Des Königs neue Steuer. Praktiken preußischer Herrschaftsorganisation am Beispiel der westfälischen Akzisestädte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (ca. 1700–1756)

Steuern waren der „nervus rerum“ frühneuzeitlicher Staatlichkeit, betonten die damaligen Gelehrten. Auch die ältere Forschung zog eine Verbindungslinie zwischen den kameralistischen Ideen und dem Ausbau vormoderner Staatlichkeit. Während die älteren Studien jedoch die steuerbasierte Entstehung vormoderner Territorialstaaten als einen geradlinig verlaufenden Prozess beschrieben, heben aktuelle Studien darauf ab, dass Herrschaft und somit auch das Wirken der Verwaltungen in Steuerfragen als sozialer und kommunikativer Prozess gefasst werden muss. An diesem hatten nicht nur die „Herrscher“, sondern auch die „Beherrschten“ Anteil.

Doch fehlt es an Detailanalysen, die diese Überlegungen mit Blick auf die konkrete Verwaltungstätigkeit und auf das Verhältnis von Verwaltung und Steuerzahler hinterfragen. Hier setzt das Forschungsprojekt an, indem es die sogenannten „Akzisestädte“ im preußischen Westfalen thematisiert. Der preußische Staat erhob unter König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740, regierte ab 1713) in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einige ehemalige Dörfer zu Städten, um dort die Akzise als eine Form der indirekten Steuer einzuführen. Das Ziel war die Steigerung staatlicher Einnahmen sowie ein gleichzeitiger Ausbau verwaltungsmäßiger Strukturen. Die „Akzisestädte“ offenbaren sich damit seitens der preußischen Landesherren als ein Versuch, kameralistische Ideen gebündelt umzusetzen; die zu Städten erhobenen Gewerbesiedlungen können als Vorzeigeprojekte frühmoderner Staatlichkeit gelten.

Forschungen zu den preußischen Stadt- und Akzisereformen und insbesondere zu den Akzisestädten müssen als ein Desiderat nicht nur der westfälischen Landes- und Städte-, sondern auch der neueren Verwaltungsgeschichte des preußischen Staates gelten. Studien, die die Steuerzahlung als soziale Praxis begreifen, fehlen vollständig. Wie Untertanen, Beamte und Verwaltungsbehörden sowie die Akzisekommissare bei der Steuererhebung interagierten und sich auf diese Weise Herrschaftsstrukturen etablierten und ausgestalteten, wurde bislang nicht systematisch erforscht. In den Blick geriet vornehmlich das ständische Steuerbewilligungsrecht. Die Rolle der Untertanen blieb unbeachtet. Dabei stellen gerade Akzisestädte ein lohnendes Forschungsfeld dar, um anhand der Steuerpraktiken Verfahren und Formen lokaler Herrschaft zu untersuchen, an denen Verwaltungen und die sog. „Beherrschten“ um Einfluss rangen. Denn die Reformvorhaben zur Einführung der Akzise im preußischen Westfalen verursachten aufgrund ihrer besonderen Relevanz weitreichende Diskussionen, in die eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure eingebunden war. Auf diese Weise lassen sich Mechanismen und Verfahren der Kommunikation und Interaktion zwischen den königlichen Räten, Beamten, den Lokalverwaltungen, den an der Herrschaft partizipierenden Adligen und Landständen, den Vertretern der neuen Akzisestädte, also den Kaufleuten und Gewerbetreibenden, herausarbeiten.

Zusammenfassend heißt das: Durch die Analyse der Stadt- und Akzisereformen sollen Erkenntnisse der neueren Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte empirisch und vergleichend fruchtbar gemacht werden. Im Zentrum des Projekts stehen Praktiken und Tätigkeit der preußischen Behörden im Zusammenspiel mit lokalen Akteuren. Am Beispiel der Akzisestädte sollen Kommunikationsprozesse und Strukturen der Herrschaftsausübung dargestellt werden.

Zahlreiche Akzisestädte wurden in den Atlaswerken des Instituts für Vergleichende Städtegeschichte behandelt:

Link zur Interaktiven Kartographie der Westfälischen Akzisestädte

Link zum Artikel über den Stadttypus Akzisestadt im Portal Städtegeschichte.de

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