Brauereien in Münster
Brauereien in Münster

De beste Dokter in de Stadt, de sitt in Tenckhoffs Keller,

de häff n hölten Pinn in’t Gatt un is kein Pillenteller.


So beginnt der Anfang eines Lobliedes auf die münsterische Bierkultur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das dem damals bekannten münsterländischen Straßenmusikantenpaar Flor und Kösters zugeschrieben wird. Dem goldenen Gerstensaft, hier vor allem der in der Altbierbrauerei Tenckhoff in der Jüdefelderstraße aus großen Fässern mit hölzernem Pfropfen (Pinn) ausgeschenkt wird, sagt der Dichter mehr Heilkraft nach als den hier als „Pillenzählern“ diffamierten Medizinern. Dabei war bis in die 1850er Jahre in Münster und Westfalen der Bierkonsum gar nicht so berühmt. Die Westfalen legten damals nämlich mehr Wert auf den Kornbranntwein. Nur 10 Prozent des heutigen Bierkonsums wurden damals im Westfälischen erreicht. Hochprozentiges und Kaffee hatten seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert das Bier von seinem Platz als Grundnahrungsmittel verdrängt. Das änderte sich mit dem Siegeszug des untergärigen „bairischen“ Bieres, das auch eine industrielle Produktion zuließ. Es war nicht so schnell verderblich, geschmackvoller und alkoholreicher. Vor allem die längere Haltbarkeit ermöglichte den weiteren Transport und eröffnete dadurch größere Absatzgebiete. Die Anfänge untergäriger Brauversuche in Westfalen liegen in den 1830er Jahren. Eine regelrechte Gründungswelle von Brauereien lässt sich für die 1860er und frühen 1870er Jahren feststellen. Neben den technischen Innovationen erlebte das urbane Brauwesen auch wegen der zunehmenden Verstädterung im Zuge der Industrialisierung einen Höhenflug. Die Konzentration und Massennachfrage vor allem der Arbeiter ebneten den Weg vom Brauhandwerk zur industriellen Produktion. Eine weitere Neuerung war die Rechtsform der Aktienbrauerei, durch die sich die Brauereien zu einem wichtigen Wachstumsträger der Ernährungs- und Genussmittelindustrie entwickelten.

Über ein halbes Jahrhundert setzte sich dieser Aufschwung des Biergewerbes fort, endete dann aber mit dem Ersten Weltkrieg und den sich anschließenden Not- und Depressionsjahren. Nur gut ein Drittel der vor 1914 bestehenden westfälischen Brauereien überstand diese Krise. Von diesem „Brauerei-Sterben“ waren vor allem die kleinen Gasthausbrauereien und mittelgroßen Betriebe betroffen. Die größeren Hersteller konnten hingegen expandieren. Dieser Prozess lässt sich auch an der Karte für Münster ablesen.

Literatur

  • Gitta Böth, „Baierisches Bier“ aus Westfalen. Zur Geschichte westfälischer Brauereien und Biere, Hagen 1998.
  • Karl Ellerbrock, Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie 1750–1914, Stuttgart 1993.
  • Siegfried Kessemeier, Flor und Kösters, in: Plattdeutsch macht Geschichte. Niederdeutsche Schriftlichkeit in Münster und im Münsterland im Wandel der Jahrhunderte, hrsg. v. Robert Peters u. Friedel Helga Roolfs, Münster 2008, S. 173–175.
  • Karl Stening, „Pfleget die Kindlein mit Bier“. Der Gerstensaft als altes Heilmittel und Hausgetränk, in: Münsterländer Allerlei. Essen und Trinken seit der Römerzeit, hrsg. v. Rainer A. Krewerth, Münster 2000, S. 196–202.