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Sprechen über Sprache

Linguistikstudierende organisieren Tagung / WWU-Förderung studentischer Forschungsprojekte
Veranstaltungsplakat
Veranstaltungsplakat mit Programm (zum Vergrößern auf das Bild klicken)
© Germanistisches Institut

Wie sprechen Studierende der Sprachwissenschaften? Welche Funktion haben Namen von WhatsApp-Gruppenchats? In welcher Art und Weise gebrauchen Linguistikstudierende das Kiezdeutsche? Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich eine von Studierenden organisierte Tagung, die am Freitag, 30. Juni, am Germanistischen Institut der Universität Münster (WWU) stattfindet. Eröffnet wird die Tagung "Sprache und Interaktion 3: Sprechen über Sprache – Zum Sprachgebrauch von Linguistikstudierenden" um 14 Uhr in Raum VSH 118 des Germanistischen Instituts, Schlossplatz 34. Den Einstiegsvortrag hält Prof. Dr. Evelyn Ziegler von der Universität Duisburg-Essen. Ihr Vortrag "Neue methodische Zugänge zu sprachreflexiven Äußerungen von jungen Erwachsenen" beginnt um 14.30 Uhr. Interessierte sind zu allen Vorträgen herzlich willkommen, eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Tagung ist Teil eines Studierendenprojekts, das vom Rektorat der WWU gefördert wird. Ziel ist es, den Sprachgebrauch von Studierenden des Masters "Angewandte Sprachwissenschaft" am Germanistischen Institut zu untersuchen. Dies geschieht auf der theoretischen Grundlage von Jean Laves und Etienne Wengers sozio-kultureller Lerntheorie, die den Begriff der "Community of Practice" einführt. Die Studierenden stellen eine solche "Community" (deutsch: Gemeinschaft) dar. Sie lernen gemeinsam für Klausuren, diskutieren zusammen wissenschaftliche Fragestellungen und entwickeln eigene empirische Untersuchungen. Gemeinsames Handeln ist für die Studierenden also kennzeichnend. Die Daten zu dieser Interaktion (Gesprächsaufnahmen, Kommentare oder WhatsApp-Kommunikation) werden seit knapp einem Jahr von den Linguistikstudierenden in einer Datenbank gesammelt. Im Rahmen der studentischen Tagung am 30. Juni werden sie nun vorgestellt und ausgewertet.

Organisiert wird die Tagung von Katrin Liffers und Timo Schürmann, unterstützt werden sie dabei von Dr. Katharina König und Dr. Nils Bahlo vom Germanistischen Institut. Die Tagung ist als Fortsetzung der studentischen Vortragsreihe "Sprache und Interaktion 2: Verfestigte Muster in der Alltagskommunikation" (Wintersemester 2015/16) angelegt und ist zudem an ein Seminar angebunden. Den Studierenden wird so ermöglicht, erste Erfahrungen mit dem Format der wissenschaftlichen Tagung zu sammeln und sich zudem im wissenschaftlichen Publizieren zu üben - zur Tagung wird ein Sammelband erscheinen.

Germanistisches Institut
Masterstudiengang "Angewandte Sprachwissenschaft"
Centrum Sprache und Interaktion (CeSI)

  • Fragen an das Organisationsteam

    Sie beide organisieren eine Tagung und geben anschließend einen Sammelband heraus: Wie kam die Idee dazu?

    Timo Schürmann: Die Idee entstand eigentlich aus einer Spinnerei: Da wir uns in unserem Studiengang zu großen Teilen mit authentischen Daten beschäftigen, kam uns die Idee, einen eigenen Datenfundus aufzubauen, aus dem wir für Referate und eigene Untersuchungen wie Hausarbeiten schöpfen können. Bei der Sammlung der Daten fiel uns schnell auf, wie viel wir Linguistikstudierenden immer über Sprache sprechen. Aus dieser Beobachtung entwickelte sich dann unsere eigentliche Projektidee: In Anlehnung an die Vortragsreihe "Sprache und Interaktion 2" und in Rücksprache mit Herrn Dr. Bahlo und Frau Dr. König entwickelten wir ein Konzept, um einen Raum für eigene Untersuchungen zu dieser Auffälligkeit zu schaffen. Das Projekt ist deswegen nun so aufgebaut, dass Studierende des Masters "Angewandte Sprachwissenschaft" in Form einer Tagung Vorträge halten. Zusätzlich werden Bachelorstudierende in einem Seminar darauf vorbereitet, den Vorträgen folgen und mitdiskutieren zu können. Die Ergebnisse der Tagung sollen im Anschluss in einem Sammelband veröffentlicht werden.

    Wie beantragen Studierende Fördergelder bei der Universität?

    Katrin Liffers: Anlaufstelle für die Förderung studentischer Projekte ist SAFIR. Um von der WWU finanziell unterstützt zu werden, ist es notwendig, rechtzeitig (ca. sechs Monate vor der geplanten Durchführung des Projektes) einen Antrag bei der Forschungsförderberatung einzureichen. Wir haben uns mit unserer Idee an Frau Dieks gewandt, die uns bei der Antragsstellung beraten und begleitet hat. Der Weg ist also nicht allzu kompliziert, wenn man diese Möglichkeit kennt. Das Verfassen des Antrags selbst ist dann doch etwas aufwendiger. Neben der Projektbeschreibung, Zeitplanung und Kostenvoranschlägen muss unter anderem der innovative Charakter und die wissenschaftliche Qualität des Projektes nachgewiesen werden.

    Grundlage Ihrer Tagung ist eine Datensammlung: Wie groß ist diese und wie verfahren Sie beim Sammeln und Speichern von Sprachdaten?

    Timo Schürmann: Unsere Datensammlung umfasst aktuell ca. 30 Stunden Gesprächsaufnahmen und etwa 10.000 WhatsApp-Nachrichten. Die wichtigste und zugleich heikelste Aufgabe, die wir zu bewältigen hatten, war zu schauen, welche rechtlichen Vorgaben im Umgang mit diesen Daten einzuhalten sind. Wir haben also zuerst einmal Einverständniserklärungen erstellt und unterschreiben lassen. Die Sammlung der Daten verläuft dann nach dem in der Gesprächsforschung üblichen Solidaritätsprinzip: Wer Daten einspeist, darf Daten nutzen. Für die Speicherung der Daten nutzen wir den Clouddienst der Universitäten NRWs: sciebo. Wir haben dort eine Ordnerstruktur angelegt sowie eine Übersicht über die Daten, auf die alle Beteiligten zugreifen können.

    Wie reagierten Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen auf das Projekt? Entstand sofort Interesse am Vortragen der eigenen Arbeiten?

    Katrin Liffers: Auf die dem Projekt vorausgegangene Datensammlung reagierten unsere Kommilitoninnen und Kommilitonen zu Beginn erst einmal belustigt, da wir ohne studiengebundenen Grund ein Konzept entwickelt hatten, um von uns selbst Daten zu erheben. Da wir im Rahmen unseres Studiums immer auf Daten angewiesen sind, waren sie jedoch schnell von der Idee überzeugt und beteiligten sich zu großen Teilen an der Datensammlung. Als dann die Idee zu unserem Projekt aufkam, wussten sie bereits, dass wir auch dieses Vorhaben mit ihrer Unterstützung versuchen würden umzusetzen und stimmten begeistert zu. Drei unserer KommilitonInnen erklärten sich zudem bereit, auf der Tagung einen Vortrag beruhend auf den Daten zu halten sowie im Anschluss einen Aufsatz zu verfassen.

    Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?

    Timo Schürmann: Da bei der Sammlung der Daten sehr auffällig war, wie viel wir Linguistikstudierenden über Sprache sprechen, war es zum einen unser Anliegen, die Daten nicht einfach "liegen zu lassen", sondern sie ausgiebig in Hinblick auf diesen Aspekt zu untersuchen und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zum anderen war es uns auch wichtig, als Studiengang ein gemeinsames Projekt umzusetzen und dabei darzustellen, was unseren Studiengang auszeichnet.

    "Forschendes Lernen" ist zur Zeit ein wichtiges Schlagwort in der Universität: Was halten Sie von dem Konzept?

    Katrin Liffers: Wir denken, dass dieses Konzept die Möglichkeit bietet, viele Kompetenzen zu erwerben, die sonst im Studium nur am Rande gefördert werden. Es schafft einen Raum für Studierende, sich nicht nur theoretisch mit Forschung auseinander zu setzen, sondern sich auch mit Aspekten und Problemen zu beschäftigen, die einem nur in der Praxis begegnen. Also in unserem Fall ganz konkret: Wie und wo speichere ich Daten? Woher bekomme ich Geld für mein Vorhaben? Welche rechtlichen Vorgaben gibt es? Diese Herausforderungen animieren dazu, eigenständig Lösungen zu erarbeiten, immer mit dem Wissen, auf eine große Anzahl erfahrener UnterstützerInnen zurückgreifen zu können.

  • Förderung studentischer Forschungsprojekte

    Das Rektorat der WWU Münster fördert Forschungsprojekte Studierender und vergibt dafür jährlich bis zu 50.000 Euro. Eine Einzelförderung ist bis zu einem Betrag von 5.000 Euro möglich. Die Laufzeit der Projekte darf 12 Monate nicht übersteigen.

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