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Sechs Fragen an... Jun.-Prof. Dr. Christina Clasmeier

Seit November 2022 hat Jun.-Prof. Dr. Christina Clasmeier die Juniorprofessur für Slavistische Sprachwissenschaft mit Schwerpunkt Translationswissenschaft inne
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Jun.-Prof. Dr. Christina Clasmeier
© privat

Willkommen am Fachbereich Philologie der Universität Münster!

Herzlichen Dank. Ich bin wirklich an der Universität sehr herzlich empfangen worden und habe mich im Kreis der Kolleginnen und Kollegen von Anfang an wohl gefühlt.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Stadt und Universität?

Ganz wunderbar. Der Fachbereich 09 wirkt auf mich sehr aktiv, gut organisiert und forschungsstark. Und am Institut für Slavistik herrscht eine besondere Aufbruchsstimmung, weil im kommenden Wintersemester, also 23/24, der neue Slavistik-Bachelor startet, auf den wir alle mit Vorfreude und Spannung warten.

Die Stadt Münster gefällt mir auch richtig gut. Noch wohne ich mit meiner Familie in Bochum, aber wir haben eine neue Bleibe in Münster gefunden und stehen in den Startlöchern für unseren Umzug in wenigen Monaten. Nach dem Ruhrgebiet ist das idyllische Münster schon Kontrastprogramm, aber perfekt für unsere derzeitige quirlige Lebensphase mit drei kleinen Kindern.

Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Ich vertrete eine funktional orientierte und empirisch basierte Sprachwissenschaft und interessiere mich besonders für psycholinguistische Fragen. Meine Forschung fokussiert sich bisher auf das Russische und Polnische, zu Vergleichszwecken beziehe ich aber auch andere slavische Sprachen ein. Aktuell arbeite ich an zwei psycholinguistischen Kooperationsprojekten zur grammatischen Kategorie des Verbalaspekts. In dem ersten Projekt geht es darum, wie das perfektive und das imperfektive Verb eines so genannten "Aspektpaars" bei Russischsprecher*innen verschiedener Typen im mentalen Lexikon repräsentiert ist. Wir vergleichen lebensweltlich Monolinguale mit frühen und späten Russisch-Deutsch Bilingualen und Fremdsprachenlerner*innen. In dem anderen Projekt steht dagegen die Frage nach Sprache und Denken im Zentrum, also ob und wie der Verbalaspekt die Verarbeitung von Ereignissen beeinflusst und wie sich die slavischen Sprachen, insbesondere Russisch und Tschechisch, untereinander in dieser Hinsicht unterscheiden.

Ein weiteres meiner Forschungsthemen betrifft die Wortstellung von Substantiv und attributivem Adjektiv im Polnischen. Die Nachstellung des Adjektivs ist hier, anders als in den anderen slavischen Sprachen, ein häufiges Phänomen. Ich erforsche auf der Grundlage von Korpusdaten, wie der Gebrauch der beiden Stellungsvarianten verteilt ist und welche Faktoren Einfluss auf die Variation nehmen.

Meine Juniorprofessur hat außerdem eine translationswissenschaftliche Denomination. In das Feld der Übersetzungswissenschaft arbeite ich mich derzeit ein und plane entsprechende Lehr- und Forschungsprojekte für die Zukunft.

Wann haben Sie begonnen, sich für Ihr Fach bzw. Ihre Forschungsrichtung zu interessieren?

Motiviert durch Tschaikovskys Oper und Puschkins Versroman "Evgenij Onegin" habe ich schon in der Oberstufe der Bielefelder Gymnasialzeit angefangen, Russisch zu lernen. Die Sprache hat mich so begeistert, dass ich mich nach dem Abitur für das Studium der Slavistik an der Uni Hamburg entschieden habe. Ursprünglich mit dem Nebenfach Journalistik und dem entsprechenden Berufsziel. Journalistisches Schreiben war aber gar nichts für mich, wie ich schnell gemerkt habe. Dafür hat mich schon im ersten Semester die slavistische Linguistik in ihren Bann gezogen. Statt Journalistik habe ich dann Psychologie im Nebenfach studiert, und so kam ich zur Psycholinguistik.

Was verbinden Sie mit dem Begriff "Forschendes Lernen"?

Im Grunde ist forschendes Lernen die ideale, auch natürlichste Form des Lernens. Schon kleinste Kinder lernen forschend, durch systematisches Ausprobieren und Selbermachen. Es funktioniert am besten und macht am meisten Spaß. An der Uni, auch in den Philologien, hat das forschende Lernen glücklicherweise seine feste Verankerung in den Curricula der Studiengänge gefunden. Die fachlichen und methodologischen Grundlagen müssen gelegt sein, danach kann und sollte wann immer möglich forschend gelernt werden.

Was sind Ihre Tipps für ein erfolgreiches Studium?

  1. Studienfach nach Interesse wählen. Strategische Überlegungen zur Jobtauglichkeit sind auch wichtig, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Das Studium ist eine einzigartige Möglichkeit und Lebensphase, die sollte man mit Themen verbringen, die einem wirklich wichtig sind. Dazu gehört auch der Mut zum Fach- oder Nebenfachwechsel, falls die erste Wahl sich als falsch herausstellt.
  2. Wenn das Fach gefunden ist: Dran bleiben. Auch das schönste Studium enthält "Durststrecken". In der Slavistik ist zum Beispiel der Erwerb einer slavischen Sprache oft eine große Herausforderung. Temporäre Frustration gehört dazu, aber für die Entdeckungen, die das Studium für einen bereithält, lohnt es sich, durchzuhalten und weiterzumachen.
  3. Keine Scheu vor Komplexität. Es mag sein, dass alles Geniale einfach ist, aber wissenschaftliche Theorien sind es meist nicht. Eine wichtige Erkenntnis des Studiums ist aber nicht nur, dass sie unabdingbar sind, sondern dass sie buchstäblich Türen zu neuen Gedankengängen öffnen. Außerdem: Wenig geht über das Gefühl des Aha-Effekts, wenn etwas Kompliziertes plötzlich verstanden ist.

Und zu guter Letzt: Haben Sie schon ein Fahrrad?

Oh ja, ich fahre viel und gern Rad und freue mich nun auf Auswahl und Kauf eines e-bikes mit Hänger, so dass ich meine kleineren Kinder ab August in die neue Uni-Kita kutschieren kann.

Weitere Informationen:

Jun.-Prof. Dr. Christina Clasmeier

Institut für Slavistik

Die "Sechs Fragen an..." werden neuberufenen Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Philologie gestellt. Dieses Mal hat Jun.-Prof. Dr. Christina Clasmeier die Fragen beantwortet. Sie lehrt und forscht am Institut für Slavistik.