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Mit altem Wissen die Gegenwart besser verstehen

Ausstellung im Archäologischen Museum veranschaulicht ab 10. Januar die Bedeutung der "Kleinen Fächer"
© Uni MS

Kleine Menschen können bekanntlich große Schatten werfen. Ähnliches gilt für die sogenannten Kleinen Fächer, die in der Öffentlichkeit nur selten eine Hauptrolle spielen. "Dabei bringen gerade die geisteswissenschaftlichen Disziplinen historische und kulturgeschichtliche Tiefenschärfe in aktuelle Fragestellungen", betont Achim Lichtenberger, Professor für klassische Archäologie und Direktor des Archäologischen Museums der WWU. Die Kenntnis alter Kulturen beispielsweise helfe dabei, die Gegenwart besser zu verstehen. Für die Weitergabe von jahrtausendealtem Wissen seien gerade Fachrichtungen wie Ägyptologie, Kulturanthropologie, Judaistik, Islamwissenschaft und Sinologie unverzichtbar. Gemäß der offiziellen Definition handelt es sich bei ihnen um Kleine Fächer, weil sie an nur wenigen Standorten von maximal drei Professorinnen und Professoren unterrichtet werden – was natürlich wenig über ihre Bedeutung aussagt.

Eine Ausstellung im gerade wiedereröffneten Archäologischen Museum soll das im neuen Jahr ändern. Unter dem Titel "WeltWeit.Unverzichtbar" werden sich knapp 20 Fächer der Universität Münster im Rahmen der "Kleine-Fächer-Wochen" mit ihren Eigenheiten, Gemeinsamkeiten und Leistungen präsentieren. Möglich macht dies eine Förderung der Hochschulrektorenkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Höhe von 50.000 Euro. Sie soll helfen, Kleine Fächer gezielt ins Rampenlicht zu rücken, wobei deutschlandweit insgesamt 17 Projekte unterstützt werden.

"Das Museum bietet uns eigene Möglichkeiten des Wissenstransfers, weil wir vieles anhand von Objekten und in Interaktion mit den Besuchern erklären können", betont Achim Lichtenberger. Wie aber die Vielfalt der Kleinen Fächer gemeinsam abbilden? Drei Schwerpunkte sollen den großen Bogen spannen: Es wird um Migration, um Nachhaltigkeit und um Kommunikation gehen – mit teils überraschenden Exponaten.

Was macht das Wurstebrot im Museum? "Wer in Münster lebt, muss das kennen", sagt Dr. Helge Nieswandt, Kustos des Archäologischen Museums, über diese herzhafte Mischung aus Blut, Fleisch und Roggenschrot, die in Scheiben gebraten auf den Tisch kommt. Als westfälische Spezialität mit langer regionaler Tradition enthält das Wurstebrot auch eine unerwartet exotische Zutat, wie WWU-Kulturanthropologen gezeigt haben: Kumin oder Kreuzkümmel, heimisch im Mittelmeerraum und in Asien.

In der Ausstellung verkörpert das Wurstebrot deshalb ein positives Beispiel einer speziellen Variante von Migration. Wie zeitlos und weltumspannend das Thema Nachhaltigkeit ist, soll unter anderem eine Recycling-App aus China und eine nachgebaute Müllstation zeigen, die Abfälle den jeweils passenden Tonnen zuordnet. Im Bereich der Kommunikation wiederum wird es etwa um "Fake News" gehen, wenn antike Herrscher dank Abbildungen und Inschriften auf Münzen maßgeschneiderte Mythen in die Welt setzten.

Identitätsbildung per Zahlungsmittel ist übrigens immer noch in Mode. So tragen Euro-Scheine Motive wie Brücken und Tore, auf dass die Völker Europas zueinander finden. "Wir wollen den Beweis antreten, welcher Wert, welche Vielfalt und welche gesellschaftliche Relevanz in den Kleinen Fächern stecken", sagt Prof. Dr. Angelika Lohwasser vom Institut für Ägyptologie und Koptologie. Sie initiierte mit Achim Lichtenberger den Förderantrag.

Die wichtigsten Zielgruppen der Ausstellung, die ab 10. Januar zu sehen sein wird, seien Schüler der Oberstufe sowie Abiturienten ohne konkrete Studienpläne, so Angelika Lohwasser. Dieses junge Publikum soll aber auch angesprochen werden, wo es ohnehin zu finden ist – in den sozialen Medien. Bildervideos, Fragespiele, Instagram-Storys sowie Trailer und Testimonials werden Exponate und Forschende in unterschiedlichen Formaten präsentieren.

"Wir erweitern die analoge Ausstellung digital in unseren neuen Kanälen auf Twitter und Instagram ", berichtet Viola van Melis, Leiterin der Wissenschaftskommunikation des Exzellenzclusters "Religion und Politik", in dem die Kleinen Fächer eine große Rolle spielen. Die Kampagne liefere gleichzeitig den Auftakt für ein langfristiges Projekt: "Der Exzellenzcluster wird seinen langjährigen Forschungstransfer um solche Social-Media-Aktivitäten erweitern und noch mehr Menschen direkt erreichen", fügt sie hinzu. "Schließlich haben die Geisteswissenschaften grundsätzlich und speziell in ihren Social-Media-Aktivitäten Nachholbedarf, wenn es um Wissenschaftskommunikation geht. Auch da wollen wir zeigen, dass es anders geht."

Die Ausstellung:

Die Ausstellung ist vom 10. Januar bis 22. März 2020 im Archäologischen Museum, Domplatz 20-22, zu sehen. Sie ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Begleitprogramm:

19. Januar, 14 bis 18 Uhr, und 11. Februar, 12 bis 18 Uhr: Großer Auftritt der Kleinen Fächer – bei beiden Veranstaltungen stehen Forscher sowie Studierende der Kleinen Fächer als Gesprächspartner für alle Interessierten bereit.

20. März, 18 bis 24 Uhr: Große Nacht der Kleinen Fächer

Führungen für Schulklassen sind während der Ausstellungszeit jederzeit buchbar (s_erha01@uni-muenster.de).

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 18. Dezember 2019.

Original-Artikel in der Uni-Zeitung "wissen|leben"
Homepage "WeltWeit.Unverzichtbar. Kleine Fächer für große Themen"
Institute am Fachbereich Philologie