutabel, ob hier tatsächlich vom Einnehmen einer aktiven Rolle gesprochen werden kann, da die Passivität Lindas im Film deutlich überwiegt und lediglich für einen kurzen Moment unterbrochen wird.

5   Ungeachtet der Zuschauer im Gogo-Club in der Anfangssequenz.

6   In dieser Sequenz trägt auch der Einsatz der Musik zur Betonung der Tollpatschigkeit des Tankwarts bei.


Filme

Faster, Pussycat! Kill! Kill! (Die Satansweiber von Tittfield, USA 1965, Russ Meyer).

Forschungsliteratur

Bond, Tom (2015): „50 Years on, is Faster, Pussycat! Kill! Kill! A feminist masterpiece?“. In: One Room With A View. https://oneroomwithaview.com/2015/08/04/50-years-on-is-faster-pussycat-kill-kill-a-feminist-masterpiece/ (08.02.2018).

Butler, Judith (2007): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity. New York.

Butler, Judith (2003): „Imitation und die Aufsässigkeit der Geschlechtsidentität“. In: Andreas Kraß (Hg.): Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität. Frankfurt, S. 144–168.

Cuntz, Michael (2012): „Agency“. In: Christina Bartz u. a. (Hg.): Handbuch der Mediologie. Signaturen des Medialen. München, S. 28–40.

Despineux, Carla u. Verena Mund (Hg.) (2012): Girls, Gangs, Guns – Zwischen Exploitation-Kino und Underground. Marburg.

Lust, Erika (2009): X – Porno für Frauen. München.

McDonough, Jimmy (2005): Big Bosoms and Square Jaws. The Biography of Russ Meyer, King of the Sex Film. New York.

N. N.: „Russ Meyer“. In: Telegraph http://www.telegraph.co.uk/news/obituaries/1472362/Russ-Meyer.html (08.02.2018).

Thissen, Rolf (1985): Russ Meyer. Der König des Sexfilms. München.

Thompson, Kristin (1977): „The Concept of Cinematic Excess“. In: Cine-Tracts 1, H. 2. S. 54–63.