Verkehrsinfrastrukturen in Münster
Verkehrsinfrastrukturen in Münster

In unserer heutigen Vorstellung sind Wege gut gepflegt, sehr oft asphaltiert, für gewöhnlich stets passierbar. Hindernisse durch umgestürzte Bäume oder Überschwemmungen stellen die Ausnahme dar. Das galt allerdings für die Zeit vor 1800 in Westfalen keineswegs. Befestigte Straßen waren selten. Noch 1808 wird die große öffentliche Heerstraße von Münster nach Düsseldorf als sumpfig und unpassierbar beschrieben, auf der sich Loch an Loch reihe sowie Pferde und Wagen im Morast stecken blieben. Zu einem Durchbruch im westfälischen Straßenbau kam es erst mit den französischen Kunststraßen in napoleonischer Zeit. Die französischen Besatzer brachten nämlich eine neue Form des Wegebaus mit: die Chaussee. Diese war aus dichten Packlagen fester Steine hergestellt und mit angemessener Wölbung zum Wasserabzug, mit regelmäßigem Gefälle der Fahrbahn, Seitengräben und Brücken versehen. Insgesamt 91 Meilen Kunststraße (etwa 600 Kilometer) wurden in Westfalen zwischen 1806 und 1813 angelegt, darunter auch die große Militärstraße von Wesel über Haltern nach Münster und Hamburg. Deren Abschnitt zwischen Münster und Bremen wurde zwischen 1811 bis 1813 ausgebaut – allerdings nicht durchgängig gleich gut befestigt. Es handelt sich in etwa um die heutige B 51, die im westfälischen Raum von Münster nach Osnabrück führt.

An diese Verbesserungen der französischen Zeit knüpfte die preußische Regierung nach 1815 an. Die überregionalen Verbindungen wurden Aufgabe des Staates und daher auch als „Staatsstraßen“ bezeichnet. Die ersten durchgehenden ,,Staatschausseen“ in Westfalen waren die Strecken Minden–Wiedenbrück–Erwitte–Olpe–Koblenz, Minden–Münster–Wesel, die Köln–Berliner Straße über Schwelm–Unna–Paderborn, Münster–Hamm–Arnsberg und neben anderen die Straße Arnsberg–Brilon–Beverungen–Kassel. Durch die Gründung des „Deutschen Zollvereins“ im Jahre 1834 unter Fortfall hemmender Zollschranken wurde der Straßenbau auch über Ländergrenzen hinweg weiter vorangetrieben.

1860 waren im Regierungsbezirk Münster bereits 440 Kilometer befestigter Überlandwege fertiggestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt führten in der engeren Region Chausseen von Münster über Greven, Saerbeck nach Ibbenbüren (B 219), über Burgsteinfurt nach Gronau (B 54), nach Bocholt (B 67), nach Hamm (B 63) und Dortmund (B 54) sowie über Telgte, Warendorf, Rheda und Wiedenbrück nach Paderborn (B 64). Damit waren bereits die noch heute vorhandenen Hauptverkehrsstraßen Münsters fertiggestellt. Allerdings wurden diese Linien später noch untereinander verbunden und auch das untergeordnete Wegenetz ausgebaut.

Der staatliche Chausseebau stand zunächst unter der Aufsicht des Preußischen Ministeriums für Handel, Gewerbe und Bauwesen, das auch die Finanzierung aus Staatsmitteln sicherstellte. Die Zuständigkeit wechselte später direkt zum Finanzministerium. Für den Bau und die Unterhaltung von Wegen mit einem geringeren Verkehrswert waren die Landkreise und Gemeinden verantwortlich. Per Gesetz vom 8. Juli 1875 wurde die Verwaltung der Staatschausseen allerdings dem Provinzialverband von Westfalen – dem Rechtsvorgänger des heutigen Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe – übertragen. Zum 1. Januar 1877 trat diese Änderung in Kraft („Dotationsgesetzgebung“), 1882 gingen auch die Bezirksstraßen auf den Verband über – insgesamt 2.440 Kilometer Strecke. Mit der Übertragung der Straßenbaulast auf die Provinzialverbände versprach sich der Gesetzgeber eine fachlich bessere Betreuung, eine erhebliche Vereinfachung der Verwaltung und auch finanzielles Engagement.

Mit der Übergabe des Straßenbaus an den Provinzialverband wurde auch eine zentral geführte Wegebauverwaltung für Westfalen eingeführt. Waren die straßenbaulichen Maßnahmen zuvor von der Bezirksregierung über die Landkreise ausgeführt worden, wurden sie nun einem eigenen Landesbaurat unterstellt. Die Wegebauverwaltung teilte sich in Wegebauinspektionen unter Leitung von Landesbauinspektoren auf, denen wiederum Wegemeisterbezirke unterstanden, denen Wegewärter für bestimmte Straßenabschnitte zugewiesen waren. Staatschausseen und Bezirksstraßen wurden dadurch zu sogenannten Provinzialstraßen. Während Münster mit dem westlichen Teil des Münsterlandes zur Wegebauinspektion I: Münster gehörte, zählten die Altkreise Warendorf und Beckum als Vorgänger des heutigen Kreises Warendorf zur Wegebauispektion VIII: Minden-Ravensberg. Erst 1934 wurden wieder Reichsstraßen, Landstraßen I. Ordnung und Landstraßen II. Ordnung unterschieden, die vom Reich, vom Provinzialverband und den Kreis- und Kommunalverbänden getragen wurden.

Vor allem die Erfindung des Automobils gegen Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusste den Straßenbau maßgeblich. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1914–1918) stieg die Zahl von motorbetriebenen Fahrzeugen sowie deren Fahrleistung enorm an. Da nun auch zunehmend Waren über die Straße transportiert wurden, setzte man vermehrt Lastkraftwagen ein. Für die schweren Transporter waren allerdings die vorhandenen Chausseen nicht ausgelegt, sodass sich insbesondere in der Finanzdepression nach dem Ersten Weltkrieg der Zustand der Fahrbahnen merklich verschlechterte. Für Reparatur und Ausbau des Straßennetzes standen dem Provinzialverband jedoch auch während der kurzen Wirtschaftsblüte nach 1924 nur wenig Mittel zur Verfügung. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 konnten nur noch wenige Stadt- und Landkreise den Straßenbau fördern. Nichtsdestotrotz stand Ende 1930 in Westfalen ein überörtliches Straßennetz von gut 11.000 Kilometern zur Verfügung.

Ausbau der Eisenbahn und Wasserstraßen

Im Zuge der Industrialisierung verstärkte sich der Warenverkehr immens. Da die benötigten Rohstoffe und Produkte in großen Mengen transportiert werden mussten und/oder ein hohes Gewicht aufwiesen, kamen die Fuhrwerke auf den Straßen schnell an ihre Grenzen. Die Eisenbahn bot zur Verschickung von Gütern daher bessere Möglichkeiten. Für die Stadt Münster war vor allem der Bau der Strecken Hamm–Münster (1848), Münster–Rheine (1856), Münster–Osnabrück 1871, Münster–Gronau (1875), Münster–Lünen (1924) sowie die Umgehungsbahn (1930) von Bedeutung, die die Stadt zu einem wichtigen Knotenpunkt im westfälischen Schienenverkehr und darüber hinaus werden ließen. Einen ersten Bahnhof erhielt Münster schon 1848 als Endstation der Stichbahn von Hamm nach Münster. Das Gebäude wurde vor dem Servatii-Tor zwischen dem heutigen Albersloher Weg und der Wolbecker Straße errichtet. 1890 erfolgte die Fertigstellung des Zentralbahnhofs, dessen Gebäude zwischen 1928 und 1930 modernisiert und umgebaut wurde. Nach der vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg konnte die Anfang der 1950er Jahre begonnenen Arbeiten am neuen Bahnhof 1960 beendet werden.

Darüber hinaus setzte man Ende des 19. Jahrhunderts zudem auf Wasserstraßen. Künstlich angelegte Kanäle sollten das binnenländische Westfalen mit den größeren schiffbaren Flüssen bzw. mit dem Meer verbinden. Während derartige Visionen das gesamte 19. Jahrhundert umspannten, kam es zu konkreten Plänen erst nach der Reichsgründung 1871, weil durch diese Einigung die deutsche „Kleinstaaterei“ überwunden worden war. Allerdings schlugen für den westfälischen Raum mehrere Vorhaben fehl, wie ein projektierter Lippe-Ems- oder Rhein-Elbe-Kanal. Zur Ausführung kam der Dortmund-Ems-Kanal, der nach nur siebenjähriger Bauzeit am 11. August 1899 als erster der großen Binnenschifffahrtskanäle durch Kaiser Wilhelm II. feierlich eröffnet wurde und bis heute genutzt wird.

Ein frühes münsterisches Kanalprojekt, das bis heute im Landschaftsbild erhalten ist, war der Max-Clemens-Kanal – benannt nach dem münsterischen Fürstbischof Clemens August I. von Bayern (1700–1761, ab 1719 Fürstbischof von Münster). Diese Wasserstraße wurde von der münsterischen Aa gespeist. Der Zulauf erfolgte nördlich der Enkingmühle. Diese lag am heutigen Lublinring zwischen Garten- und Kanalstraße. Der künstliche Wasserweg sollte ursprünglich Münster mit der Nordsee verbinden. Nachdem 1724 mit dem Bau begonnen worden war, fanden 1725 die ersten Probefahrten statt. 1731 wurde der Kanal dann mit einer Länge von 32 Kilometern dem Verkehr übergeben. Das Projekt wurde allerdings nie abgeschlossen, sondern der Kanal endete südlich von Rheine bei Clemens- bzw. Maxhafen. Trotzdem wurde er bis 1840 genutzt und mit von zwei Pferden gezogenen („getreidelten“) sogenannten Treckschuten (von niederdeutsch trecken ‚ziehen‘) befahren.

Flugverkehr

Bereits früh lässt sich auch in Münster eine Begeisterung für das neue Fortbewegungsmittel der Luftfahrt ausmachen. Ein schon 1909 gegründeter „Luftschiffahrtverein Münster“ bemühte sich, die Stadt in den deutschen und internationalen Luftverkehr einzubeziehen. In Kooperation mit der Stadtverwaltung wurde auf dem Exerzierplatz Loddenheide zwischen 1909 und 1911 ein Flugplatz eingerichtet, auf dem bereits 1911 ein erster Flugtag mit Zeppelinflügen abgehalten wurde.1923 entstand dort auch eine Fliegerschule. Münster war auch in das erste Luftstreckennetz zwischen Hamburg und Frankfurt eingebunden. 1929 wurde die Luftverkehrsgesellschaft Münster GmbH und die Flughafen Münster GmbH gegründet. Der Flughafen in Loddenheide wurde 1934 von der Luftwaffe übernommen. Im gleichen Jahr wurde allerdings ein neuer Zivilflughafen mit Flugzeughalle und Flughafenrestaurant beim neuen Truppenübungsplatz Handorf eingerichtet. Der Zweite Weltkrieg setzte dem Linienverkehr und dem Luftsport zunächst ein Ende.


Literatur

  • 100 Jahre Straßenbauverwaltung in Westfalen-Lippe, hrsg. v. Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 1975, S. 11–28.
  • Peter Burg, Unter der Hohenzollernherrschaft (1803–1918), 2 Bde., Warendorf 2004 (Geschichte des Kreises Warendorf 1), S. 139–151.
  • Josef Hämig, Vom Wegebau zur Autobahn. Organisation und Überlieferung der Straßenbauverwaltung in Westfalen-Lippe, in: Archivpflege in Westfalen und Lippe, Heft 46 (Oktober 1997), S. 26–34.
  • Heinrich Knüfermann, Geschichte des Max-Clemens-Kanals im Münsterland, Hildesheim 1907.
  • Alois Mayr, Entwicklung und Stellung des Raumes Münster im Luftverkehr. Ein Beitrag zur Verkehrsgeographie Nordwestdeutschlands, in: Westfalen – Nordwestdeutschland – Nordseesektor. Wilhelm Müller-Wille zum 75. Geburtstag von seinen Schülern, hrsg. v. Hans Kleinn u.a., Münster 1981, S. 157–176.
  • Klaus Tiborski, Kanalbauprojekte in Westfalen im 19. Jahrhundert, in: Archivpflege in Westfalen und Lippe, Heft 46 (Oktober 1997), S. 21–25.