
Münzen mit Biss
"Ägypten fügte ich dem Reich des römischen Volkes hinzu" (Aegyptum imperio populi Romani adieci). Mit diesen lakonischen Worten fasste Augustus kurz vor seinem Tod 14 n. Chr. in seinem Tatenbericht die finale Auseinandersetzung zusammen, die den mit der Ermordung Caesars 44 v. Chr. erneut aufgebrochenen blutigen römischen Bürgerkrieg beendete: sein Seesieg bei Actium am 2. September 31 v. Chr. über seinen früheren Verbündeten und verbliebenen Konkurrenten Marcus Antonius, gefolgt von der Einnahme Alexandrias in Ägypten, wohin sich Antonius mit seiner Partnerin, Kleopatra VII., der Königin von Ägypten, zurückzuziehen versucht hatte, sicherte ihm die Alleinherrschaft.
Auch die Münze, welche die Einnahme Ägyptens mit der Aufschrift AEGYPTO CAPTA – Ägypten genommen – der römischen Öffentlichkeit unmittelbar nach den Ereignissen bekannt machte, propagierte den Sieg als einen Triumph über einen auswärtigen Feind und Eroberung eines neuen Territoriums. Vielleicht befand sich Octavian derweil noch auf seinem gemächlichen Zug durch Syrien, Kleinasien und Griechenland zurück nach Italien. Auch die parallele Emission ASIA RECEPTA – Kleinasien zurückgewonnen – suggerierte einen außenpolitischen Erfolg, markierte tatsächlich aber gleichfalls die Inbesitznahme von Regionen, die Antonius zuvor kontrolliert hatte. Das Ende des Bürgerkriegs wurde der römischen Öffentlichkeit als Sieg über fremde Mächte vermittelt, das Stigma vergossenen römischen Blutes verschwiegen.
Immerhin: mit Ägypten wurde eines der größten Königtümer der Zeit, das 306 v. Chr. begründete Ptolemäerreich, und damit das letzte der hellenistischen Reiche dem römischen Imperium einverleibt. Die Herrschaft Roms um das Mittelmeer war damit endgültig gesichert. 29 v. Chr. feierte Octavian in Rom seinen imposanten dreifachen Triumph über die Dalmater, für Actium und die Eroberung Ägyptens und schloss den Janustempel: Als Stifter einer neuen Friedenszeit, nicht als Bürgerkriegssieger, wollte er nunmehr gesehen werden. Der seinem jugendlichen Münzporträt beigegebene Krummstab, lituus, Zeichen der Priesterschaft der Auguren, beanspruchte pietas, die zentrale römische Tugend der Frömmigkeit, für Octavian: gegenüber Göttern und Vaterland, wie später vom Senat formuliert werden wird, der 27 v. Chr. Octavian den Ehrentitel Augustus, "der Erhabene", verleiht.
Das Krokodil, das hier als Symbol Ägyptens erscheint, war eines der exotischsten und gefährlichsten Tiere, das römische Bürger kannten. Erst 58 v. Chr. waren Exemplare in Rom gezeigt worden. Es verkörperte nach den Propagandaschlachten der letzten Phase des Bürgerkriegs aber auch das buchstäblich Böse, dem Antonius mit seiner politischen wie persönlichen Allianz mit Königin Kleopatra verfallen gewesen sei. Augustus ließ später in symbolträchtigem Kontext 36 Krokodile vorführen und im eigens gefluteten Circus Flaminius dann abschlachten. In der Folge wird Ägypten in bildlichen Darstellungen dann durch den Nil symbolisiert, dem ein Krokodil oder Nilpferd beigegeben ist: Die Fruchtbarkeit des Landes – ägyptisches Getreide sicherte die Lebensmittelversorgung Roms – war nun wichtiger als das zeitpolitische Konstrukt eines bösartigen Feindes an der Peripherie der römischen Welt.
"Krokodilmünzen" mit geöffnetem Rachen wie das hiesige sind übrigens ungemein selten. 1976 ließen sich gerade 22 Exemplare namhaft machen, die zudem von nur 10 Vorderseiten- und 11 Rückseitenstempeln stammten.
Octavianus/Augustus, 31 v. - 14 n. Chr., Denar, 3,78 g, 20 mm, unbekannte italische Münzstätte, um 28 v. Chr., Vs. CAESAR – COS·VI, Büste nach rechts, dahinter lituus, Rs. AEGVPTO / CAPTA, Krokodil mit geöffnetem Rachen nach rechts laufend. RIC2 275a. BMC 650. Cohen 2.
Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG, Auktion 318, 11. März 2019, Lot 965.
(Johannes Hahn)
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