Reinheit des Körpers – Reinigungsrituale in den Religionen
Themenfeld der Ausstellung „Körper. Kult. Religion.“

Reinheit und Unreinheit sind wichtige Kategorien vieler Religionen. Insbesondere Wasser und Rauch dienen religiösen Reinigungsriten, die auf den Körper fokussieren. Es lassen sich zwei Arten von Reinheitsvorschriften unterscheiden: prophylaktische und katharische Vorschriften. Die ersten Bestimmungen sind präventiv und sollen den Menschen vor Unreinheiten schützen, die zweiten zeigen auf, wie man Verunreinigungen rückgängig machen kann. Was als Unreinheit gilt, das wird von Religion zu Religion unterschiedlich gesehen. Zumeist gelten jedoch Körperflüssigkeiten, das menschliche Sexualleben, Krankheiten, Leichname, geächtete Sozialkontakte und spirituelle Übel („Sünde“, „Befleckungen“) als verunreinigend.
Reinheit ist so wichtig, da in dem Glauben vieler Religionen der Mensch, der mit Gottheiten oder anderen übernatürlichen Wesen in Verbindung tritt, diesen natürlich und rein gegenübertreten soll. Um Reinheit zu erlangen, üben daher Menschen beispielsweise Askese (Fasten, Enthaltung von bestimmten Speisen, etc.) aus oder leben in temporärer oder dauerhafter sexueller Enthaltsamkeit. Auch körperliche Veränderungen wie das Rasieren der Haare oder die Beschneidung sind beliebte Formen, um körperliche Reinheit herzustellen. Oft dienen sie auch der sozialen Abgrenzung: Das Rasieren der Haare z.B. bei Mönchen und Nonnen ist ein klares Zeichen.
Die rituelle Waschung vor dem Gebet im Islam, die Benetzung mit Weihwasser in der Kirche und die Handwaschung vor dem Essen im Judentum dienen allesamt der Reinigung des Körpers, aber auch des Geistes, und sollen Unreinheiten aus dem Körper verbannen. In China dienen Urinale oder auch Spucknäpfe als Grabbeigabe, damit die Hygiene auch nach dem Tod gesichert ist.
Ausgewählte Ausstellungsstücke
Die folgenden Texte basieren auf dem Katalog zur Ausstellung:
Erhardt, S.; Graefe, J.; Lichtenberger, A.; Lohwasser, A.; Nieswandt, H.-H.; Strutwolf, H. (Hgg.): Körper. Kult. Religion. Perspektiven von der Antike bis zur Gegenwart. Münster 2024.
Silberne Levitenkanne mit Schale, Ende 19./ Anfang 20. Jahrhundert (Kat.-Nr. 137)
© Jüdisches Museum, Dorsten Die Kanne wurde für jüdische Reinigungsrituale verwendet, bei denen die sogenannten Leviten, die für den Tempeldienst zuständig waren, den Priestern die Hände wuschen, bevor diese der Gemeinde im Gottesdienst den Priestersegen erteilten. Durchgeführt wird dieses Ritual bis heute. Der Priester fungiert dabei lediglich als Verbindungsglied zwischen der Gemeinde und Gott. Bevor er auf diese Weise in Verbindung mit dem Sakralen tritt, ist es daher notwendig, dass er in den Zustand ritueller Reinheit versetzt wird. Auch in anderen Bereichen spielt diese im Judentum in unterschiedlichen Formen eine Rolle. Handwaschungen mit einem folgenden Segen erfolgen bspw. u. a. auch vor und nach einer Mahlzeit. Bei bestimmten Formen der Unreinheit ist das Untertauchen des gesamten Körpers in einer Mikwe, einem rituellen Bad, erforderlich. (exc/fbu)
Bilderbuch für Kleinkinder zur Gebetswaschung (Kat.-Nr. 141)
© Yannick Oberhaus Dieses 15 x 15 cm große Buch aus Kunststoff ist eine Leihgabe aus Privatbesitz und erklärt – hier im Themenfeld „Reinheit des Körpers“ – Kleinkindern in Bildern die einzelnen Schritte der rituellen Waschung (wuḍūᶜ) im Islam. Häufig ist der Ablauf der Waschung wie folgt: Gläubige beginnen die Waschung, indem sie ihre entsprechende Absicht dazu erklären (niyya) und „bismillāh“, zu Deutsch „im Namen Gottes“, sagen. Danach werden Mund, Nase, Gesicht und die Arme dreimal gewaschen; die Arme allerdings nur von den Fingerspitzen bis zu den Ellenbogen. Danach streicht man sich über den Kopf, die Ohren und den Nacken. Gläubige gelten ab der Geschlechtsreife als zum Gebet verpflichtet und müssen damit vor jedem Gebet diese Waschungen vollziehen. (exc/pie)
Priesterstab aus der japanischen Religion Shintō (Kat.-Nr. 147)
© Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Köln Der Priesterstab stammt aus dem Kontext der japanischen Religion Shintō und wird für Reinigungsrituale eingesetzt. Reinheit spielt im Shintō eine entscheidende Rolle: Die rituelle Reinigung (harai) dient nicht nur der religiösen Säuberung des Körpers einer Person, sondern auch dem Austreiben von nicht zuträglichen Elementen, die zu Krankheiten oder Katastrophen führen. Gereinigt werden immer sowohl der Körper als auch der Geist. Der zur Reinigung verwendete Stab wird ōnusa, nuki oder gohei genannt. Der Priester schwenkt diesen vor den – in der Regel mit gesenktem Kopf sitzenden oder stehenden – Personen nach links, rechts und links. Hierbei hängt es vom jeweiligen Schrein ab, ob währenddessen Schwenkgeräusche für die Reinigung zu- oder abträglich sind. (exc/pie)
Räucherschale, Räucherwerk und Lavendelwasser (Kat.-Nr. 144)
© Yannick Oberhaus Lavendelduftwasser und Räucherwerk sind im brasilianischen Kontext alltägliche Mittel, den eigenen Körper bzw. das direkte Umfeld wohlriechend zu gestalten. Im Kontext der afro-brasilianischen Religionen Candomblé und Umbanda dienen sie allerdings auch der spirituellen Reinheit. Körper und Räume werden mit Lavendelwasser und Räucherwerk behandelt, um „negative Energien“ abzuwehren und spirituelle Reinheit und Schutz zu gewährleisten. Spezifisches Räucherwerk, wie das hier gezeigte „Contra Olho“, dienen dazu, den sog. bösen Blick, also den Neid anderer Personen, und ggf. dadurch entstehende negative körperliche und/oder soziale Effekte zu bannen. Diese Substanzen werden sowohl im kollektiven rituellen Kontext als auch in privaten individuell-spirituellen Praktiken genutzt. Dies hängt mit einem sich in Brasilien durch alle Gesellschaftsschichten und Religionszugehörigkeiten durchziehenden Glauben an Geister zusammen, deren positiver Einfluss gefördert bzw. deren negativer Einfluss gebannt werden muss. (exc/tst)
Chinesisches Urinal aus der Jin-Zeit (265–316 n. Chr.) (Kat.-Nr. 145)
© Marion Mennicken Lange wurde über die Funktion von Objekten wie diesem gerätselt. In ungestörten Befunden in chinesischen Gräbern zeigt sich, dass solche Stücke immer zu Füßen des männlichen Bestatteten aufgestellt wurden. Daher geht man mittlerweile davon aus, dass es sich um Urinale handelt. Das hier gezeigte Urinal besteht aus der besonders in Südchina weit verbreiteten graugrün glasierten Seladonware und stammt aus dem 3. Jh. n. Chr. Bereits ab dem 5. Jh. v. Chr. lässt sich beobachten, dass unterirdische Grabanlagen in China als Spiegel der Behausungen der Lebenden konzipiert wurden. Der Hausstand des Verstorbenen wurde in kleinen, keramischen Modellen dargestellt, aber auch Objekte für den hygienischen Bedarf wie dieses Urinal waren Teil der Ausstattung. Entsprechende Pendants in Frauengräbern wurden interessanterweise noch nicht entdeckt. (exc/tst)