Bericht zur Buchvorstellung "Governance of Diversity"

mit dem Autor, Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert, sowie Kommentaren von Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, PD Dr. Oliver Hidalgo und Yasemin El-Menouar

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Die Frage, welche Strategien dem säkularen Verfassungsstaat im Umgang mit der zunehmenden kulturellen und religiösen Pluralität zur Verfügung stehen und welche Teile der Religionsverfassung in einer pluralistischen Gesellschaft unverzichtbar sind, stand im Mittelpunkt einer Buchvorstellung, die das Centrum für Religion und Moderne (CRM) am 14. November 2017 veranstaltet hat. Anlass war die Neuerscheinung des Buches „Governance of Diversity“ des Juristen Prof. Dr. Folke Gunnar Schuppert in der Schriftenreihe „Religion und Moderne“, die im Auftrag des CRM beim Campus Verlag erscheint. Neben dem Autor kamen der Jurist Prof. Dr. Hinnerk Wißmann (Westfälische Wilhelms-Universität), der Politikwissenschaftler PD Dr. Oliver Hidalgo (Universität Regensburg) und die Sozialwissenschaftlerin Dr. Yasemin El-Menouar (Bertelsmann Stiftung Gütersloh) mit Kommentaren zu Wort.

Nachdem der Autor in seinem Eingangsstatement vornehmlich skizziert hatte, über welche Lebensstationen er dazu gekommen war, die kulturelle und religiöse Diversität säkularer Gesellschaften durch die „Governance-Brille“ zu betrachten, war es Aufgabe der Kommentatoren, dem Publikum das Buch und seinen Inhalt vorzustellen und es kritisch zu würdigen. Hinnerk Wißmann lobte zunächst grundsätzlich das Lebenswerk seines Fachkollegen Schuppert, der immer wieder mit viel „Unerschrockenheit“ neue Denkansätze aus anderen Disziplinen in die Rechtswissenschaft eingebracht habe. So auch im vorliegenden Fall, in dem er sehr verschiedene Phänomene religiöser und kultureller Pluralität unter dem Dach des Governance-Konzeptes analytisch zusammenbringe und reflektiere. Gleichwohl berge eine solche „Weitwinkelperspektive“, so Wißmann, die Gefahr, die Komplexität einzelner Zusammenhänge zu übersehen, beziehungsweise bestimmte Aspekte durch normative Setzungen über- oder unterzubewerten. Das Werk habe dadurch - unterstützt durch die kompositorische Arbeitsweise des Autors - eine „immanente Tendenz zur herrschenden Meinung“.

Oliver Hidalgo attestierte dem Buch einen gut lesbaren Überblickscharakter und lobte seine kohärente Gesamtperspektive. Zugleich warf er ein, dass an einigen Stellen nicht deutlich genug gemacht werde, was genau Schuppert eigentlich unter seinem Governance-Konzept verstehe und was das Spezifische seiner Perspektive auf die einzelnen im Werk beleuchteten Phänomene sei. Yasemin El-Menouar lenkte in ihrem Kommentar den Blick auf mögliche Lösungen für aktuelle Probleme. Dabei beanstandete sie die dem Buch tendenziell zugrundeliegende Konflikt-Perspektive. Zudem lese sich die Koexistenz-Ordnung wie eine Absage daran, etwas Gemeinsames gemein zu haben. Konfliktlinien existierten zweifelsohne, aber sie verliefen eher zwischen dem religiösen und areligiösen Bereich, weniger innerhalb des religiösen Spektrums. Zu bedenken sei ferner, dass der Versuch, Konfliktlinien, die gar nicht integriert werden wollten, in Aushandlungsprozesse zusammenzuführen, scheitern müssten. Ein ganz wichtiges Instrumentarium für die Überbrückung religiöser Differenzen sei der interreligiöse Dialog, so El-Menouar.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde unter anderem hinterfragt, inwieweit der mittlerweile omnipräsente und inflationär genutzte „Catch-all“-Begriff der Governance überhaupt (noch) als Instrument für detaillierte Analysen tauge. Herr Schuppert bezeichnete diesbezüglich geäußerte Bedenken als berechtigt, betonte aber die zentrale Dimension der „Regelungsstrukturen“ als klaren methodischen Zugriff. Zudem entkräftete er den häufiger an die Governance-Forschung herangetragenen Vorwurf, Machtfaktoren auszublenden und stellte heraus, dass die Bewältigung bestimmter Problemlagen vermittels kollektiver Regelungen immer in Konflikt- und Machtkontexte eingebettet sei. Einig waren sich Autor, Kommentatoren und Publikum am Ende, dass das Werk ein geeigneter Ausgangspunkt für weitere Diskussionen zum komplexen Verhältnis von Governance und kultureller und religiöser Pluralität sein könne. Bedauert wurde daher abschließend, dass Herr Schuppert eingangs angekündigt hatte, dass das Werk sein nunmehr letztes zur Governance-Thematik sein solle.