Januar 2024
Januar 2024

Münze des Monats

© Robert Dylka

Im Westen nichts Neues: Der Wunsch nach Frieden bleibt – auch im Sonderreich

Antoninian (AE, 2,76 g / 2 h / 22 mm), Münzstätte Trier, Mitte 269 n. Chr.

Vs. IMP C M PIAVVONIVS VICTORINVS [P F] AVG. Drapierte Panzerbüste des Victorinus n. r. mit Strahlenkrone.

Rs. PA-X AVG. Die Personifikation des Friedens steht frontal mit Blick n. l., in der erhobenen r. Hand hält sie einen Zweig, im l. Arm ein Zepter.

Archäologisches Museum der Universität Münster, Inv. M 5729 (ehem. Slg. Pfeiffer)

Literatur: RIC V,2 (Victorinus) S. 397 Nr. 116 = RIC V,42 (Victorinus) S. 169 Nr. 501; Mairat 2014, S. 343 und 649 Nr. 561.

 

Das neue Jahr 2024 startet wie das alte endet: unruhig. Neben Unwetter und Naturkatastrophen sind es alte und neue Krisen und insbesondere Kriege, die die Menschen überall auf der Erde beschäftigen. Die Sehnsucht nach Sicherheit und Frieden wächst in dem Maße, wie deren Absenz zunimmt. Dass das Thema »Frieden« gerade dann eine besondere Präsenz in sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskursen wie in den alltäglichen Gedanken der Menschen erhält, ist wenig verwunderlich und auch kein modernes Phänomen, es begegnet uns schon in der Antike. Ganz unterschiedliche Beispiele sind »Der Frieden«, ein Theaterstück, das der athenische Komödiendichter Aristophanes während des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) verfasste (Uraufführung 421 v. Chr.), oder die Münzprägung, besonders die kaiserzeitliche römische Reichsprägung, deren Bilder uns viel über die jeweilige Zeit verraten, für die sie konzipiert und in der sie verbreitet wurden.

Die Münzen im 3. nachchristlichen Jahrhundert sind geprägt von kaiserlichen Tugenden, Gottheiten und Personifikationen wie Concordia (»Eintracht«, gemeint ist die innerhalb des Kaiserhofes und bes. die mit dem Heer, ausgedrückt durch CONCORDIA MILITVM, CONCORDIA EXERCIT(us) oder CONCORDIA LEG[ionum]), Salus (»Gesundheit«, hier geht es um die des Kaisers und damit um die des Reiches), Spes (»Hoffnung«) oder eben Pax (»Frieden«) – alles Themen, die Stabilität und Ordnung suggerieren sollen, im Umkehrschluss aber oft gerade Ausweis von deren Mangel sind.

Das Imperium Romanum, das sich um das gesamte Mittelmeer herum erstreckte und von Hispanien bis in die Levante, von Britannien bis Ägypten reichte, in seiner Gesamtheit zu halten, schien angesichts von militärischen Unruhen und wirtschaftlicher Instabilität um die Mitte des 3. Jahrhunderts wenig aussichtsreich. Das eigentliche Zentrum der Macht, Rom, war von den verschiedenen Krisenherden weit entfernt. So kam es wiederholt zu Machtusurpationen und regionalen Unabhängigkeitsbestrebungen, Sonder- oder Teilreiche an den geografischen Rändern spalteten sich vom Gesamtreich ab: im Osten das Palmyrenische (ca. 260-272), im Westen das sogenannte Gallische (ca. 260-274) oder später das Britannische Sonderreich (ca. 287-296). Die Intentionen dieser regionalen Kaiser lagen in einer Stabilisierung der Verhältnisse im kleineren Rahmen, eben auf regionaler Ebene – mit römischen Mitteln.

Unsere »Münze des Monats« stammt aus dem Gallischen Sonderreich, das sich zeitweise über Hispanien, Gallien, Britannien, die Belgica und Germanien bis nach Raetien erstreckte. Nach anfänglicher Stabilität war hier die Lage allerdings bald ebenso unruhig wie im Zentralreich. Auch die Sonderreichskaiser stützten ihre Herrschaft auf die Stärke des Militärs, doch konnte dessen Stimmung schnell umschlagen. So war es nach dem Tod des Sonderreichskaisers Postumus (reg. 260-269) zu einem ›Vierkaiserjahr‹ gekommen, in dem sich zunächst Laelianus (reg. 269), dann Marius (reg. 269) versuchten durchzusetzen. Erst mit Victorinus (reg. 269-271), der in Gallien und Britannien, nicht aber in Hispanien anerkannt wurde, kehrte kurzzeitig wieder etwas Ruhe ein.

Das verspricht auch unsere Münze: Es handelt sich um einen sogenannten Antoninian, der zu einer kleinen Spezialsammlung von fast 200 Victorinus-Münzen gehört, die 2016 durch eine Schenkung an das Archäologische Museum gekommen sind. Victorinus ist auf der Vorderseite abgebildet und trägt wie alle ›gallo-römischen‹ Kaiser üblicherweise Panzer und Feldherrnmantel und bringt damit seine soldatische Verlässlichkeit zum Ausdruck. Mit Ausnahme des jugendlichen Tetricus II. (reg. wohl ab 272 n. Chr. als Caesar zusammen mit seinem Vater Tetricus I.) sind alle Sonderreichskaiser bärtig wiedergegeben und ihre Physiognomie ist insgesamt wenig individuell. Die stets sehr markante Strahlenkrone zeigt den Geldwert, einen Doppeldenar (auch Antoninian genannt oder Radiatus von lat. radiatus, »mit Strahlen«), an. Dass es sich dabei eigentlich und ursprünglich um Silbergeld handelte, sieht man diesen Stücken nur selten an, der dünne Silberüberzug ist in der Regel längst abgerieben und zurück bleibt nur der bronzene Kern der Münze. Die eigentliche Botschaft findet sich auf der Rückseite, die eine weibliche Figur mit einem Zweig in der Hand zeigt; die antiken Zeitgenossen werden sie sogleich als Pax, als Personifikation des Friedens erkannt haben. Dazu kommt die Beischrift PAX – Bild und Text ergänzen einander: Doppelt hält besser. Die Textkombination PAX AVG(usti) (»der Frieden des Kaisers«) verdeutlicht zudem, dass es der Kaiser war, dem man den (vermeintlichen bzw. ersehnten) Frieden zu verdanken haben würde.

Gleich zu Beginn seiner Herrschaft ließ Kaiser Victorinus diesen Typ ausgeben und nahm damit einen bereits unter Postumus gängigen Typus wieder auf, der dann über mehrere Emissionen immer wieder aufgelegt wurde. Dass unser Stück zu den ersten Victorinus-Münzen gehört, können wir der ausführlichen Vorderseitenlegende entnehmen, die noch die Kaisertitulatur mit allen Namen listet; in der Folge verkürzte man die Legende und ließ den ungewöhnlichen Familiennamen PIAV(V)ONIVS aus. In kurzer Zeit wurden große Mengen dieser Pax-Münzen produziert. Dabei ist die Ausführung ein wenig schlampig, die Schrötlinge sind oft leicht ausgefranst, wie bei unserem Beispiel – es musste schnell gehen.

Die Frage, wo diese Münzen produziert wurden, wurde in der Forschung lange diskutiert. Einig war man sich aufgrund stilistischer und formaler Unterschiede, dass es verschiedene Werkstätten gab, die die Münzgeldversorgung unter sich aufteilten. Die Residenzen der Sonderreichskaiser lagen im Grenzgebiet: Köln, Trier und Mainz waren die Zentren der neuen Macht und hier sind daher auch die Münzstätten zu verorten. Die konkrete Zuweisung der einzelnen Serien zu bestimmten Orten war jedoch lange umstritten – eine reguläre Münzstättenkennzeichnung, die diese Frage ganz einfach beantworten würde, kam erst später auf. Die Auswertung der großen Hortfunde der letzten Jahrzehnte brachte eine neue Systematik der einzelnen Serien. Die Typenverteilung in Hortfunden aus und um Köln und Trier gibt nun Aufschluss auf die jeweiligen Prägestättenzuweisungen; besondere Bedeutung kommt dabei der Ergrabung von Resten der kaiserlichen Münzstätte in Trier zu: Demnach war die Hauptmünzstätte, die auch die Pax-Münzen ausgab, in Trier zu lokalisieren. Von dort stammt also auch unsere »Münze des Monats«.

Die Kaiser des Gallischen Sonderreichs gingen für etwa ein Jahrzehnt ihren eigenen (römischen) Weg; dabei entsprachen die politischen und verwaltungstechnischen Strukturen in ihrem Herrschaftsgebiet denen in Rom, das gilt auch für ihre Münzen, die von ähnlichen Problemen wie im Zentralreich zeugen – und von denselben (numismatischen) Lösungen.

(Katharina Martin)

 

Weiterführende Literatur

  • J. F. Drinkwater, The Gallic Empire. Separatism and continuity in the North-Western provinces of the Roman Empire A.D. 260–274, Historia Einzelschriften 52 (Stuttgart 1987)
  • Th. Fischer (Hrsg.), Die Krise des 3. Jahrhunderts n. Chr. und das Gallische Sonderreich. Akten des Interdisziplinären Kolloquiums Xanten 26. bis 28. Februar 2009 (Wiesbaden 2012)
  • A. Lichtenberger – H.-H. Nieswandt – D. Salzmann (Hrsg.), Eirene/Pax. Frieden in der Antike, Ausstellung Münster, 28. April – 2. September 2018 (Dresden 2018)
  • J. Mairat, The Gallic Empire, Roman Imperial Coinage V,42 (London 2023) (= RIC V,42)
  • J. Mairat, The coinage of the Gallic Empire (Oxford 2014)             
  • E. Manders, Coining images of power. Patterns in the representation of Roman emperors on Imperial coinage, A.D. 193-284 (Leiden 2012)
  • H. Mattingly – E. A. Sydenham – P. Webb, Probus to Amandus, the Roman Imperial Coinage V,2 (London 1933). (= RIC V,2)
  • C. F. Noreña, Imperial Ideals in the Roman West: Representation, circulation, power (Cambridge 2011)