„Erinnern ist fester Bestandteil jüdischen Lebens“

Neuer Forschungspodcast „Zugehörig oder ausgegrenzt?“ des Exzellenzclusters wirft Schlaglichter auf 1.700 Jahre jüdisches Leben – Forschende aus Judaistik, Geschichte und Theologie berichten an Bildern, Manuskripten und Fotos aus dem Alltag und religiösen Leben von Jüdinnen und Juden ebenso wie über Ausgrenzung und Verfolgungen – Podcast zum Festjahr „2021. Jüdisches Leben in Deutschland“

Pressemitteilung vom 19. April 2021

© exc

Die Erinnerung an die eigene Geschichte, wie sie im bundesweiten Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gepflegt wird, ist Judaistinnen zufolge seit jeher Bestandteil jüdischen Lebens. „Die jüdische Kultur hatte immer ein enges Verhältnis zur eigenen Geschichte – nicht erst seit der Shoah – und definiert sich stark über ihr kollektives Gedächtnis“, sagen die Judaistinnen Prof. Dr. Regina Grundmann und Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster zum Start der Podcastreihe „Zugehörig oder ausgegrenzt? 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ des Exzellenzclusters. Mit Kolleginnen und Kollegen ihres Faches sowie der Geschichte und Theologie erzählen sie jüdisches Leben in Deutschland an ausgewählten Fallbeispielen von der Ersterwähnung in der Spätantike bis in die Gegenwart – auf Basis ihrer Forschungsarbeiten und ausgehend von vielfältigen Bildquellen: vom Gesetzerlass Kaiser Konstantins von 321 über reich verzierte Bücher der jüdischen Liturgie des Mittelalters und Urlaubsfotos jüdischer Bäderkultur im frühen 20. Jahrhundert auf Norderney bis zum „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ in den ersten Jahren der NS-Diktatur und dem Gedenken an die Shoah heute.

„Wir berichten im Podcast vom jüdischen Leben in Deutschland in seiner ganzen Fülle, ohne Antijudaismus, Antisemitismus und Verfolgung im Lauf der Jahrhunderte auszuklammern oder falsche Kontinuitäten über die Zeit zu konstruieren“, so die Judaistinnen Grundmann und Kogman-Appel. Ein differenzierteres Bild ergebe sich erst in der jüngeren Forschung, so Humboldt-Professorin Kogman-Appel, „wenn jenseits einer lakrimosen Geschichtsschreibung, die jüdisches Leben vor allem als Ausgrenzung beschreibt, auch Zugehörigkeiten zur Mehrheitsgesellschaft aufgezeigt werden. Darauf legen wir das Augenmerk im Themenjahr ‚Zugehörigkeit und Abgrenzung‘ des Exzellenzclusters – auch in unserer Podcastreihe, die Teil des Festjahrs ‚1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland‘ ist.“ Der Podcast wirft thematische Schlaglichter sowohl auf blühendes jüdisches Leben in verschiedenen Perioden als auch auf immer wieder auftretende Spannungen mit der Mehrheitsgesellschaft bis hin zu Ausgrenzung und Verfolgung.

Wöchentliche Podcast-Folgen von der Antike bis in die Gegenwart

Das Leben von Jüdinnen und Juden etwa im Mittelalter habe sich nicht in Isolation abgespielt, wie manche bis heute meinten, unterstreicht Kogman-Appel: „Bei allem, was Jüdinnen und Juden von ihrem Umfeld unterschied, lebten sie recht eng mit Christinnen und Christen zusammen. Das galt auch für Politik und Handel. Auch in Kleidung und Sprache, dem Jiddischen, bestand viel Nähe,“ Abgrenzungen seien auch von Jüdinnen und Juden ausgegangen: „Ein Ziel jüdischer Gemeinderituale war es, sich vom christlichen Umfeld abzugrenzen, die eigene Identität zu definieren und den Zusammenhalt der Gruppe über Jahrhunderte sicherzustellen.“ (sca/vvm)