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Sechs Fragen an… Prof. Dr. Antonia Eder

Seit dem 1. April hat Prof. Dr. Antonia Eder die Professur für Neuere deutsche Literatur inne
Antonia Eder
Prof. Dr. Antonia Eder
© privat

Willkommen am Fachbereich Philologie der Universität Münster! 

Herzlichen Dank, ich freue mich sehr, hier zu sein!

Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Stadt und Universität?

Münster und seine Universität haben mich in diesen ersten Wochen im Sturm erobert: Sonnenschein und Willkommen tagein, tagaus! Woher das Sprichwort mit dem Glockenläuten und dem Regen kommt, erschließt sich mir gar nicht… Den Start an Fachbereich und Institut haben mir viele projekt- und unternehmungslustige Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Fächern, die dieser wunderbar große Fachbereich zu bieten hat, mit hilfreichen Tipps, Einladungen zu Kooperationen, handfester Unterstützung und herzlichem Willkommen leicht gemacht, so dass ich mich nochmal mehr gefreut habe, genau auf dieser Professur mit meinen Projekten und Plänen für die Neuere deutsche Literatur angekommen zu sein!

Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Als Literaturwissenschaftlerin kennzeichnet die Trias von Geschichte – Form – Theorie sowohl meine Forschung als auch meine Lehre, wobei ich oft interdisziplinäre Akzente setze, indem ich vorrangig drei Schwerpunkte in ihrer Wechselwirkung mit der deutschsprachigen Literatur erforsche: 1. Wissen, 2. Ästhetik und 3. Ethik. Spezieller arbeite ich zu Fragen wissensgeschichtlicher Grundierung und medialer Vermittlung von Erkenntnis, d.h. zu Wechselbeziehungen zwischen Wissen und Zeichen, vor allem zwischen Literatur, Recht/Forensik und Semiotik – hier stehen für mich Indizien als gleichzeitig materiales, semiotisches und hermeneutisches Phänomen im Zentrum. Ich interessiere mich ebenfalls für kulturelle Vorgeschichten (besonders Mythos und Antikerezeption) sowie für eine ‚Poetik der Müdigkeit‘ als Verschränkung von Ästhetik und Anthropologie – ein Thema, das aber auch politische Implikationen hat. Geschlechtertheorie spielt für meine Forschungen ebenfalls eine zentrale Rolle. In diesem Kontext interessiert mich das Verhältnis von Raumsemantik und Geschlecht auf theatralen, d.h. literarischen und rhetorischen, aber auch politischen, sozialen, medialen und juridischen Bühnen. Wissenschaftstheoretisch und -historisch forsche ich viel zum Zusammenhang von Macht, Reflexions- und Urteilsformen im Bereich Wissen und Ethik, v.a. in Bezug auf Relevanzkriterien und Wissenspraktiken (Un/Nützes Wissen, Ökonomie & Literatur). Grundsätzlich spielt für diese ästhetischen, medialen, epistemologischen, gattungs- und gendertheoretischen Fragen immer das Verhältnis von Darstellung (wie?) und Dargestelltem (was?) in der Literatur eine zentrale Rolle.

Wann haben Sie begonnen, sich für Ihr Fach bzw. Ihre Forschungsrichtung zu interessieren?

Mein Herz für die Literatur, aber auch den historisch und theoretisch fundierten Umgang mit ihr habe ich bereits in der Schule für mich entdeckt – ein sehr guter, uns Schüler:innen ebenso viel zumutender wie zutrauender Deutschlehrer hat schon dort Literatur mit Wissensgeschichte und Theater (Theorie wie Praxis) verknüpft, so dass ich nach kurzem Schwanken (doch Medizin? oder Archäologie?) dann meinen breit gefächerten Interessen in einem Magisterstudium der Literatur, Politologie, Philosophie und Psychologie nachgegangen bin – zunächst in Paris, wo ich zuvor an der Deutschen Schule war und mir eine schwere Frankophilie eingefangen habe, dann in Berlin – auch ein wirklich guter Denk-Ort: Seitdem bedeutet Literaturwissenschaft für mich, sich in Geschichten verwickeln zu lassen, um sie dann reflektiert wieder zu entwickeln.

Was verbinden Sie mit dem Begriff „Forschendes Lernen“?

Sowohl mein eigenes, immer weiter andauerndes, durch Forschen motiviertes Lernen, als auch spannende (Lehr-)Veranstaltungen, in denen gemeinsam über Problemkomplexe nachgedacht und gerätselt, gelesen und gefragt, verstanden und weiter gefragt wird. Das Forschende Lernen ist von meiner Warte aus aber oft auch ein lehrendes Forschen, das mir im Austausch mit Studierenden und Promovierenden andere Perspektiven und Zugriffe auf eigene Forschungsgegenstände und aktuelle Forschungsfragen ermöglicht. So lässt sich das schöne didaktische Lehrparadoxon (Wie kann ich als Lehrende die Lernenden zu selbständigem Denken anhalten?) umwenden und Literaturwissenschaft wird zum buchstäblich gemeinsam zu erforschenden Entdeckungsraum.

Was sind Ihre Tipps für ein erfolgreiches Studium?

Ein erfolgreiches Studium ist auch ein erfüllendes Studium – und das braucht Zeit. Und Lust. Und Willen. Und Gemeinschaft. Take your time, wenn es irgendwie geht, um die an der Uni dar- und angebotene Wissensfülle für sich und in Gruppen zu nutzen und zu genießen… Eine runde Mischung aus diszipliniertem Nachdenken und offenem Austausch, gelassenem Durchhalten und spannenden (Auslands-)Erfahrungen trägt viel dazu bei, das Studium zu einer sehr besonderen, selbstbestimmten, reichen und lustigen Zeit werden zu lassen, in der man sowohl Fachinhalte als auch sich und die eigenen Stärken und Schwächen (aber auch die anderer) kennen- und Ambivalenzen verstehen lernt. Literatur ist dabei keine schlechte Begleiterin!

Und zu guter Letzt: Haben Sie schon ein Fahrrad? 

Aber selbstverständlich! Es ist das schöne Herrenrad meines Vaters, das er mir bei dem ersten Besuch meiner Eltern hier in Münster mitgebracht hat und das nun mich gut gefedert über das Kopfsteinpflaster trägt…

Weitere Informationen:

Homepage Prof. Dr. Antonia Eder

Die "Sechs Fragen an..." werden neuberufenen Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Philologie gestellt. Prof. Dr. Antonia Eder lehrt und forscht seit dem 1. April am Germanistischen Institut.