Juli 2023
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Münze des Monats

© Classical Numismatic Group, LLC, Lancaster, PA

Roma feiert Konstantinopel

Konstantin der Große (306-337), Silbermedaillon von 5 Siliquae (17,86 g, 30 mm), Konstantinopel kurz vor dem 11. Mai 330 n. Chr.
Vs. Lorbeer- und rosettendiademiertes Haupt nach rechts / Rs. D N CONSTANTINVS abwärts im linken Feld, MAX TRIVMF AVG abwärts im rechten Feld, Roma frontal thronend mit dem linken Fuß auf einem Fußschemel, Sphaira in der Rechten und Langzepter in der Linken, zu ihrer Seite ein Schild auf dem Boden stehend, im Abschnitt MCONSS. RIC –, Gnecchi –, RSC –.
Classical Numismatic Group, Triton XVI (9. Januar 2013) Nr. 1155.
 

Im Laufe des 3. Jahrhunderts war immer deutlicher geworden, dass Rom zu weit von den Grenzen entfernt war, als dass ein Kaiser dort residieren und zugleich die Vorstöße der germanischen Völker über die Grenzen von Rhein und Donau oder die Angriffe des persischen Sassanidenreichs im Osten hätte abwehren können. Nach den 220er Jahren verbrachten Kaiser kaum noch Zeit in der Hauptstadt – die Mehrzahl bekam sie nie zu Gesicht. Denn nicht mehr Angehörigen der stadtrömischen Elite, des Senatorenstandes, gelang es, das Amt zu besetzen. Es waren vielmehr Offiziere aus den Grenzprovinzen, die von ihren Truppen proklamiert wurden. Sie verblieben an den gefährdeten Reichsgrenzen und hatten dort, wie schon Mark Aurel in Sirmium, ihre Hauptquartiere, von denen aus sie regierten.

In der Tetrarchie, dem von Diokletian 284 n. Chr. begründeten Mehrkaisertum, etablierten die Augusti und Caesares persönliche Residenzen – ob in Trier, Thessaloniki, Nikomedia, Antiochia o.a. – von denen aus sie ihre Herrschaftsbereiche regierten. Der sukzessive Zusammenbruch des tetrarchischen Systems ließ dann auch diese Vielzahl an Herrschaftssitzen obsolet werden.

Mit dem Sieg Konstantins über Licinius 324 n. Chr. und der Wiederherstellung der Monarchie waren die Voraussetzungen geschaffen, das Reich wieder von einem einzigen Ort aus zu regieren. Konstantin, der wohl zeitweise hierfür Thessaloniki erwogen hatte, entschied sich dafür, seine neue Hauptstadt – und zugleich Siegesstadt – nahe dem Ort der entscheidenden Seeschlacht gegen Licinius, Chrysopolis, zu gründen und wählte hierfür die Landzunge am Bosporus, die strategisch günstig in Reichweite sowohl der Donau- wie der Euphratgrenze lag.

Am 11. Mai 330 n. Chr. weihte Konstantin schließlich Konstantinopel als neue östliche Hauptstadt des Römischen Reiches ein. Sechs Jahre lang war zuvor am Bosporus die alte Stadt Byzantion umgestaltet und um ein Vielfaches erweitert worden. Die 40-tägigen Feierlichkeiten gipfelten in einer abschließenden Einweihungszeremonie im neu vergrößerten Hippodrom. Zum Gedenken an die Einweihung wurden u.a. silberne Fünf-Siliquen-Stücke von rund 17 Gramm Gewicht geprägt.

Die Festprägung gab es mit zwei Rückseitentypen: mit der thronenden Konstantinopolis mit Mauerkrone als Stadtgöttin der neuen Hauptstadt, und, hier vorliegend, mit der Göttin Roma. Dass tatsächlich diese abgebildet ist, ergibt sich aus dem Schild zu ihrer Linken und ihrer entblößten Brust. Doch warum eine Roma-Prägung bei der Einweihung Konstantinopels? Zweifellos um anzuzeigen, dass mit der Hauptstadt am Bosporus das alte Rom nicht überflüssig wurde, es kein ›neues Rom‹ geben sollte (diese Benennung kam erst später auf). Die Ikonographie unterstreicht das: Während die junge Konstantinopolis ein riesiges Füllhorn als Attribut trägt und den Fuß auf eine Prora, einen Schiffsbug setzt (in Erinnerung an die finale Seeschlacht gegen Licinius), hält Roma weiterhin die Sphaira, das Symbol der Weltherrschaft. Roms Bedeutung für das Reich, die in der Urbs bewahrte Tradition, bleibt von der Neugründung unberührt, beide Städte stehen nun Seite an Seite. So unterstreichen es auch Emissionen, auf denen Roma und Konstantinopolis gemeinsam einen Schild mit kaiserlichen Vota halten.

Die Silberprägungen dürfen wir also als Erinnerungsmedaillen an die Einweihung der neuen Hauptstadt verstehen, als numismatische Souvenirs, die bei dieser Gelegenheit in Anwesenheit des Kaisers in großer Zahl ausgegeben wurden. Zwar sind bislang offenbar nur 18 Stücke davon bekannt. Doch waren zweifellos alle Offizinen der neuen Münzstätte Konstantinopel mit ihrer Produktion befasst. Von den 10 Offizinen sind bislang acht mit Prägungen vertreten. Dies zeigt uns zugleich, wie viele seinerzeit hergestellte Stücke im Verlauf der fast zwei Jahrtausende verloren oder untergegangen sind. Drei der 18 Prägungen stellen Roma dar, 15 Konstantinopolis. Die Roma-Prägungen sind alle aus derselben Offizin. Die übrigen neun Werkstätten der Münzstätte Konstantinopel – im Revers als CONS bezeichnet, M steht für 10. Offizin – dürften Konstantinopolis-Emissionen vorbehalten gewesen sein.

Die Zielgruppe dieser silbernen Medaillons war nicht die absolute Elite. Diese erhielt Goldmünzen, Solidi, die ein Mehrfaches des Wertes der Silbermedaillons darstellten, oder sogar Multipla, manche von vier oder gar neun Solidi Gewicht (ein Wiener Stück wiegt gar 30 Solidi, 136 Gramm). Weiterhin wurden auch bronzene Sonderprägungen ausgegeben, zweifellos für die einfache Stadtbevölkerung.

Bemerkenswert ist, dass das Medaillon nicht römischer numismatischer Tradition folgt. Der Avers trägt keine Inschrift, der Revers hingegen solche auf vertikalen Linien, nicht umlaufend am Perlkreis. Es ähnelt so, auch in Gewicht und Design, hellenistischen Tetradrachmen und lässt sich z.B. mit Prägungen des Seleukidenherrschers Demetrios I. vergleichen. Konstantins Wertschätzung griechischer Kultur schlägt sich darin nieder – die er auch bei der Ausschmückung seiner neuen Hauptstadt mit vielen der bedeutendsten Kunstwerke der griechischen Welt demonstrierte, die jetzt in die neue Hauptstadt verbracht wurden.

(Johannes Hahn)

 

Literatur

  • G. Bühl, Constantinopolis und Roma. Stadtpersonifikationen in der Spätantike (Zürich 1995)
  • N. Lenski, Constantine and the Tyche of Constantinople in: J. Wienand (Hrsg.), Contested Monarchy. Integrating the Roman Empire in the 4th Century AD (New York – Oxford 2014) 330-352