(C2-26) Der Ultramontanismus als transnationales und transatlantisches Phänomen 1819-1918

Transnationale und globalgeschichtliche Ansätze sind in den letzten Jahren nicht nur proklamiert, sondern auch vielversprechend umgesetzt worden. Jedoch standen vor allem Wirtschaft, Migration und Kommunikation im Mittelpunkt, nicht jedenfalls Religion. Zeigten Globalhistoriker ihr weitgehend die kalte Schulter, so kümmerten sich umgekehrt Religionsforscher wenig um globalgeschichtliche Perspektiven.

Dabei liegt im Ultramontanismus ein atemberaubend erfolgreiches Modell der transnationalen Diffusion, gar Uniformisierung des Religiösen vor. Unter der ultramontanen Bewegung seit dem frühen 19. Jahrhundert ist nicht allein die spirituelle und institutionelle Orientierung auf Rom zu verstehen, die im Unfehlbarkeitsdogma 1870 gipfelte, sondern auch die Disziplinierung der Klerusausbildung und die Vereinheitlichung von Glaubensnormen. Erstaunlicherweise wurde ausgerechnet diese weltumspannende Bewegung bislang nicht globalgeschichtlich untersucht. Vielmehr kreisen die Kontroversen um zwei Fragen: Wurde der Ultramontanismus von Rom aus gesteuert oder ihm zugetragen? War er antimodern oder progressiv? Beide Kontroversen wurden für einzelne Länder wie Frankreich oder Deutschland ausgefochten, blieben aber auf den methodologischen Nationalismus oder binationalen Vergleich beschränkt.

Deshalb ist Ziel des Projekts, die transnationale Perspektive zu nutzen, um den Debatten neue Impulse zu verleihen. Der Ultramontanismus basierte auch auf Austauschprozessen zwischen verschiedenen nationalen Katholizismen, er speiste sich aus transnational horizontalen Inspirationsquellen, aus zirkulierenden organisatorischen Strukturen, Glaubensinhalten und Praxisformen mit ihrer jeweiligen Assimilation an die spezifischen Bedingungen der Aufnahmeländer. Wie kam der Ultramontanismus nach Québec, wie nach Brasilien? Was floss nach Europa zurück? Im Weltkatholizismus standen sowohl Kleriker untereinander wie auch Laien (Missionare, Korrespondenten, Publizisten) miteinander im lebendigen Austausch. Die Verbreitungswege verliefen nicht nur nach Rom und von Rom aus allein, sondern quer über Länder und Kontinente, auch an Rom vorbei. Das meist als europäisch angesehene Phänomen wird mit dem Blick in die lateinamerikanische “Peripherie” und aus ihr heraus neu erschlossen. Im Verbund mit einem Projekt zur Transnationalität des mitteleuropäischen Katholizismus konzentriert sich das Projekt C2-26 auf die Verflechtungsgeschichte mit der spanischen und portugiesischen Sphäre Europas und Mittel- wie Südamerikas.