Auf ein Stück Mohnkuchen

Ein David-Hasselhoff-Aufsteller auf dem Tresen, ein Hansa-Rostock-Wimpel an der Pinnwand und Mops-Figuren auf dem Schreibtisch: Wer Anne Sapichs Büro betritt, merkt sofort, wofür das Herz der gebürtigen Schwerinerin schlägt. Seit dreizehn Jahren arbeitet sie am Institut für Sinologie und Ostasienkunde und kann sich kaum einen besseren Job vorstellen, obwohl sie anfangs kein einziges Wort Chinesisch verstand. „Für meine Aufgaben ist das nicht unbedingt nötig, trotzdem habe ich Chinesisch-Kurse an der Volkshochschule belegt, damit ich Gäste empfangen, mich vorstellen und chinesische Medien katalogisieren kann“, erzählt sie.
Die Bibliothek am Institut an der Schlaunstraße umfasst rund 46.000 Bücher. Anne Sapich ist sicher: Sie hatte sie bereits alle in der Hand. „Ich habe sie nicht gelesen, aber umhergetragen“, sagt sie mit einem Lachen, denn erst kürzlich wurden die Räume renoviert. Dafür mussten die Bücher umgelagert werden. Obwohl die Bibliothek Anne Sapichs berufliche Heimat ist, gibt es fast nichts, wofür sie an ihrem Institut nicht eingesetzt wird. Die eine Hälfte ihrer Arbeitszeit ist sie Bibliothekarin, die andere Hälfte arbeitet sie als Sekretärin. Vor allem aber ist sie die gute Seele des Instituts, an der niemand vorbeikommt. Wortwörtlich. Denn die Besucherinnen und Besucher des Instituts müssen klingeln – und werden von der 41-Jährigen hereingelassen.
Das Institut für Sinologie und Ostasienkunde ist eines der kleineren an der Universität Münster – neben einer regulären Professur gibt es noch eine Juniorprofessur und wenige wissenschaftliche und studentische Beschäftigte. Anne Sapich ist die einzige nicht-wissenschaftliche Angestellte. In dieser Funktion ist sie für zahlreiche Dinge zuständig: Anrufe und E-Mails beantworten, Post und Rechnungen bearbeiten, die Website und die Social-Media-Kanäle betreuen, die Seminarräume verwalten, bei der Etatplanung unterstützen, Tagungen mitorganisieren, Bestellungen abwickeln oder Plakate für Veranstaltungen entwerfen. Und natürlich Bücher und Zeitschriften beschaffen, katalogisieren und verwalten. „Die Sinologie ist weiterhin sehr printaffin“, erklärt sie.
Ihre Liebe zu Büchern entdeckte Anne Sapich in der Schule. Nach dem Abitur studierte sie Bibliotheks- und Informationsmanagement an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und absolvierte ein Praktikum in der Universitätsbibliothek Rostock. Das Praxissemester brachte sie auf die Idee, „etwas anderes zu machen“; und so schrieb sie ihre Diplomarbeit bei einer Unternehmensberatung in Münster. Dort bekam sie ihren ersten festen Job und blieb einige Jahre. Als die Universität Münster ihre heutige Stelle ausschrieb, musste sie nicht lange überlegen. „Ich wollte zurück in die Bibliothek“, sagt sie. Was durch die Doppelfunktion auf sie zukommen würde, ahnte sie nur ansatzweise. „Genau das macht die Arbeit so abwechslungsreich, dass ich nie weiß, was am nächsten Tag passiert. Einen ‚klassischen‘ Arbeitstag kenne ich nicht.“ Post-its und das Notizbuch sind ihre wichtigsten Arbeitsmittel – ohne diese beiden Hilfsmittel wäre sie aufgeschmissen.
Um nach trubeligen Zeiten abzuschalten, dreht sie gerne eine Runde mit ihrem 15 Jahre alten Mops Paule, macht Yoga, besucht Konzerte und Freunde oder reist durchs Land. „Auch nach so langer Zeit komme ich immer noch jeden Tag gerne zur Arbeit“, hebt sie hervor. Besonders gefällt ihr am Institut für Sinologie und Ostasienkunde, dass es dort so familiär zugeht. Die Bürotüren stehen meist offen, auch die Studierenden dürfen die Teeküche nutzen. Bei Fragen aller Art ist Anne Sapich die erste Ansprechpartnerin, denn an der Studienorganisation ist sie ebenfalls beteiligt. „Manchmal bin ich auch Seelentrösterin“, sagt sie und zieht eine große Taschentuchbox hervor, „vor allem für Studierende, die gerade nicht weiterwissen. Bislang haben noch alle das Sekretariat mit einem Lächeln verlassen.“
Autorin: Julia Harth
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 29. Januar 2025.