Straßenbahnentwicklung in Münster
Straßenbahnentwicklung in Münster

Wissen Sie eigentlich, wo sich die „Heulende Kurve“ in Münster befand und woher dieser Name kommt? Die besagte Örtlichkeit beherbergt heute die Gaststätte „Der bunte Vogel“ (BuVo). Hier, am Alten Steinweg 41, existierte auch schon zuvor eine Kneipe, die den Namen „Heulende Kurve“ trug. Diesen hatte die Lokalität von der ehemals vor der Tür verkehrenden Straßenbahn erhalten. Wegen des engen Kurvenradius der Gleise an dieser Stelle, gab die Bahn ein heulendes, quietschendes und derart intensives Geräusch von sich, dass man sich in den Hotel- und Restauranträumen nicht mehr unterhalten konnte. Bereits 1954 war allerdings Schluss mit diesem Fortbewegungsmittel des öffentlichen Nahverkehrs in Münster. Die Gaststättenbezeichnung aber blieb und ist noch vielen Münsteranern ein Begriff. Zudem ziert das Schild des BuVos bis heute eine kleine Straßenbahn als Reminiszenz.

Die Geschichte der münsterischen Straßenbahn währte nur etwas über ein halbes Jahrhundert. Seit 1895 suchte man nach einer Lösung für die bequeme Verkehrsanbindung der neuen, in ländlichem Umfeld gelegenen Stadtteile ( Karte) an die Innenstadt. Denn Münster befand sich auf dem Weg zu einer modernen Großstadt und das vermehrte Fahrgastaufkommen war mit Lohnkutschen nicht mehr zu bewältigen. Nach ausgiebigen Beratungen wurde daher Ende März des Jahres 1900 der Bau einer elektrisch angetriebenen Straßenbahn beschlossen. Bereits am 13. Juli 1901 wurde der Betrieb aufgenommen – mit 25 Triebwagen, die auf drei Linien fuhren. Die Strecken mit einer Gesamtlänge von acht Kilometern waren zunächst eingleisig und führten vom Alten Schützenhof zur Warendorfer Straße (Gelbe Linie, ab 1925 Linie 2), vom Marienplatz zum Straßenbahndepot am Albersloher Weg (Grüne Linie, ab 1925 Linie 3) und von der Steinfurter Straße durch den nördlichen Bereich der Stadt zum Hauptbahnhof (Rote Linie, ab 1925 Linie 1). Die vorgeschrieben Höchstgeschwindigkeit betrug damals 12 km/h. Die Straßenbahn, die zunächst von der „Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co.“ aus Frankfurt a.M. gebaut und betrieben wurde, erfreute sich von Beginn an großer Beliebtheit. Bereits in der ersten Woche nach Indienststellung konnten 63.000 Fahrgäste gezählt werden. Der anfängliche 12-Minuten-Takt wurde auf 6 Minuten beschleunigt. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Pächtergesellschaft und Stadt wurde die Straßenbahn ab dem 1. April 1909 als städtischer Eigenbetrieb übernommen. Sie wurde mit den kommunalen Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerken vereinigt. Noch im selben Jahr wurden mit dem Ausbau des Schienennetzes begonnen. 1913 umfasste die Strecke bereits 12 Kilometer und es wurden fünf Millionen Fahrgäste im Jahr befördert. Während des Ersten Weltkrieges (1914–1918) diente die Straßenbahn zusätzlich für Verwundetentransporte und belieferte die fünf Volksspeisungs-Verteilerstellen mit den zentral zubereiteten Nahrungsmitteln. Im Jahr 1915 beschäftigte man nun auch Frauen im Fahrdienst, um den Mangel an im Kriegsdienst befindlicher Männer auszugleichen und den Verkehr aufrecht zu erhalten. Aufgrund der dem verlorenen Krieg folgenden wirtschaftlichen Depression und Inflation musste der Betrieb zwischen 1922 und 1924 eingestellt werden. Ab 1925 wurde dann das Schienennetz teilweise zweispurig ausgebaut und eine zusätzliche Autobuslinie eingerichtet. Da durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg das Straßenbahnnetz stark in Mitleidenschaft gezogen worden war und nur unter großen Anstrengungen genutzt werden konnte, entschieden Hauptausschuss und Rat der Stadt Münster 1954 den Betrieb einzustellen. Der öffentliche Personennahverkehr wurde nun von 1949 eingeführten Oberleitungsbussen übernommen, die aber ebenfalls wegen der Probleme, die sich aus ihrer Energieversorgung ergaben, ab 1968 durch Dieselbusse ersetzt wurden. Dadurch verschwand auch das Oberleitungsnetz aus dem Stadtbild.

Rückblende: Schon vor dem Einsatz der Straßenbahn gab es in Münster einen öffentlichen Personennahverkehr. Bereits 1888 gründete Heinrich Hagenschneider mit städtischer Genehmigung ein schienenloses Pferdeomnibusunternehmen. Man begann mit drei Wagen zur Personenbeförderung, denen sich weitere hinzugesellten. Schnell waren aber die Kapazitäten dieser Verkehrsmittel überschritten, sodass nach einer Alternative zu den begrenzten Pferdestärken gesucht werden musste: der elektrischen Straßenbahn.

Literatur

  • 25 Jahre Städtisches Elektrizitätswerk und Straßenbahn Münster i. Westf. 1902–1927, Münster 1927.
  • 100 Jahre öffentlicher Nahverkehr in Münster. Eine Reise durch die Stadtgeschichte, Münster 1988.
  • Edda Baußmann, Energie & Bewegung. 100 Jahre Stadtwerke Münster, hrsg. v. Barbara Rommé, Münster 2001.