Sozialethische Ekklesiologie

Ekklesiologie ist die theologische Lehre von der Kirche. Neben Dogmatik und Pastoraltheologie befasst sich auch die Christliche Sozialethik mit diesem Themenfeld. Als Theologische Ethik der gesellschaftlichen Institutionen nimmt sie selbstverständlich auch die Institution der Kirche selbst in ihrem Anspruch, Handeln und Selbstverständnis in den Blick. Diesem Schwerpunkt sind u. a. Arbeiten zum Thema Macht und Machtmissbrauch, zur Aufarbeitung von (sexuellem) Missbrauch und zur Prävention in der katholischen Kirche sowie der Umgang mit Diversität im kirchlichen Kontext zugeordnet. Kirchliche und kirchenpolitische Entwicklungen, u. a. in Zusammenhang mit dem Synodalen Weg, werden ebenso begleitet wie offizielle kirchliche Verlautbarungen zu sozialethischen Fragen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kirche selbst gelesen und kommentiert werden.

Viele Fragen, die in diesen Zusammenhängen zu bearbeiten sind, lassen sich unter dem Rahmenthema "Kirche und Menschenrechte" bzw. "Menschenrechte in der Kirche" versammeln. Dazu wurden am ICS mehrere Projekte durchgeführt und eine Reihe von Publikationen erarbeitet.  

Die Forschung in diesem Bereich steht im Zusammenhang mit den Projekten auf dem Gebiet der Theologisch-Ethischen Genderforschung, die gesondert aufgeführt werden.

Untenstehend finden Sie detaillierte Berichte aus dem laufenden Projekt "Menschenrechte in der Kirche – Inklusive Kirche" sowie aus verschiedenen abgeschlossenen Projekten.

  • Menschenrechte in der Kirche – Inklusive Kirche

    Die Frage, inwiefern das Handeln der katholischen Kirche mit den Menschenrechten kompatibel ist, betrifft u. a. die Anerkennung der Würde und queerer Personen, ein Thema, das in den Suchprozessen des Synodalen Weges (Forum IV: Leben in gelingenden Beziehungen) intensiv bearbeitet wird. Im Berichtszeitraum hat Marianne Heimbach-Steins einen Argumentationsgang für die Anerkennung inter- und transgeschlechtlicher Personen in der katholischen Kirche (und insbesondere zur Überwindung der lehrmäßigen Hürden in der offiziellen Sexuallehre der Kirche) ausgearbeitet und u.a. bei Online-Hearings am 23.08. und 29.08.2022 zur Vorbereitung der IV. Synodalversammlung vorgestellt.

    Das Themenfeld weist breite Überschneidungen zum Feld Genderforschung auf.

    M. Heimbach-Steins, Inklusive Kirche? In: M. Gräve/H. Johannemann/M. Klein (Hg.), Katholisch und queer? Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln, Paderborn 2021, 278-285.

    M. Heimbach-Steins, L’exigence de l’inclusion des droits de l’Homme et la position de l’Eglise à l’encontre des minorités sexuelles, in: L’universalité des droits humains. Revue d’éthique et de la théologie morale 2022 / HS 19 Août 22, ed. M. Feix et F. Trautmann, Paris (Cerf), 289-302.

    Verantwortlich:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins

    Finanzierung: Eigenmittel

  • Menschenrechtsrezeption der katholischen Kirche

    DFG
    © DFG
    Exzellenzclusters "Religion und Politik"
    © Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Die Enzyklika Pacem in terris (1963) und das Zweite Vatikanische Konzil sind Marksteine der späten Anerkennung der Menschenrechte in der katholischen Kirche. Bei allen positiven Entwicklungen in den letzten Pontifikaten, die es erlauben, die Kirche heute als "Menschenrechtsorganisation" (D. Witschen) zu bezeichnen, sind jedoch sowohl im Hinblick auf die Beteiligung der katholischen Kirche (bzw. des Heiligen Stuhls als Völkerrechtssubjekt) an der weltweiten Menschenrechtspolitik als auch im kirchlichen Innenverhältnis gewichtige Defizite im Hinblick auf die volle Anerkennung von Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte zu konstatieren. Fragen nach dem Stellenwert der Menschenrechte für die institutionelle Gestalt und die rechtliche Ordnung der Kirche sowie für die Kommunikation zwischen Gläubigen und Hierarchie werden in diesem Projekt verknüpft mit einer theologischen und historischen Erforschung der theoretischen und praktischen Potentiale, aber auch Blockaden der Aneignung und Bereicherung menschenrechtlichen Denkens und menschenrechtlicher Praxis im Kontext der katholischen Kirche. Das sozialethische Forschungsprojekt wird durch Einzelforschung der Beteiligten, interdisziplinäre Fachtagungen und die Entwicklung eines Netzwerkes menschenrechtsbezogener theologischer, historischer und gesellschaftswissenschaftlicher Forschung entwickelt. Es steht in enger Wechselwirkung mit dem Schwerpunkt "Religionsfreiheit und Religionspolitik".

    Im Anschluss an eine Tagung zum Thema dieses Forschungsprojektes, die im März 2017 im DHI Roma stattfand, wurden die Beiträge und Ergebnisse für eine Buchpublikation aufbereitet. Das Buch erschien im Frühjahr 2018 in der Schriftenreihe des ICS "Gesellschaft – Ethik – Religion" (Bd. 12):  

    Baumeister, Martin / Böhnke, Michael / Heimbach-Steins, Marianne / Wendel, Saskia (Hg.):„Menschenrechte in der katholischen Kirche. Historische, systematische und praktische Perspektiven (GER12).”Paderborn: Schöningh, 2018.

    Verantwortlich:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins

    Kooperation:

    • Prof. Dr. Martin Baumeister, Deutsches Historisches Institut, Rom
    • Prof. Dr. Michael Böhnke, Institut für Katholische Theologie, Bergische Universität Wuppertal
    • Prof.'in Dr. Saskia Wendel, Institut für Katholische Theologie, Universität zu Köln

    Finanzierung:

    • Eigenmittel
    • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Tagungsförderung
    • Projektmittel Exzellenzcluster "Religion und Politik"

    Laufzeit: 2013 bis 2018

    Schwerpunkt- bzw. projektbezogene Publikationen:

    Heimbach-Steins, Marianne, Hilpert, Konrad. 2018. „Anerkennung der Religions- und Gewissensfreiheit. Konsequenzen und neue Fragen.“ In Menschenrechte in der katholischen Kirche. Historische, systematische und praktische Perspektiven, herausgegeben von Baumeister, Martin, 175-194. Paderborn: Schönigh.

    Heimbach-Steins, Marianne. 2017. „Menschenrechte - Potentiale und Provokationen.“ In Aggiornamento - damals und heute. Perspektiven für die Zukunft, herausgegeben von Schavan, Annette, Zollner SJ, Hans, 72-85. Freiburg i.Br.: Herder-Verlag.

    Heimbach-Steins, Marianne (Hg.): Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 55: Menschenrechte in der katholischen Kirche. Münster: Aschendorff 2014.

  • Identitätspolitik katholischer Akteure im Bildungs- und Sozialbereich

    © DFG
    Exzellenzclusters "Religion und Politik"
    © Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    In dem Forschungsvorhaben "Identitätspoltiken katholischer Aktuere im Bildungs- und Sozialbereich" wurden Wechselwirkungen von Auftrag und Selbstverständnis katholischer Einrichtungen analysiert. Schulen und Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft, die mit den gesellschaftlichen, ökonomischen und kirchlichen Rahmenbedingungen und Erwartungen konfrontiert sind, wurden in empirischen Studien sowie in Dokumentenanalysen auf ihre genuin konfessionellen Identitäten hin befragt. Katholische Trägerorganisationen sowie ökonomische Konkurrenzverhältnisse und gesellschaftliche Ansprüche beeinflussen das Handeln der Akteure; Erwartungen der Adressat:innen, Klient:innen" und Arbeitnehmer:innen spielen eine maßgebliche Rolle in der Bestimmung der konfessionellen Identität. Besondere Akzente konnten durch die Kooperation mit Praxispartnern in beiden Handlungsfeldern gesetzt werden. Nachdem 2017 zentrale Erträge zu dem Arbeitsfeld katholischer Krankenhäuser als als Sammelband vorgelegt werden konnten (Heimbach-Steins, Marianne / Schüller, Thomas / Wolf, Judith (Hg.): Katholische Krankenhäuser – Herausgeforderte Identität (GER 9), Paderborn: Schöningh 2017), ist Anfang 2019 ein weiterer Band zum Profil katholischer Schulen (Herausgeberinnen: Judith Könemann und Denise Spiekermann [vorm. Motzigkeit]) erschienen:

    Könemann, Judith / Spiekermann, Denise (Hg.): „Katholische Schulen. Herausgeforderte Identität (GER 14).” Paderborn, Schöningh, 2019.

    Der Band fokussiert die Frage, worin das "Katholische" einer katholischen Schule besteht. Das religiös-konfessionelle Label in Bezug auf Bildung und Erziehung als Hauptanliegen von Schule adäquat zu füllen, ist mit Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen und die verschiedenen Akteursebenen eine schwierige Aufgabe. Die Schulen müssen sowohl kirchliche als auch staatliche Ansprüche erfüllen und sehen sich nicht zuletzt Erwartungen von Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern gegenüber. Die Beiträge repräsentieren verschiedene wissenschaftliche (theologische, pädagogische und juristische) Zugänge sowie Erfahrungen aus der Praxis (Elternvertretung, Lehrer:innen, Schulleitung, Schulträger). Indem sie verschiedene Perspektiven und Akteursebenen reflektieren, regen sie einen Austausch zwischen Theorie und Praxis an und zeigen Verbindungen zwischen den überlappenden Handlungsfeldern von Schule, Kirche und Erziehungssystem auf. Die Programmatik katholischer Schulen wird aus religionspädagogischer und aus Sicht der Schulforschung analysiert und anhand von Praxisbeispielen auf den Prüfstand gestellt. Mit dem Erscheinen dieses Bandes ist das Projekt abgeschlossen.

    Verantwortlich:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins

    Mitarbeiter:

    • Denise Spiekermann (vormals Motzigkeit) (bis Oktober 2016)

    Kooperation:

    • Prof.'in Dr. Judith Könemann (Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik)
    • Prof. Dr. Thomas Schüller (Institut für Kanonisches Recht)
    • Denise Motzigkeit, M.Ed. (Institut für Christliche Sozialwissenschaften)
    • Akademie des Bistums Essen DIE WOLFSBURG (Dr. Judith Wolf)

    Finanzierung:

    • Eigenmittel
    • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
    • Projektmittel im Rahmen des Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Laufzeit: 2012 bis 2019

    Schwerpunkt- bzw. projektbezogene Publikationen:

    Heimbach-Steins, Marianne/Schüller, Thomas/Wolf, Judith (Hg.): Katholische Krankenhäuser – Herausgeforderte Identität? Paderborn: Schöningh, 2017.

    Könemann, Judith/Spiekermann, Denise, (Hg.): Katholische Schulen – Herausgeforderte Identität. Paderborn: Schöningh, 2019.

  • Kritik von Innen

    Exzellenzclusters "Religion und Politik"
    © Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Kritische Impulse aus dem Innenraum religiöser Praxis haben stets zu neuen Sozialformen und Ausdrucksgestalten des christlichen Glaubens im Rahmen der Kirche geführt (Schismen, Konfessionsbildungen, Orden und Reformbewegungen, theologische Aufbrüche etc.). Kritik ist in beträchtlichem Ausmaß aus der bewussten Rückkehr (retour aux sources) zu den Gründungsimpulsen der Glaubensgemeinschaft motiviert. Dennoch wäre es kurzschlüssig, Wirkweise und Gestalt innerkirchlicher Kritik allein aus dem innerreligiösen Kräftespiel zu erklären. Vielmehr sind Ausdrucksformen der Kritik in Relation zu Entwicklungen des jeweiligen gesellschaftlichen, kulturellen und mentalen Kontextes zu sehen: Innerreligiöse Kritik, so die Hypothese, lässt sich nur aus der Wechselwirkung zwischen "religiösem Erbe" und sozialem Kontext bzw. zwischen dem Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft und den "Anleihen", welche die Kritik von außerhalb des religiösen Feldes bezieht, verstehen. Das Forschungsvorhaben untersucht verschiedene Typen von Kritik und Protest in der katholischen Kirche anhand der Fokussierung auf innerkirchliche Gruppierungen wie "Wir sind Kirche", die explizit Reformen hinsichtlich einer synodal verfassten Kirche fordern, und Neuen Geistlichen Gemeinschaften, deren innerkirchliche Impulse sich auf neue Formen der Evangelisierung und die Vermittlung von Glaubenswissen beziehen. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zu einer sozialethischen Ekklesiologie, indem es die unterschiedlichen (kirchenpolitischen) Strömungen versucht zu relationieren und dabei die jeweils vertretenen Wertorientierungen in ihrer eigenen Ausdrucksgestalt würdigt.

    Titel des Projekts: Kritik von innen. Modelle sozialen Wandels in der katholischen Kirche (Critique from inside. Patterns of social change in the Catholic Church)

    Mitarbeit:

    • Prof.'in Dr. Marianne Heimbach-Steins
    • Dr. Julia Enxing (bis Juli 2015)
    • Denise Spiekermann (vormals Motzigkeit), M.Ed. (bis September 2016)

    Finanzierung: Projekt C2-10 im Rahmen des Exzellenzclusters "Religion und Politik"

    Laufzeit: 2013 bis 2016

    Schwerpunkt- bzw. projektbezogene Publikationen:

    Enxing, Julia / Motzigkeit, Denise (2015): Prüfet alles und behaltet das Gute: über das Ringen um das Katholisch. In: Herder Korrespondenz 69, 239–243.

    Enxing, Julia (2014): Guerilla Gardening – Grüner Protest: seine Bedeutung für Visionen und Widerstände in der Kirche. In: Journal of the European Society of Women in Theological Research 22: Resistance and Visions – Postcolonial, Post-secular and Queer Contributions to Theology and the Study of Religions. Leuven: Peeters, 119–137.

    Enxing, Julia (2015): Rez. zu Fendel, Peter / Kern, Benedikt / Ramminger, Michael (Hg.): Tun wir nicht, als sei alles in Ordnung! (EG 211): ein politisch-theologischer Kommentar zu Evangelii Gaudium. Münster: Edition ITP-Kompass, Bd. 17, 2014. In: Stimmen der Zeit 233.