Muhammad Salim Abdullah
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„Wir sind Gottes und zu Ihm kehren wir zurück“ (Koran 2:156)

Zum Tode von Muhammad Salim Abdullah,
Seniordirektor des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland Amina Abdullah Stiftung e.V.

von Daniel Roters

Mit Muhammad Salim Abdullah verlieren die Muslime in Deutschland einen Chronisten ihrer Geschichte. Der 1931 in Bad Salzuflen geborene Salim Abdullah war Seniordirektor des vom syrischen Studenten Nafi Teschelbi 1927 in Berlin gegründeten Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland, auf dessen Initiative 1986 in Berlin der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland gegründet worden war.

Als Journalist, der unter anderem die Islam-Berichterstattung der Deutschen Welle initiierte und maßgeblich prägte, berichtete er über weltpolitische Ereignisse, kommentierte und erklärte aber auch religionspolitische Ereignisse in Deutschland. Insbesondere in den 80er und 90er Jahren setzte er sich für die Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts ein und wirkte bei der Gestaltung erster Lehrpläne in Nordrhein-Westfalen mit. Als Dozierender war er zeitweilig für die theologische Ausbildung von Lehrern verantwortlich. Als Herausgeber verantwortete er das Nachrichtenbulletin „Islam-Echo“ und die Studienreihe „ZeitZeichen“, die sich insbesondere mit historischen Themen rund um den Islam und die Geschichte der Muslime in Deutschland auseinandersetzte. Außerdem gab er die „Moslemische Revue“ heraus, die älteste islamische Zeitung im deutschsprachigen Raum, die bereits seit 1924 erscheint.

1982 war Salim Abdullah Mitbegründer der Christlich-Islamischen Gesellschaft. Nicht nur war er mit christlichen Organisationen und deren Vertretern vernetzt, er hospitierte auch bei den meisten Islamverbänden in Deutschland und erwarb sich einen Ruf als hervorragend informierter Gesprächspartner. In vielen Gremien trug er maßgeblich zur Repräsentation von muslimischen Interessen für die deutsche Gesellschaft bei.

Mit Weggefährten, darunter Persönlichkeiten wie Murad Wilfried Hofmann, Abdoldjavad Falaturi und Mohammed Hobom, setzte er sich für eine Verständigung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ein. Seine mit Adel Theodor Khoury herausgegebene und preisgekrönte Koranübertragung in die deutsche Sprache zeugt von seinem Ansinnen des Dialogs der Religionen. Zu seinem 75. Geburtstag erschien eine Arbeitsbiografie unter dem Titel „Brückenbauer – Genese des Dialogs der Abrahamserben in Deutschland“, die seine Dialogarbeit dokumentiert. Zahlreiche weitere Veröffentlichungen zeugen von den Fragen, die Muhammad Salim Abdullah beschäftigten, darunter „Geschichte des Islams in Deutschland“, „Halbmond unter dem Preußenadler. Die Geschichte der islamischen Gemeinde in Preußen (1731–1934)“, „Mohammed für Christen. Eine Herausforderung“, „Islam – für das Gespräch mit Christen“, „Muslimische Identität und Wege zum Gespräch“.

Politisch war Salim Abdullah als Mitglied des Islamischen Weltkongresses aktiv, vertrat diesen bei den Vereinten Nationen und war zeitweilig dessen Vizepräsident. Während seiner Amtszeit entging er zwei Mordanschlägen. Unter anderem wurde seine Familie durch Metin Kaplan, dem türkischen Extremisten bedroht, der 2004 schließlich in die Türkei abgeschoben wurde.

In Erinnerung wird er jedoch vor allem als Chronist der Geschichte der Muslime in Deutschland bleiben. Die Veröffentlichung „… Und gab ihnen sein Königswort. Berlin – Preußen – Bundesrepublik. Ein Abriss der Geschichte der islamischen Minderheit in Deutschland“ zeichnet die reiche, bisweilen aber unbekannte Geschichte von Muslimen in Deutschland nach, die bis in das frühe 18. Jahrhundert verfolgt werden kann. In seinem Archiv verwahrte er zahlreiche Zeugnisse der muslimischen Gemeinschaften in diesem Land, stellte sie der Wissenschaft zur Verfügung und begleitete auf diese Art und Weise unzählige Studierende und Wissenschaftler bei der Erforschung historischer und theologischer Fragestellungen.

Trotz seines Alters und von schwerer Krankheit gezeichnet arbeitete Salim Abdullah bis zuletzt an neuen Projekten und dokumentierte die Debatten um den Islam in Deutschland. Gerade die Frage von Identität war für Salim Abdullah eine der bedeutendsten Fragen, war seine Biografie doch geprägt davon, seine bosnischen Wurzeln tiefer zu erkunden. Gleichzeitig erlebte er die Schrecken des Dritten Reiches und setzte aus dieser Erfahrung heraus umso mehr auf die Kraft der Versöhnung und Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen.

Seine letzte Ehrung empfing Herr Abdullah am 9. Januar 2015 für sein Lebenswerk an der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster, die sein Engagement für den Dialog und die Dokumentation des Islams in Deutschland würdigte. Herr Abdullah zeigte sich im Beisein von 400 geladenen Gästen erfreut darüber, mit dem Zentrum für Islamische Theologie einen zuverlässigen Partner gefunden zu haben, um das Zentralinstitut fortzuführen und sicherzustellen, dass das reichhaltige Archiv der wissenschaftlichen Forschung auch in Zukunft zur Verfügung steht. „Ich habe eigentlich gar nicht viel erreicht“, sagte er manchmal, nachdem er bereits um 4 Uhr morgens aufgestanden war, um die Berichterstattung zu sondieren. Gleichzeitig machte er stets deutlich, dass er lediglich ein Chronist und Verwalter sei, dessen Aufgabe es sei, die Geschichte der Muslime in Deutschland für die Zukunft zu archivieren.

Muhammad Salim Abdullah verstarb am 27.10.2016 um 10.54 Uhr in seinem 85. Lebensjahr nach einem reichen, bewegten und geprüften Leben.

Die Studierenden und Mitarbeiter des Zentrums für Islamische Theologie Münster drücken ihre große Dankbarkeit und ihr tief empfundenes Beileid für seine Angehörigen aus. Möge der allbarmherzige Gott gnädig mit seiner Seele sein und ihr Frieden schenken. Die Beisetzung fand auf dem Parkfriedhof in Hamm-Herringen statt.