Religionsfreiheit und Religionspolitik

Religion ist ein komplexes und vielgestaltiges gesellschaftliches Phänomen. Es artikuliert sich öffentlich in unterschiedlichen Ausdrucksformen und Sozialgestalten. Unterschiedliche religiöse Bekenntnisse koexistieren in modernen Gesellschaften; sie können untereinander und mit säkularen, a- und antireligiösen Weltanschauungen in Konflikt geraten.

Religiöse Institutionen (Kirchen, Religionsgemeinschaften) repräsentieren die soziale Bedeutung religiöser Überzeugungen in der Gesellschaft. Sie werden als solche einerseits an der Programmatik gemessen, die sie vertreten, andererseits an den rechtlichen Maßstäben, die das gesellschaftliche Zusammenleben prägen. Religion(en) beeinflussen das soziale und politische Leben in ambivalenter Weise: Dem Potential für Frieden und Gerechtigkeit stehen Gefahren, die von religiöser Radikalisierung und Fanatismus ausgehen, gegenüber.

Sozialethische Befassung mit Religion – mit Religion als sozialem Phänomen im Allgemeinen, mit den christlichen Kirchen und ihrer sich verändernden gesellschaftlichen Stellung und Bedeutung im Besonderen – muss diese Ambivalenz reflektieren. Verschiedene Forschungsprojekte sind diesem Aufgabenfeld zugeordnet. Thematische Schnittstellen gibt es zum Schwerpunkt Sozialethische Ekklesiologie.

Vorgestellt wird das laufende Projekt "Religionspolitik in liberalen Demokratien" sowie mehrere abgeschlossene Forschungsarbeiten.

  • Religionspolitik in liberalen Demokratien

    Unter dem Thema "Religionspolitik in liberalen Demokratien" läuft eine Lehr- und Forschungskooperation (seit 2020) mit dem interdisziplinären Master-Programm "Religion, Wirtschaft, Politik" der Universitäten Basel, Luzern und Zürich. Die Verantwortlichen, Prof. Dr. Antonius Liedhegener und Prof. Dr. Jens Köhrsen, verbinden die über drei Jahre entwickelte Lehrkooperation mit der Erarbeitung eines gemeinsamen Buches "Religion, Wirtschaft und Politik interdisziplinär. Grundlagen und neue Forschungsfelder" (Nomos-TVZ-open access, in Planung für Herbst 2024).

    In weltanschaulich und religiös diversen Gesellschaften der Gegenwart erweist sich Religion als Thema mit hoher politischer Bedeutung: Partikulare religiöse und weltanschauliche Überzeugungen erheben öffentlich Anspruch auf Geltung, suchen Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen und werden eben deshalb häufig zum Gegenstand von Konflikten.

    Liberal-demokratische Gesellschaften basieren auf der Anerkennung grundlegender Freiheitsrechte ihrer Bürger:innen (und teilweise auch der ohne Bürgerstatus im Land Lebenden). Die Freiheit des Gewissens, des religiösen Bekenntnisses und der Religionsausübung gehört als Menschenrecht zu diesen Freiheitsansprüchen. Dennoch ist umstritten, in welchem Verhältnis Religionspolitik und Religionsfreiheit zu einander stehen (sollen); zugespitzt formuliert: Ist es die Aufgabe der Politik, die religiöse Freiheit der (aller) Bürger:innen zu schützen – oder hat sie vielmehr die Freiheit der Bürger:innen vor religiösen Ansprüchen zu schützen?

    Zu dem geplanten Band leistet Marianne Heimbach-Steins zwei Beiträge: (1) einen sozialethischen Text zum Thema "Religionspolitik in liberalen Demokratien", der das skizzierte Programm ausarbeitet sowie (2) einen Beitrag in Co-Autor:inschaft mit dem Politikwissenschaftler Antonius Liedhegener, in dem sozialethische und politikwissenschaftliche Perspektiven auf das Thema im interdisziplinären Austausch reflektiert werden.

  • Religion zwischen Privatheit und Öffentlichkeit

    Die Studie geht auf eine Vorlesung bei den Salzburger Hochschulwochen 2015 zurück und fragt nach der Präsenz von Religion im öffentlichen Raum moderner, weltanschaulich pluraler Gesellschaften. Im ersten Teil nimmt sie aus einer beobachtenden Perspektive die religiöse Pluralität und Heterogenität in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit in den Blick, reflektiert an ausgewählten Beispielen (Konflikt-)Potentiale im Umgang mit Religion in der Spannung von Privatheit und Öffentlichkeit und fragt nach einem Orientierungsmaßstab an dem sowohl religiöse Selbstartikulation im öffentlichen Raum als auch der Umgang mit Konfliktpotentialen auszurichten ist. Im zweiten Teil wird aus einer (partikularen) Innenperspektive nach dem Verhältnis von Religion und Öffentlichkeit am Beispiel der katholischen Kirche gefragt und deren Verortung in Gesellschaft und Politik reflektiert. Dabei spielt die Frage nach der Bedeutung von Öffentlichkeit als "Spielfeld" und Quelle der Kritik eine zentrale Rolle.

    Verantwortlich:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins

    Finanzierung: Eigenmittel

    Laufzeit: 2017 bis 2018

  • Das Recht auf Religionsfreiheit und das Ethos der Religionsfreiheit. Rechtsethische und theologisch-sozialethische Annäherungen

    DFG
    © DFG
    Exzellenzclusters "Religion und Politik"
    © Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Das Projekt "Das Recht auf Religionsfreiheit und das Ethos der Religionsfreiheit. Rechtsethische und theologisch-sozialethische Annäherungen" wurde im Rahmen des Exzellenzclusters durchgeführt und im Jahr 2012 abgeschlossen. Rechtsethische und theologisch-sozialethische Annäherungen" wurde im Berichtszeitraum abgeschlossen. Projektergebnisse liegen in zwei Buchveröffentlichungen sowie einer Reihe von Beiträgen in Büchern und Zeitschriften aus der Hand der Projektleiterin sowie des Projektmitarbeiters Dr. Daniel Bogner vor.

    Das Projekt hat zwei Ziele verfolgt: (1.) die Provokationen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit für Gesellschaft, Staat und Religionsgemeinschaften in sozialethischer Hinsicht zu identifizieren und auf ihre ethischen Problemkerne hin zu reflektieren, um (2.) Konturen eines Ethos der Religionsfreiheit für den Kontext weltanschaulich und religiös pluraler (europäischer) Gesellschaften zu erarbeiten. Der Zusammenhang von Religionsfreiheit als Recht und als sozialethische Herausforderung wird zweigleisig bearbeitet: Zum einen bezogen auf die „Innenseite“ der (verfassten) Religion, schwerpunktmäßig am Beispiel der katholischen Kirche; zum anderen bezogen auf die rechtliche Rahmensetzung für die freiheitliche Religionsausübung in religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaften.

    Die "Innenseite" der Religion wird, exemplarisch anhand der katholischen Kirche, daraufhin untersucht, wie sich die Anerkennung des Rechtes auf Religionsfreiheit als Provokation an Kohärenz und Konsistenz von religiöser Lehre und (institutioneller) Praxis auswirkt und welche Anforderungen an das Ethos der individuellen und kollektiven Religionsausübung daraus im Kontext religiös und weltanschaulich pluraler moderner Gesellschaften erwachsen. An diesen Fragen arbeitet Marianne Heimbach-Steins seit längerer Zeit. Erträge ihrer Untersuchungen liegen jetzt vor in der Monographie "Religionsfreiheit. Ein Menschenrecht unter Druck", die im August 2012 im Schöningh-Verlag, Paderborn, erschienen ist.

    Die "Außenseite" der Religion wird – vor allem anhand einschlägiger Urteile des BVerfG – untersucht: mit welchen Vorverständnissen im Recht als institutionellem Regulativ freier Religionsausübung auf Religion rekurriert wird, welche Eigenschaften, Dynamiken etc. dabei den Religionen bzw. religiösen Akteuren zugeschrieben werden und wie sich dies mit einem theologischen Verständnis von Religion (aus christlicher Perspektive) verträgt. Dieses Vorhaben wird federführend von Dr. Daniel Bogner bearbeitet.

    Erträge der an diese Projektlinie anschließenden religionspolitischen Diskussion, die u. a. im Rahmen der interdisziplinären Tagung "Freiheit, Gleichheit, Religion. Religionspolitik als neue Herausforderung" im Februar 2011 (vgl. Tätigkeitsbericht 2011) geführt werden konnte, liegen in einem Dokumentationsband mit Beiträgen der Tagung sowie weiteren Texten aus verschiedenen Disziplinen zum Thema vor: Daniel Bogner / Marianne Heimbach-Steins (Hg.), Freiheit, Gleichheit, Religion. Orientierungen moderner Religionspolitik, Würzburg (Ergon) 2012.

    Verantwortlich:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins

    Finanzierung:

    • Eigenmittel
    • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    • Projektmittel im Rahmen des Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Laufzeit: 2009 bis 2012