Blaxpoitation: Schwarzes Emanzipationskino oder Genreparodie? Starke Frauen in FOXY BROWN (USA 1974)

Andreas Blödorn, Johannes Ueberfeldt

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„That’s my sister, baby, and she’s a whole lotta woman.“

Link Brown

Schwarz gegen Weiß

Blaxploitation, das beliebteste urbane „Filmgenre der 70er Jahre“, kann mit seinem „schnell produzierte[n] Metaphernarsenal für die gesellschaftlichen Konflikte“ als kultureller Speicher der Mentalität der 1970er-Jahre gelten (Rauscher 2004: 107). Changierend zwischen kommerzieller Unterhaltung und einem die Stereotype unterlaufenden Emanzipationskino, ist das Blaxploitation-Genre durch eine grundlegende Ambivalenz von Affirmation vs. Subversion geprägt. Dabei werden bildkräftige Action-Elemente von ‚sex‘ und ‚crime‘ mit ideologiekritischen Themen konfrontiert, die um identitätskonstitutive Faktoren wie race, class, gender kreisen. Blaxploitation lässt sich daher durch das Zusammenspiel divergierender und z. T. widersprüchlicher Elemente charakterisieren.

Der Hype um das neue schwarze Kino beschränkte sich im Wesentlichen auf die frühen 1970er-Jahre. Nachdem Melvin Van Peebles mit seinem Film Sweet Sweetback Baadasssss Song (USA 1971), der als Geburtsstunde für das Blaxploitation-Kino gilt, den Nerv der Zeit der nach empowerment strebenden schwarzen Bevölkerung der USA getroffen hatte, eroberte eine Welle an mehr oder weniger billig produzierten Kriminal- und Actionfilmen die amerikanischen Kinos, in denen zumeist schwarze Heldenfiguren gegen eine weiße Unterdrückung kämpften. Da es Van Peebles außerdem gelang, mit geringsten finanziellen Mitteln einen enorm erfolgreichen Film zu produzieren, wurde er nicht nur zur Ikone des Blaxploitation-Kinos, sondern entfachte bei anderen Regisseuren sowie Major-Studios (Blaxploitation-Filme wurden sowohl im Independent-Bereich als auch im Mainstream produziert) großes Interesse für das schnelle Geld mit ‚schwarzen Filmen‘.

Sweetback was politically unacceptable on the one hand, but it made a lot of money on the other. And I thought it was a stroke of genius to suppress the political aspects and highlight the cartoonish aspects, and there you’ve got your blaxploitation. (Surowiecki 1999: 181)

Blackness, also die schwarze Identität und Kultur, wird sozio-topographisch inszeniert als konfliktbeladene Unterschicht, durchsetzt von Drogendealern, Drogenabhängigen, Kleinkriminellen, Mördern und Zuhältern,1 und steht damit im konträren Verhältnis zu der Darstellungsweise, die von den intellektuellen Teilen der black empowerment-Bewegung gewünscht wird, die eine Fortschreibung der schwarzen Stereotype ablehnt. Nichtsdestotrotz fühlte sich auch eine große Masse der schwarzen Kinogänger*innen angesprochen und vertreten. Schließlich ermöglichten diese Filme nicht nur eine Repräsentation der schwarzen Bevölkerung im amerikanischen Kino, sondern boten gute Unterhaltung, indem sie auch musikalisch ‚cool‘ inszeniert wurden, und versprachen die Möglichkeit, die realpolitischen Probleme der Zeit zu zerstreuen.

In their depiction of urban life, they highlighted a performative image of blackness, worlds away from the sartorially and verbally restrained, clean-cut Negro of civil rights protests and integrationist cinema. (Howell 2005)

Zudem konnten schwarze Figuren im Blaxploitation-Kino erstmalig Held*innen sein, wenn auch fragwürdige oder Anti-Held*innen, aber sie überlebten bis zum Abspann, und wurden nicht vor dem ‚weißen‘ Happy End entsorgt, wie im Mainstream-Kino dieser Zeit üblich.2

Sehr auffällig im Blaxploitation-Kino ist die starke Beziehung zwischen Filmmusik und black empowerment, bzw. die Wirkung die durch die Verbindung von Bild- und Tonebene geschaffen wird. Amanda Howell kommentiert dazu: „[T]he impact of blaxploitation clearly relies on the way music and film work in concert“ (Howell 2005).

Nahezu zu jedem Blaxploitation-Film existiert ein separater Soundtrack und der Produktionsaufwand der scores erweckt schnell den Eindruck, der Komposition und Aufnahme der Musik wurde mehr Aufmerksamkeit, Zeit und Geld gewidmet als der Produktion des eigentlichen Films. Zudem fungiert die Musik häufig als Träger von Idealen der Bürgerrechtsbewegung, mindestens aber als Teil der black culture, dem wiederum eine identitätsstiftende Funktion zukommt. In vielen Fällen rettet die Musik das unterkomplexe Narrativ und die schwierige ideologische Dimension der Filme. So schreibt Howell: „The films’ soundtracks are an important feature of this address to the problems and pleasures of contemporary black life as the films imagined them.“ (Howell 2005) Zudem schufen einige Künstler einen Gegenentwurf zu den oft albern überzeichneten Figuren und plots popkultureller Filme der Post-civil rights-Ära, indem sie sich in ihren Kompositionen expliziter realpolitisch äußerten.

Gender Trouble: Starke Frauen als Racheengel

Besonderen Kultstatus erreichte die Schauspielerin Pam Grier mit den Filmen, in denen sie mitspielte – vor allem Coffy (Coffy – Die Raubkatze, USA 1973, Jack Hill), Foxy Brown (USA 1974, Jack Hill) und 'Sheba, Baby' (USA 1977, William Girdler) –, durch die Darstellung einer schwarzen Frau, die sich sowohl mit schwarzen Männern als auch mit weißen Frauen und Männern in einem Kampf für Gerechtigkeit anlegt. Im Gegensatz zu den intellektuellen Verfahren und politischen Bemühungen der black empowerment-Bewegung sowie des civil rights movements, sind Pam Griers Filme zwar als politische Botschaft im Sinne der Black Power-Forderung lesbar, allerdings sowohl sexuell explizit als auch für die damalige Zeit ungemein brutal, was innerhalb der Bürgerrechtsbewegungen zum Teil zu Kontroversen führte.

„Foxy Brown” is probably the prototype of a typical blaxploitation classic. It´s full of sadistic violence and explicit sex. If you’re in search for political correctness, forget it - this flick delivers sex’n crime en masse!3

Dieser Auszug aus einer IMDb-Rezension des Films Foxy Brown ist nur eine unter vielen Stimmen, die auf die politische Fragwürdigkeit des Films hinweist, aber auch illustriert, weshalb sich Regisseur*innen und Studios bewusst provokativ mit dem Thema auseinandersetzen.

Dennoch ist eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit Foxy Brown nicht zu unterschätzen, denn der Film propagiert: Wo ‚weiß‘ war, soll ‚schwarz‘ werden, wo ‚Mann‘ den Ton angab, soll ‚Frau‘ regieren. Judith Butlers queerer Ansatz würde demgegenüber eine intelligentere Kritik der übergeordneten Ordnungslogik voraussetzen, die unsere Einteilung in Mann vs. Frau, schwarz vs. weiß, sozial ‚oben‘ vs. ‚unten‘ (und die entsprechende intelligible Matrix, der die einzelnen Faktoren korrelierenden Machtlegitimation) hinterfragt. Dies tut Foxy Brown jedoch nicht: Die dargestellte Welt des Films ist grundlegend durch eine Struktur von Oben/Oberfläche vs. Unten/Inneres charakterisiert, und zwar in folgender Semantisierung:

© Blödorn u. Ueberfeldt

Die drei nach Butler maßgeblichen Pole der Geschlechtsidentität (sex – gender – desire) werden in Foxy Brown partiell entkoppelt. Sexuell-erotische vs. soziale Geschlechterrollen werden umgekehrt: Handlungsbestimmend sind starke, dominante Frauen gegenüber schwachen Männern, wobei die Frauen dennoch als Sexualobjekte erniedrigt werden, wo immer Männer sich mithilfe von Waffen durchsetzen können.

Das männliche Begehren wird dabei – allerdings in seiner unverhohlen heteronormativen Form – von den Frauen als Waffe eingesetzt und gegen die Männer (zurück-)gelenkt: Die Frauen bieten sich feil, um dann ‚auf dem Höhepunkt‘ zurückzuschlagen (vorgetäuschte Begehrenserfüllung). Ziel weiblichen Agierens ist im Film das Motiv der Rache und der Bestrafung des Mannes – und zwar genau da, wo es ‚wehtut‘: im Zentrum männlich-phallischer Macht, der sexuellen Dominanz.

Foxys Rache äußert sich zwar in der Kastration Steves, allerdings nicht als Rache am Handlanger selbst, sondern als Rache an Katherine Wall, denn die heteronormative Matrix kehrt sich in der Beziehung von Katherine und Steve um. Katherine kommt nicht nur oberste Befehlsgewalt zu, sondern sie ist auch abhängig von Steve im Sinne ihres sexuellen Verlangens (desire). Unter diesem Gesichtspunkt äußert sich Foxys Rache in der Kastration Steves auch nicht als bloße Rache am Handlanger selbst, stellvertretend für die Unterdrückung durch die weißen Männer, sondern als Rache an Katherine Wall. Da Katherine körperlich allerdings keine Gefahr darstellt, sondern sich hinter ihren Handlangern versteckt, unterscheidet sie sich darin von der gewaltbereiten Foxy. Diese nimmt durch die Verwendung von ‚männlichen Mitteln‘, wie Faustkampf und Schusswaffen, eine genuin heteronormative, ehemals männliche Position im Ordnungsgefüge ein. Gleichzeitig entmannt, und damit entmachtet, sie nicht nur Steve, sondern nutzt die sexuelle Abhängigkeit von Katherine auch aus, um ihr größtmögliches Leid zuzufügen. Auf Ebene der Filmmusik wird genau die Szene kommentiert, denn als Foxy Katherine das brutal abgeschnittene Geschlechtsteil von Steve in einem Einmachglas überbringt, ihr in den Arm schießt und ihre Rache mit den Worten „Death is too easy for you, bitch. I want you to suffer.“ (Foxy Brown: 01:29:26) artikuliert, wird die Exklamation „Superbad“ (ebd.: 01:29:47) vom film score eingespielt, als direkte Bezugnahme auf die Semantisierung Foxys als Heldin ohne Schwächen.4 Die Schusswaffe wird vor allem in dieser Szene (durch die Gestaltung auf der Mise-en-scène) zum symbolischen Phallus, die Erschießung der Blondine, der Freundin Links, zur symbolischen ‚Entjungferung‘.

Die für das Exploitation-Genre konstitutiven Elemente von Sex und Macht durch Gewaltausübung werden in Foxy Brown also in ein neues Verhältnis gesetzt, welches das heteronormative Modell männlicher Dominanz spiegelbildlich adaptiert: Frauen usurpieren nunmehr die männlich dominierte Matrix und setzen sich selbst an die Stelle der Männer – jedoch ohne das Modell selbst umzudrehen (es funktioniert nach wie vor, nur unter umgekehrtem Vorzeichen). Dies zeigt sich insbesondere dort, wo heteronormative Ordnungsmuster für die eigene (schwarze) Selbstbehauptung in Anschlag gebracht werden: in der Beschimpfung von Miss K’s (weißen) Lakaien (und in der Beschimpfung Steves) als „faggots“ (dt. ‚Schwuchteln‘).

Diesen – im Rahmen der minimalen subversiven Abweichung also durchaus enthaltenen – affirmativen Faktoren entgegengesetzt gibt es allerdings auch einige wenige intersektionale Überkreuzungen der identitätsbildenden Faktoren race (schwarz vs. weiß), gender (Mann vs. Frau) und class (sozial oben vs. unten). So ist Foxys Bruder Link etwa mit einer weißen Blondine zusammen, und Miss Kathryn stellt durchaus auch schwarze ‚Models‘ ein (allerdings nur, da diese als Ware begehrt sind). Die Figur Foxy selbst ist dabei markiert als: (a) schwarze, sozial ‚unten‘ stehende Frau (von der Ausgangssituation her gesehen also als schwach/unterlegen) – und erkämpft sich (b) ihren Platz ‚oben‘, indem sie die weiße Männerrolle der upper class einnimmt, dabei aber mit den Mitteln des Straßenkampfs siegt – also von vornherein das verlogene Raummodell von oben/Recht/Schein vs. unten/Unrecht/Sein nivelliert.

Affirmation vs. Subversion?

Ansatzpunkt für die Frage, wie die dargestellte Handlung (histoire) sowie die Art der Darstellung (discours) hinsichtlich ihrer Inszenierung von blackness, Weiblichkeit und sozial-gesellschaftlicher Positionierung zu bewerten sind, ist die Rolle der Ironie im Film. So werden Sexualität und Erotik in Foxy Brown rekurrent ironisiert, wenn es um den weiblichen (schwarzen) Blick auf den männlichen (sowohl weißen als auch schwarzen) Körper geht. Zu klären aber bliebe, wie sich dies ideologiekritisch auf die heteronormative Kopplung von Sex und Gewalt/Macht auswirkt? Wird das Thema des Films damit selbstreflexiv als unernstes ‚Spiel‘ ausgewiesen und damit als schwarze Allmachtsphantasie persiflierend ab- und zurückgestuft? Oder aber lässt sich gerade in der fiktionalen Handlung eines Spielfilms die Möglichkeit neuer schwarzer Aktions- und Identifikationsräume und -formen aushandeln?

Foxy Brown lässt sich damit exemplarisch für das schwarze Sub-Genre der Exploitation betrachten, für „Filme mit schwarzen Schauspielern, die sich speziell an ein schwarzes Publikum richteten, obwohl sie meist von Weißen produziert wurden“ (Bender u. Grundmann 2012). Dabei galt von Beginn an, dass

[d]er Einfluss des sexuell sehr freizügigen, dabei aber auch sehr sexistischen und anarchisch-afrozentrischen Sweetback auf das Sub-Genre der Blaxploitation […] auf die letztlich ambivalente Wirkungsdimension der Blaxploitation hin[weist]: Im Gegensatz zu Filmen von Schwarzen über Schwarze diente der Blaxploitation-Film der kommerziellen Ausbeutung der schwarzen Zuschauer, trug aber dennoch gleichzeitig zu einem gestärkten filmischen Selbstbewusstsein der Schwarzen bei, wobei nicht erwiesen ist, inwieweit dieses Selbstbewusstsein bei beiden Geschlechtern gleich stark entwickelt werden konnte. (Bender u. Grundmann 2012)

Daran schließen sich grundlegende Fragen an: Werden hier negative Bilder der Schwarzen entworfen, die das an die weiße, heteronormative Matrix gekoppelte Modell übernehmen und – mit dem Tausch von Männer- und Frauenrolle nur leicht variiert – einfach adaptieren? (Denn wird hier nicht doch, ex negativo, noch die Kopplung des ‚Schwarzen‘ an Prostitution, Kriminalität, Gewalt etc. weiterhin und fortdauernd aufrechterhalten?)

Oder handelt es sich hier vielleicht doch um eine emanzipatorische und subversive Darstellung schwarzer Identität, die sich gegen Unterdrückungsmechanismen zur Wehr setzt, die eben nicht im ‚Unten‘ verharrt, sondern die sich selbst Gerechtigkeit verschafft – und damit auch neue role models (wie Foxy) ausbildet (etwa in der Kopplung ‚schön & stark‘, als die die Frauen hier erscheinen)?

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1   „Most of the blaxploitation heroes were anti-heroes. There were, you know, pimps and drug dealers.“ (Samuel L. Jackson 1999, in: Baadasssss Cinema (USA/UK 2002, Isaac Julien).

2    „It was off her thought that a negroe, a coloured, a black and african-american, one of us would make it to the end of the movie.“ (Afeni Shakur 1999, in: Baadasssss Cinema).

3   DJ Inferno 2002.

4   Der Musik-Track „Theme of Foxy Brown“ beginnt textlich mit genau dieser Exklamation.


Filme

Baadasssss Cinema (USA/UK 2002, Isaac Julien).

Coffy (Coffy – Die Raubkatze, USA 1973, Jack Hill).

Foxy Brown (USA 1974, Jack Hill).

‚Sheba, Baby‘ (USA 1977, William Girdler).

Sweetback Baadasssss Song (USA 1971, Melvin Van Peebles).

Forschungsliteratur

Bender, Theo u. Roy Grundmann (2012): „Blaxploitation“: In: Lexikon der Filmbegriffe. http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=90 (27.06.2018).

Howell, Amanda (2005): „Spectacle, Masculinity, and Music in Blaxploitation Cinema“. In: Screening the Past. http://www.screeningthepast.com/2014/12/spectacle-masculinity-and-music-in-blaxploitation-cinema/ (26.06.2018).

Surowiecki, James (1999): „Making it. A conversation with Melvin Van Peebles“. In: Transition 79, S. 176–192.

Weitere Quellen

DJ Inferno (05.07.2002): „Cool and funky flick!“. Auf: IMDb. https://www.imdb.com/review/rw0135311/?ref_=tt_urv (25.06.2018).