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Sechs Fragen an... Prof. Dr. Roland Ludger Scheel

Seit dem 1. Oktober hat Prof. Dr. Roland Ludger Scheel die Professur für Skandinavistik inne
Prof. Dr. Roland Ludger Scheel
Prof. Dr. Roland Ludger Scheel
© privat

Willkommen am Fachbereich Philologie der WWU Münster!

Vielen Dank! Ich fühle mich hier sehr willkommen, und das schon seit den ersten Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich und an meinem neuen Institut.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Stadt und Universität?

Münster hat Atmosphäre. Die teilweise Rekonstruktion der Altstadt nach dem Zweiten Weltkrieg – die ja heute andere Städte mit zu Recht kritischer Resonanz nachzuholen versuchen – ist gut gelungen. In der Stadt findet sich zudem viel Grün. Das und die studentische Prägung haben mir schon im kleineren Göttingen sehr gut gefallen, deshalb ist mir Münster auf Anhieb sympathisch. Der Universität geht es gut, was man sehr deutlich an den Arbeitsbedingungen spürt, und mein Arbeitsbereich, die Mediävistik, ist in den Nachbarfächern ebenso stark vertreten wie in großen Verbundprojekten. An unserem Institut herrscht eine vertrauliche, kollegiale Atmosphäre, wie sie in der Skandinavistik üblich ist. Der erste Eindruck könnte kaum besser sein!

Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?

Ich beschäftige mich mit der Literatur des skandinavischen Mittelalters, also mit Sagas, Skaldendichtung und der reichen mythologischen Überlieferung, wie sie in den als Edda bezeichneten Texten zu finden ist, aber auch mit lateinischen Chroniken aus Skandinavien und Rechtstexten. Dabei interessiert mich vor allem, wie in solchen frühen Zeugnissen einer Schriftkultur Identitäten ausgehandelt werden, wie in Erzählungen politische Diskurse geführt und Ordnungsmodelle diskutiert werden. Dass dies von Anfang an in einem kulturübergreifenden Raum stattfindet, ist ungeheuer spannend: Schließlich treffen sich gerade in den vernakularen Literaturen des Mittelalters lokale Wissensbestände und Mentalitäten mit globalen Diskursen. Wie so aus Kulturtransfer zwischen den südlicher gelegenen Teilen Europas und Skandinavien etwas ganz Neues entsteht und auch Traditionen erfunden werden, in der Geschichtsschreibung und im Rechtsdenken, steht im Zentrum meiner Forschung. Solche Vorstellungen, im Mittelalter geprägt, sind bis heute in vielfacher Hinsicht wirksam. So hat die skandinavische Romantik im Rückgriff auf mittelalterliche Texte zum Beispiel den Begriff des "Wikingers" erfunden, mit dem sich zahlreiche Assoziationen und Klischees verbinden. Wie diese Vorstellungen und auch die Rezeption der skandinavischen Mythologie in der Moderne bis heute wirken, etwa in Museumsausstellungen, ist eine weitere Frage, die ich zusammen mit meiner Projektmitarbeiterin verfolge.

Wann haben Sie begonnen, sich für Ihr Fach bzw. Ihre Forschungsrichtung zu interessieren?

Während des Zivildienstes. Fand ich den Geschichtsunterricht in der Schule noch mäßig interessant und sah mich eher als Naturwissenschaftler, fesselte mich dann eine eher zufällig in der Freizeit besuchte Vorlesung zur "Welt des Mittelalters", die mir bis dahin weitgehend unbekannt war. Die kulturgeschichtliche Entwicklung und Verflechtung in diesen nachrömischen Jahrhunderten und die Methoden zu ihrer Erforschung waren faszinierend, und so kam ich schließlich über die nordeuropäische Geschichte zu meinem Zweitfach Skandinavistik, das dann immer wichtiger wurde.

Was verbinden Sie mit dem Begriff "Forschendes Lernen"?

Forschendes Lernen ist das, was ich seit meinem zweiten Studienjahr bis heute betreibe und was ich seit meinem Wechsel in die Rolle des Dozenten versuche, den Studierenden zu vermitteln. In unseren Fächern ist es ja recht früh möglich, nicht allein verwertbares Grundwissen und Sprachkompetenz zu erwerben, sondern auch eigene Fragen an unsere Forschungsgegenstände heranzutragen. Selbständig das Material zu sondieren und seine Kenntnisse zu erweitern, Fragestellungen zu entwickeln, Probleme in Reflexion der eigenen Prämissen und Methoden anzugehen und eigene Hypothesen aufzustellen: Das macht ein gutes Seminar aus und spiegelt in klassischer Einheit von Forschung und Lehre die eigene Arbeit als Forscher. Studierende sind ab einem gewissen Punkt auch junge Kolleginnen und Kollegen.

Was sind Ihre Tipps für ein erfolgreiches Studium?

Erstens: Wählen, was einen wirklich interessiert, und im Zweifel diese Wahl auch korrigieren. Zweitens: Dranbleiben und sich einlassen, auch wenn es einmal auf den ersten und zweiten Blick nicht so interessant sein mag. Manche Aspekte eines Studiums muss man sich mit Zähigkeit erarbeiten, aber sie eröffnen am Ende neue Perspektiven. Das lohnt sich! Drittens: Hingehen, gerade jetzt nach dem Ende der Online-Semester. Auf Tagungen passieren die eigentlich wichtigen Dinge, sprießen die Ideen im direkten Gespräch, gerade auch in den Kaffeepausen am Rande. Das ist im Studium nicht anders. Es ist extrem wichtig, dass man mit seinen Ideen und Fragen, aber auch mit den Problemen nicht allein ist. Kommunikation mit Kommilitoninnen und Kommilitonen und natürlich auch mit den Lehrenden ist die halbe Miete.

Und zu guter Letzt: Haben Sie schon ein Fahrrad?

Selbstverständlich, allerdings steht es bis zum hoffentlich baldigen Umzug nach Münster einstweilen noch in Göttingen. Von daher geht der Trend zum Zweitfahrrad.

Weitere Informationen:

Homepage Prof. Dr. Roland Ludger Scheel

Die "Sechs Fragen an..." werden neuberufenen Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Philologie gestellt. Dieses Mal hat Prof. Dr. Roland Ludger Scheel die Fragen beantwortet. Er lehrt und forscht seit dem 1. Oktober am Institut für Nordische Philologie.