

Aus den Anfängen der polnischen Münzprägung
Menschen unserer Zeit assoziieren Münzen und Zahlungsmittel mit einem Staat. Gesellschaften konnten aber auch ohne feste Staatlichkeit bestehen. So ist bei den Germanen davon auszugehen, dass es eine solche nicht gab. Geldbenutzung konnte es auch ohne Staat geben, sei es kommerzieller Austausch oder als symbolische Transaktion. Die vielen römischen Münzfunde im germanischen Großraum legen davon Zeugnis ab. Im Frühmittelalter wurde auch im Norden und Osten Europas mit Münzgeld hantiert, ohne dass sich dort schon feste Staaten gebildet hätten. Dabei war zunächst der Import von Silbermünzen aus dem islamischen Zentralasien, dem Iran und dem Gebiet des heutigen Irak über die Wolga bis in die Anrainerländer der Ostsee und vereinzelt noch darüber hinaus von Bedeutung. In Teilen der islamischen Welt war es zu einer Abkehr von Geld mit nach Gewicht und Feingehalt normierten Münzeinheiten gekommen und man nutzte Silbermünzen nach Gewicht und zerbrach diese bei Bedarf, um etwa kleinere Stück zu erhalten.
Modellartig nennt man in Europa dieses System Gewichtsgeldwirtschaft. Sie wurde mit dem Import des Silbers aus dem Osten übernommen und schloss auch Silber in anderen Form, also etwa Barren oder Schmuck und Schmuckfragmente ein. Mit den Münzen und Silberstücken anderer Form verbreiteten sich die Feinwaagen. Voraussetzung für die damit einhergehenden ökonomischen Veränderungen war natürlich, dass Edelmetall als theoretisch erstrebenswert galt. Fragmentierter Schmuck konnte ebenso Zahlungsmittel sein wie Münzen oder Münzfragmente.
Polen entstand im Verlauf des 10.Jahrhunderts zunächst durch Ausbau eines Netzes von Burgen im Westen des heutigen Polens, dem Gebiet der Polanen. Nach archäologischem Befund waren diese gut vernetzt mit dem elbslawischen Bereich, also vereinfacht ausgedrückt dem Gebiet zwischen Elbe und Oder. Um die Mitte des 10.Jahrhunderts verdichtete die Dynastie der Piasten besonders durch Bau von Burgen die Macht im Raum Gnesen, sodass man von einem Staat sprechen kann. Andere Burgen wurden dafür zerstört. 966 wurde der Herrscher getauft und es begann die Christianisierung
Die Erforschung der „nationalen“ polnischen Münzprägung geht in das 19.Jahrhundert zurück. Ihr hoher, auch politischer Stellenwert zeigt sich darin, dass die Münzen der ersten Herzöge auf den polnischen Banknoten abgebildet sind. Kazimierz Stronczyński (1809-1896), der sich der mittelalterlichen Geschichte seines Landes einschließlich der historischen Grundwissenschaften verschrieb, war der erste, der sich mit Methodik diesen Fragen zuwandte. Marian Gumowski versuchte, nicht ganz frei von nationalem Übereifer, das Material zu vermehren und beanspruchte, große Teile der auf polnischem Gebiet gefundenen Münzen für polnische Münzstätten. Eine neue Generation von Historikern geführt von Ryszard Kiersnowski (1925-2006) sprach sich gegen einen solchen Ansatz aus und wollte nur noch diejenigen Münzen als königlich polnisch anerkennen, die durch ihre Aufschriften als solche gekennzeichnet sind. Sein Schüler Stanisław Suchodolski untersuchte die Münztypen in ihrem archäologischem Kontext, d.h. hier in ihren Vorkommen in datierbaren Schatzfunden, und kam zu dem Ergebnis, dass drei prominente Münztypen mit dem Namen Mieszko nicht den Staatsgründer Mieszko I. meinen können, sondern unter dessen Enkelsohn Mieszko II. (1025-1034) entstanden sein müssen. Eine Konsequenz hieraus war, dass der Beginn einer Münzprägung in Polen später anzusetzen ist, nämlich unter Boleslaw I. Chrobry. Er war 992-1025 Herzog von Polen und wurde kurz vor seinem Tod erster König des Landes.
In die Anfangszeit der Münzproduktion in Polen gehört die ganz oben gezeigte Münze mit dem Namen des hl. Wenceslaus um ein Kreuz herum. Dass der Patron Böhmens auf der Münze genannt ist, ist mit der Verwandtschaft Boleslaws über seine Mutter mit den böhmischen Herrscher erklärt worden. Als Entstehungsort ist auf Grund der Fundverbreitung Posen/Poznan vorgeschlagen worden. Daneben prägte Boleslaw auch Nachahmungen der im Harz entstandenen Otto-Adelheid-Pfennige und noch andere Typen, die über gemeinsame Prägestempel miteinander verbunden sind.
Durch Aufschrift gesichert ist eine zweite Münzstätte in Gnesen/Gniezno.
Auffällig ist, dass in etwa zeitgleich auch die Münzprägung in Dänemark, wo allerdings vorher schon am Südrande des Landes in Haithabu geprägt worden war, in Norwegen und in Schweden begann. Die älteste skandinavische Münzprägung ist jedoch sehr stark angelsächsisch geprägt, was man von der polnischen Prägung nicht sagen kann. Es bestanden aber familiäre Beziehungen der Piasten zu den skandinavischen Herrscherfamilien.
Studien haben gezeigt, dass die Anfänge der Münzprägung in Polen viel ähnliche Erscheinungen aufweist wie diejenige in Nordeuropa. Das zeigt sich darin, dass mit den Münzen keine Gewichtstandards verbunden sind. Die leichtesten Münzen aus einem Stempel können weniger als die Hälfte der schwersten Exemplare ausmachen. Mit der Münzprägung ist also kein Übergang zu einer Münzgeldwirtschaft verbunden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass mit den Stempeln, die zwar nicht immer leicht lesbare, im Endeffekt aber sinnvolle Aufschriften wie PRINCES POLONIE haben, andere Stempel verbunden sind, die keine deutbaren Aufschriften haben. Sogar sind Kombinationen nachgewiesen, die auf beiden Seiten sich nicht durch Schrift zu erkennen geben. Auch kommen Kombinationen vor, die in Westeuropa unvorstellbar wären, wie etwa eine Koppelung zwischen imitiertem Bild und Namen des angelsächsischen Königs Ethelred II. und dem in Regensburg üblichem Münzbild dieser Jahre. Die Fertigkeit des Stempelschnitts ist auch variabel. Neben Prägestempeln, die mindestens so gut sind wie solche aus Münzstätten im Deutschen Reich, gab es auch in herzoglichen Münzstätten – durch Stempelkoppelung nachgewiesen – Prägungen mit ziemlich geringem technischem Standard., die man früher vermuteten halblegalen privaten Münzstätten zugeschrieben hat. Man nimmt an, dass die Zahl von qualifizierten Stempelgraveuren beschränkt war und deshalb solche Unterschiede entstanden. Eine Besonderheit Polens ist es, dass, anders als in Deutschland, England oder Skandinavien auch einseitige Münzen geprägt wurden. Für diese ist das oben abgebildete mit der Umschrift PRINCESPOLONIE um ein Kreuz mit Ringeln in den Winkeln ein Beispiel. Die Führung des Titels Princeps, der sonst in Europa zu dieser Zeit wenig benutzt wurde, ist bemerkenswert. Er beansprucht, in einem bestimmten Gebiet die Herrschaft auszuüben. Auf den ältesten Münzen Boleslaws nennt er sich eher Dux (Herzog).
Hier ist sicher noch nicht alles entdeckt und man darf gespannt sein, was noch zu Tage kommen wird. Eine Erkenntnis, die sich hieraus ableiten lässt, ist, dass diese frühe Prägung einen größeren Umfang gehabt hat, als man früher angenommen hat. Untersucht man aber die Münzschatzfunde aus dem Herrschaftsgebiet Boleslaws, so ist es eindeutig, dass die in Polen selbst geprägten Münzen quantitativ den aus Westeuropa importierten Münzen deutlich unterlegen waren. Sie machte nur einen minimalen Prozentsatz der verfügbaren Silberstücke aus.
In einer Wirtschaft, in der es auf das, was auf den Münzen stand, kaum ankam, war der mitunter nicht gute technische Standard bedeutungslos. Man kann eher fragen, warum einige Stempel mit korrekten Umschriften entstanden sind. Man mag auch die Frage stellen, was ihre Funktion war. Die Antwort ist nicht einfach und umstritten. Sicher ist, dass sie keine Standardwährung waren. Vorgeschlagen wurde, dass „fiskalische Motive“ hinter der Prägung gestanden hätten. Ihre Bedeutung hätte darin gelegen, Zahlungsmittel zu haben, mit denen Gefolgsleute und Krieger hätten bezahlt werden können. Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese einen Unterschied zwischen piastischen und sonstigen Münzen und Silberstücken gemacht haben. Gründe der Machtdemonstration sind ebenfalls unwahrscheinlich, da die Koppelung von Münzen mit Nennung des Herrschers und völlig anonymen oder sogar solchen, die einen fremden Herrscher wie den angelsächsischen König Ethelred II. nennen, dem widerspricht.
Dass die ersten Münzen des Landes sich an deutschen und englischen Münzen orientierten, liegt daran, dass im 3. und 4. Viertel des 10.Jahrhunderts ein Ablösungsprozess stattfand. Aus Zentralasien, wo auch die Silberqualität nachgelassen hatte, kamen immer weniger Münzen. Die Lücke wurde gefüllt durch Import von Münzen aus Deutschland, wo die Silberförderung und mit ihr die Münzprägung in der gleichen Zeit einen starken Auftrieb erfahren hatten, sowie aus England, das unter Ethelred II. ebenfalls eine Steigerung seiner Münzproduktion erlebte. In Polen kamen die Importe aus Deutschland in erster Linie über Böhmen aus Bayern sowie aus den den Slawen benachbarten Regionen des Herzogtums Sachsen. Gegen Ausgang des 10.Jahrhunderts intensivierten sich die Beziehungen zwischen Sachsen und Polen auch im Bereich des Silberimports, was sich nicht zuletzt an der Zusammensetzung der Schatzfunde mit Schlussjahren in den 980-ern oder 990-ern ablesen lässt. Die Beziehungen waren in ihrer Qualität wechselhaft, die Kriegszüge zwischen Boleslaw und dem deutschen König Heinrich II. einschloss.
(Peter Ilisch)
Literatur:
- Dariusz Adamczyk, Monetarisierungsmomente, Kommerzialisierungszonen oder fiskalische Währungslandschaften? Edelmetall, Silberverteilungsnetzwerke und Gesellschaften in Ostmitteleuropoa 800-1200. Wiesbaden 2020.
- Stanisław Suchodolski, The beginnings of Polish coinage in the light of recent research.Wiadomosci Numizmatyczne Jg.59 (=Polish Numismatic News 9), 2015, S. 67-94.