März 2021
März 2021

Münze des Monats

© Archäologischen Museums der Universität Münster

„Happy Days are Here Again!“– FEL TEMP REPARATIO

Constantius II. (RIC VIII Constantinople 86)
AE2 (klein); Billon oder Bronze; 21,4 mm; 3,84 g; 5 Uhr
Av.: D N CONSTA-NS P F AVG. Brustbild des Constans nach links; doppelreihiges Perldiadem mit Stirnelement und perlbesetzten Schleifen; Brustpanzer, Paludamentum mit Rosettenfibel; in der Rechten Globus; kleiner Schrötling, Stempel nicht zentriert, Perlrand unvollständig
Rv.: FEL TEMP REPA-RATIO. -/-//CONS A. Soldat mit Helm, Brustpanzer und Mantel nach rechts schreitend, Kopf nach links, in der Linken abwärts gerichtetes Speer; mit der Rechten kleine Figur mit langem Beinkleid und kurzem Gewand am Arm greifend; links Eingang einer Hütte (?) unter einem Baum; Stempel nicht zentriert, Rand (kein Perlrand) unvollständig
Münzsammlung des Archäologischen Museums der Universität; Objektnummer M 2832
Provenienz: Privatsammlung
Datierung: 346/347 n.Chr. (Olbrich) oder 348–351 n.Chr. (RIC)


I.
Gemessen an dem, was römische Kaiser von Pescennius Niger bis zu Constantinus I. an Reverstypen zu FELICIA TEMPORA prägen ließen, erscheint das, was vor der Mitte des 4. Jahrhunderts Constans und Constantius II. zu deren Wiederherstellung propagierten, auf den ersten Blick wie ein ausdifferenziertes Bildprogramm. Die Münzen mit dem Rückseitentyp „Glückliche Zeiten“ wurden auf Silber und Gold ganz überwiegend mit vier Jahreszeitengenien kindlicher Statur kombiniert; ganz zu Anfang auch einmal mit gekreuzten Füllhörnern.
Die FEL TEMP REPARATIO-Reverse hingegen blieben Nominalen in Bronze bzw. Billon vorbehalten, in Kombination mit fünf verschiedenen Typen: a) Phönix auf Globus oder auf Felsen; b) Kaiser auf von Victoria gesteuerter Galeere, mit Phönix oder Victoria auf Globus, dazu Labarum; c) Kaiser sticht mit Speer auf einen gestürzten persischen Reiter ein („Reitersturz“); d) Kaiser einen Barbaren am Handgelenk greifend und aus einer baumbestandenden Hütte führend; e) Kaiser mit Labarum nach links mit zwei persischen Gefangenen. (Als Arbeitshypothese sei hier die Formel FEL TEMP REPARATIO analog zur Reverslegende der genannten Gold- und Silbermünzen mit „Wiederherstellung glücklicher Zeiten“ aufgelöst.)
Den Anfang machte wohl der weströmische Kaiser Constans 343 n.Chr. (so Olbrich), der damit nicht nur eine Reform des Bronze- bzw. Billongeldes mit der Erinnerung an seinen Frankensieg 342 und die Britannienfahrt Anfang 343 verband, sondern wohl ebenso den Beginn des vierten Säkulums 343 n.Chr. Erst 346/347 n.Chr. könnte Constantius II. nachgefolgt sein. Olbrich bezieht sich für die Rekonstruktion des allgemein angenommenen Jubiläums auf die bei Livius erwähnte Tradition, alle 365 Jahre ein Jubliäum zu begehen, das an die Gründung Roms erinnert; er stützt sich zudem auf die für ihn glaubhafte Überlieferung, dass die 1100-Jahr-Feier der Gründung Roms 348 n.Chr. nicht begangen wurde.


II.
Die Reverslegende FEL TEMP REPARATIO hat einen bis heute hörbaren Nachhall bewirkt. Dem soll hier in großen Schritten nachgegangen werden. Dabei werden unterschiedliche Akteure, Aspekte und Ebenen der Rezeption sichtbar. Wenn aus einer solchen Schau überhaupt ein Erkenntnisgewinn für die Beschäftigung mit der spätantiken Serie gezogen werden kann, dann betrifft das zunächst wohl vor allem Fragen nach der gesellschaftlichen Situation, auf der diese Münzserie seinerzeit traf, sowie danach, ob die „Wiederherstellung glücklicher Zeiten“ als Topos konstruiert wurde, um Zustimmung für Regierungshandeln zu sichern oder dieser Topos als Grundstimmung – nach entsprechenden Ereignissen – in der Bevölkerung als bereits vorhanden angenommen werden kann.


III.
Nahezu ganz im antiken Sinne als staatliche Propaganda zu sehen ist etwa ein als Reichsprägung hergestelltes Silbermedaillon mit den Bildnissen Karls VI. und Ludwigs XIV. anlässlich des Friedensschlusses von Rastatt 1714 mit FEL TEMP REPARATIO auf dem Avers; auf dem Revers in Szene gesetzt die Absicht, den gespaltenen Erdkreis wieder zu vereinen.
Keine wörtliche Entsprechung, aber dem Sinn nach dennoch in diese Reihe gehört Helmut Kohls 1990 öffentlich geäußerte Vision, „Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften“ verwandeln zu können, „in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“
Wiederum nah an der spätantiken Diktion ist eine Äußerung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der Anfang Juni 2020 per Twitter die „Wiederherstellung glücklicher Zeiten“ als Ziel seiner Corona-Politik benannte und damit ganz konkrete Maßnahmen verband: „La réouverture des cafés, hôtels et restaurants signe le retour des jours heureux!“


IV.
Auch bei der Panegyrik, dem nicht staatlichen – aber wohl nicht ganz staatsfernen – Herrscherlob in Zeiten, die mal mehr, mal weniger als glücklich empfunden werden, findet der Topos zuweilen Anklang.
Ganz explizit Bezug auf das spätantike FEL TEMP REPARATIO nahm der evangelische Geistliche Johann Conrad Barth 1686 in seiner Schrift „Buda Recepta, Labarum Anicianum“, verfasst unter dem unmittelbaren Eindruck der Rückeroberung der Stadt Buda/Ofen von osmanischer Herrschaft durch die Katholische Liga. Bemerkenswert an dieser Schrift ist die Mischung des Herrscherlobs mit dem Anspruch, numismatisches Fachwissen in angemessener Form zu präsentieren. Ein Exemplar des hier ausgewählten Münztyps (Kaiser einen Barbaren am Handgelenk greifend und aus einer baumbestandenden Hütte führend) erschien Johann Conrad Barth dafür besonders passend:
„[…] Kehret euch zusam[m]en / ihr liebe Pannoniæ! CHRISTUS und LEOPOLD [Kaiser Leopold I.] bleibe in der Mitte! so ist noch Hoffnung / daß auch dem lang-geplagten Ungerland wiederfahre FEL. TEMP. REPARATIO (in Num. Constantis & Constantii) und selbiges aus des Türcken Gefängn[ue]ß ausgeführet / wieder eines grünenden und gedeylichen Zustands sich zu erfreuen habe: wie hier Imperator armatus puerum ex antro heraus führet / Tranquillitati temporum indicandæ, sive fortassis Christianum, libertati designanda: Allermassen auch mancher ehrlicher Soldat bey dieser Action die gefangenen Christen aus den Türckischen Löchern erlöset / und den Christen wieder zugeschicket. […]“
Fließt numismatisches Wissen in die Argumentation mit ein, muss wohl auch ein Journalist wie Heribert Prantl als Panegyriker bezeichnet werden, wenngleich wegen seiner zugleich scharfen Kritik als ein ganz untypischer. 2010 schrieb er im SZ-Magazin eine „kritische Festschrift“ zum 80. Geburtstag von Altkanzler Helmut Kohl:
„[…] Pater Patriae, Vater des Vaterlandes: Dies ist der Titel, die Aureole, die Legende, die, wenn es die alten Gebräuche noch gäbe, auf den Euro- und den Cent-Münzen mit einem Porträt von Helmut Kohl stehen müsste. Und auf der Rückseite würde ein Spruch prangen, der die deutsche Einheit und die Vereinigung Europas feiert und die großen Verträge, die Helmut Kohl dazu ausgehandelt hat – in Brüssel, Kopenhagen und Maastricht, in Schengen und Nizza. Im alten Rom hieß dieser feierliche Spruch auf den Münzen so: ‚FELICIUM TEMPORUM REPARATIO‘. Es war der Lobpreis über die ‚Wiederherstellung glücklicher Zeiten‘. […]“
Darin fehlt eigentlich nur noch als satirische Zuspitzung, dass die pastorale Attitüde des Herrschers gegenüber dem kleinen Barbaren auf dem oben vorgestellten Münztyp ebenso gut als Kommentar für die Zeit nach der Wiedervereinigung gelesen werden könnte: mit Helmut Kohl beginnend, an das noch heute nicht überwundene Überlegenheitsgefühl vor allem politischer und wirtschaftlicher Eliten der alten Bundesrepublik gegenüber den beruflichen und wissenschaftlichen Leistungen sowie den Wertvorstellungen der Menschen im „Beitrittsgebiet“.


V.
Der Wunsch nach einer „Wiederherstellung glücklicher Zeiten“ scheint schließlich auch in eher politikfernen Bereichen einer Gesellschaft beliebt zu sein. Medialer Erfolg einer Ausprägung des alten Topos kann dieser dann allerdings doch erhebliches politisches Gewicht verleihen. 1929 brachten Jack Yellen und Milton Ager das Lied „Happy Days are Here Again!“ heraus. Eher wohl zufällig wurde es 1932 zum Wahlkampfsong des dann siegreichen amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und damit auch zur inoffiziellen Hymne der Demokratischen Partei:
„[…] Happy days are here again / Your cares and troubles are gone / There'll be no more from now on […].“
Als kurz nach Roosevelts Amtsantritt die Prohibition fiel, lautete ein verbreiteter Kommentar fast zwangsläufig: „Happy days are beer again“.
Fast unvermeidlich scheint es schließlich, dass auch Numismatiker*innen sich an FEL TEMP REPARATIO erinnern, um Erwartungen und Hoffnungen angesichts weniger guter Zeiten zum Ausdruck zu bringen, so ein*e anonyme*r Nutzer*in in einem numismatischen Forum zu Beginn der Pandemie Mitte März 2020:
„When will happy days be here again? With all the insanity surrounding the virus, when will felicium temporum reparatio? Constans brought them back, and also brought back a large-sized bronze coin in an attempt to bolster the economy, which was suffering from a blight of tiny coins that were a far cry from the big bronzes of the past.“


Exkurs
Während das Lied „Happy Days are Here Again!“ textlich und musikalisch wie ein postpandemischer Befreiungsschlag klingt, kommt seine 1930 veröffentlichte deutsche Entsprechung – mit identischer Vertonung, interpretiert von den Comedian Harmonists – fast wie eine Beschreibung Lockdown-konformer Verhaltensweisen daher: mit Social Distancing, viel frischer Luft und dem Versuch, ab und zu selbsternannten Wächtern über die Hygieneregeln zu entgehen:
„[…] / Wochenend' und Sonnenschein / Und dann mit dir im Wald allein / Weiter brauch ich nichts zum Glücklichsein / […] / Kein Auto, keine Chausee / Und niemand in unsrer Näh' / Tief im Wald nur ich und du / Der Herrgott drückt ein Auge zu / […].“

(Georg Schaaf)


Ausgewählte Literatur:
Zu den FEL TEMP REPARATIO-Prägungen:

  • RIC VIII Constantinople 86 (2021). Online verfügbar unter http://numismatics.org/ocre/id/ric.8.cnp.86, zuletzt geprüft am 02.03.2021.
  • Mattingly, Harold (1933): FEL. TEMP. REPARATIO. In: The Numismatic Chronicle and Journal of the Royal Numismatic Society 13 (51), S. 182–202. Online verfügbar unter http://www.jstor.org/stable/42678521.
  • Portmann, Werner (1999): Die politische Krise zwischen den Kaisern Constantius II. und Constans. In: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte 48 (3), S. 301–329. Online verfügbar unter http://www.jstor.org/stable/4436550.
  • Olbrich, Konstantin (2004): Athanasius, die Kaiser und der Anbruch einer neuen Ära: Propaganda und Münzprägung um 343 n. Chr. In: Klio 86 (2). DOI: 10.1524/klio.2004.86.2.415.

Nachantike staatliche Propaganda:

Nachantike Panegyrik:

FEL TEMP REPARATIO „unpolitisch“:

Exkurs: