Oktober 2023
Oktober 2023

Münze des Monats

© Georg D. Schaaf

Münzkontinuitäten zwischen Reichen? Eine arabo-byzantinische Imitation eines zyprischen Bronzefollis aus dem Archäologischen Museum Münster

Arabo-byzantinische Imitation eines zyprischen Bronzefollis (Phase I, Klasse I nach Pottier – Schulze – Schulze), 638 – ca. 645

Archäologisches Museum der Universität Münster, Inv. M 6394

AE, 5,14 g, 25 mm; Stempelstellung 6 Uhr

Avers: Kaiser Herakleios (lat. Flavius Heraclius) zwischen Kaiserin Martina und Sohn Herakleios Konstantinos (lat. Constantinus Heraclius) in Frontalansicht; alle in Chlamys gekleidet; Kreuzglobus in der r. Hand haltend sowie Kreuzdiadem tragend.

Revers: großes M (äquivalent zu byzantinischem Wert von 40 nummi), darüber Kreuz, ANNO links, X/Ч/II („17. Regierungsjahr“) rechts, Offizin Γ, im Abschnitt [KVΠP]

Erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich die Forschung systematisch mit arabo-byzantinischen Münzen. Unter ›arabo-byzantinischen‹ Münzen verstehen wir Münzen, die im 7. Jh. n. Chr. auf dem Gebiet der antiken Landschaft Syrien entstanden sind und byzantinische Prototypen oder Elemente zum Vorbild haben. Es lassen sich drei Phasen unterscheiden, die in den Zeitraum zwischen der beginnenden arabischen Expansion im Jahr 636 und der zweiten Münzreform des Kalifen Abd al-Malik von ca. 697 (Einführung der epigraphischen Kupfermünzen) fallen  

  • Phase I (ca. 638–70): die sogenannten pseudo-byzantinischen Münzen. Mehr oder weniger akkurat ausgeführte Imitationen byzantinischer Bronzemünzen (Pl. folles).

► Dieser Phase ist unsere Münze des Monats Oktober zuzuordnen.                     

  • Phase II (ca. 670–frühe 690er): Münzen mit klarem Bezug zu byzantinischen Prototypen, aber nun mit Münzstättenangabe auf Griechisch und/oder Arabisch.
  • Phase III (ca. 690–ca. 697): die ›Standing Caliph‹-Münzen mit Darstellung des Schwert tragenden stehenden Kalifen, Revers mit Stufendarstellung oder Minuskel ›m‹.

Das mögliche Vorbild unserer Münze des Monats fällt in das 17. Regierungsjahr (626/627) des byzantinischen Kaisers Herakleios (610–641) (Abb. 1); es handelt sich um einen follis mit der Münzstättenbezeichnung KVΠP für Zypern (DOC II, Nr. 184a.3).

Abb. 1: Byzantinischer Prototyp, 626/627, mit der Kaiserfamilie auf dem Avers und dem Wertzeichen M auf dem Revers, darüber das Herakleios-Monogramm (statt des Kreuzes).
© Agora Auctions, LLC New York

Alle Prototypen, die in Zypern geprägt wurden, weisen für die Regierungsjahre 17-19 (627-629) oben im Feld das Heraklius-Monogramm auf, wodurch eine Unterscheidung zwischen Prototyp und Imitation erleichtert wird. Die ›arabische‹ Imitation führt anstelle des Monogramms interessanterweise häufig ein Kreuz auf.

Nach den Kriegen mit dem persischen Sassanidenreich (603 – ca. 630) war das Byzantinische Reich geschwächt und stellte damit für die Expansion des Arabischen Reichs kein großes Hindernis dar. In diesem Expansionsdrang fiel auch die antike Landschaft Syrien den neuen Eroberern zu, während keine Großmacht Zypern vollständig für sich beanspruchen konnte. Das syrische Gebiet erfuhr unter den neuen Machthabern zunächst keine großen strukturellen Veränderungen, weswegen der starke byzantinische Einfluss in der Bevölkerung erhalten blieb. Das Byzantinische Reich glaubte bis in die 650er Jahre die arabisch eroberten Gebiete für noch nicht verloren. Deshalb ließen sie den Münzverkehr mit dem syrischen Gebiet weiterhin zu, allerdings war die Weiterversorgung erschwert. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Byzantinischen Reich sorgte dafür, dass die Fortführung, auch wenn nur bedingt, im Interesse beider Reiche lag. Da das Arabische Reich noch keine monetarisierte Gesellschaft war, wurde das byzantinische Münzsystem wichtig, womit die Imitation der byzantinischen Währung dem wirtschaftlichen Selbsterhalt diente.

Die gezeigte Münze stammt aus einer frühen Reihe an Imitationen, die byzantinische folles mit der Münzstättenangabe KVΠP (griech. für „Kypris“ = Zypern) nachahmen. Die Angaben auf der Imitation verlieren ihre Bedeutung und stammen nicht, wie die Prototypen, aus Zypern. Die zugehörigen Prototypen, die als Vorbilder zum Einsatz kamen, sind einer Münzstätte auf Zypern zugeordnet worden. Unterteilen lässt die Gruppe sich wiederum in zwei Hauptserien, wovon unser Exemplar aufgrund des rekonstruierten Münzstättenzeichens KVΠP und des abgerundeten Schrötlings in erstere eingeordnet werden kann.

Im Norden des syrischen Gebiets waren nur byzantinische und pseudo-byzantinische Münzen im Umlauf. Auch sind entsprechende Angaben, wie das schwer lesbare KVΠP auf dem Revers und die Offizin, weder einer Emission noch einer offiziellen byzantinischen Münzstätte zuzuordnen.

Ein Problem bei der Beschäftigung mit pseudo-byzantinischen Imitationen ist neben der häufig ungenauen Datierung und einer fehlenden Lokalisierung von Münzstätten auch die meist nicht dokumentierte archäologische Provenienz bzw. konkrete Fundorte.

Die Münzen belegen die Fortsetzung des byzantinischen Einflusses auf das Münzwesen in der spätantiken Landschaft Syriens und die Kontinuität des wirtschaftlichen Austauschs zwischen dem byzantinischen Reich und dem Arabischen Reich trotz der kriegerischen Auseinandersetzung. Ein Lösungsansatz für die nähere Bestimmung der Münze(n) ist laut den Forschungen von Pottier, Schulze und Schulze die Auswertung der verschiedenen Gewichtsverteilungen von Original zur Imitation und von Imitation zur Imitation. Anhand des byzantinischen Standardgewichts kann unabhängig von den auf den Münzen erkennbaren Angaben identifiziert werden, ob eine Münze genau nach ihrem identifizierten Vorbild bearbeitet wurde oder ob nur eine Annährung beabsichtigt war und zu welchem Zeitpunkt sie entstanden. Die Veränderungen bei Imitationen lassen sich mit den Veränderungen des byzantinischen Standardgewichts vergleichen und so können zugehörige Parallelen aufgezeigt werden.

(David Wieczorek & Max Römelt)

 

Abgekürzte Referenzliteratur

DOC II = P. Grierson, Catalogue of the byzantine coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection II. Phocas and Heraclius (602–641) (Washington D.C. 1968)
 

Weiterführende Literatur

  • G. W. Bowersock, Empires in Collision in Late Antiquity in the Menahem Stern Jerusalem Lectures (Waltham 2012)
  • C. Foss, Arab-Byzantine Coins. An introduction, with a catalogue of the Dumbarton Oaks Collection (Washington D. C. 2008)
  • T. Goodwin, Arab-Byzantine coinage. Studies in the Khalili Collection 4 (London 2005)
  • W. Hahn, Moneta Imperii Byzantini III. Heraclius bis Leo III., Alleinregierung (610-720). Mit Nachtr. zum 1. u. 2. Bd. (Wien 1981)
  • M. Phillips – T. Goodwin, A Seventh-Century Syrian Hoard of Byzantine and Imitative Copper Coins, Num. Chronicle 157, 1997, 61–87
  • H. Pottier – I. Schulze – W. Schulze, Pseudo-Byzantine coinage in Syria under Arab rule (638 – c. 670): classification and dating, Revue belge de numismatique et de sigillographie, 2008, 87–155

Bildnachweis

Abb. 1: Agora Auctions, Auktion 75 (10.07.2018) Nr. 343