Veranstaltungen im Sommersemester 2016


Vorlesungen

DR. RÜDIGER SCHMIDT
084207 Vorlesung: Die Weimarer Republik
Montag: 14-15 Uhr, Mittwoch: 14-15 Uhr, Raum:
Beginn: zweite Vorlesungswoche

Wenngleich die Weimarer Republik als eine der am besten erforschten Epochen der deutschen Geschichte gilt, hat die Beschäftigung der Historiographie mit der ersten deutschen Republik kaum an Bedeutung verloren. Dabei hat sich inzwischen ein bedeutender Perspektivenwechsel der Forschung ergeben, indem sich deren Fokus inzwischen weniger auf das Anfang und Ende bzw. die sog. Geburtsfehler und das Scheitern der Republik richtet, sondern Weimar viel mehr als „Epoche eigener Art“, ja als Höhepunkt der „klassischen Moderne“ (Peukert) beschrieben wird. Mit der Weimarer Republik verbindet man heute ebenso politische Radikalisierung wie kulturelle Avantgarde. Es werden die ökonomisch-sozialen Begleiterscheinungen und Folgen der industriegesellschaftlichen Modernisierung ebenso thematisiert wie der Durchbruch zur soziokulturellen Moderne.

Literatur zur Einführung: Dieter Gessner, Die Weimarer Republik (=Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt 2002; Peter Hoeres, Die Kultur von Weimar. Durchbruch der Moderne, Berlin 2008; Hans Mommsen, Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918-1933, Berlin 1998; Detlev J. K. Peukert, Die Weimarer Republik. Krisenjahre der klassischen Moderne, Frankfurt a.M. 1987; Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917-1933 (= Die Deutschen und ihre Nation, Bd. 4), Berlin 1982; Heinrich August Winkler, Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1998.

Proseminare

MARKUS GOLDBECK
084218 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Von der rechtlichen
Einhegung des Krieges zu den Menschenrechten als „Moralpolitik“: Ideen und Praktiken internationaler Politik im 19. und 20. Jahrhundert.
Mo 8-12

In den 1970er Jahre gelangten die Menschenrechte aus verschiedenen Gründen zu ihrem internationalen Durchbruch. Die Gründe dafür waren in den letzten Jahren Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen. So seien Menschenrechte inhaltlich nicht klar definiert gewesen, weshalb sie sich für unterschiedliche, oft auch widersprüchliche Zwecke nutzen ließen. Ein weiterer Grund für die Attraktivität des Konzepts sei aber auch die „Rückkehr der Moral“ in die Politik gewesen. Woraus resultiert diese Attraktivität aber genau? Welche Rolle spielte Moral und um welche Moral handelte es sich? Das Seminar möchte den Erscheinungsformen und vor allem den Ursprüngen dieser „Moralpolitik“ (Stefan-Ludwig Hoffmann) nachgehen. Dazu wird ein Bogen von der Mitte des 19. Jahrhunderts, als mit der Verrechtlichung des Krieges erste „moralpolitische“ Elemente Einzug in die internationale Politik hielten, bis in das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts geschlagen. Im Seminar werden die Studierenden mit den grundlegenden Methoden, Techniken und Hilfsmitteln der Neueren und Neuesten Geschichte vertraut gemacht. Für einen Leistungsnachweis sind neben einer regelmäßigen und aktiven Teilnahme das Halten eines Referats, das Bestehen einer Klausur sowie das Verfassen einer Hausarbeit erforderlich.

Einführende Literatur: Hoffmann, Stefan-Ludwig (Hrsg.): Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010. Moyn, Samuel: The Last Utopia. Human Rights in History, Cambridge, MA; London 2010. Eckel, Jan; Moyn, Samuel (Hrsg.): Moral für die Welt? Menschenrechtspolitik in den 1970er Jahren, Göttingen 2012.

NIKLAS LENHARD-SCHRAMM
084223 Proseminar: Einführung in das Studium der neueren Geschichte: Moderne Zeiten? Die
bundesdeutsche Gesellschaft der 1950er und 1960er Jahre
Donnerstags, 12-14 und 16-18 Uhr

Die 1950er und 1960er Jahre gelten als Phase eines tiefgreifenden sozialen Wandels in der Bundesrepublik. Alte gesellschaftliche Strukturen brachen auf, neue entstanden. Das „Wirtschaftswunder“ und die Entstehung der Konsumgesellschaft, eine grundlegende Demokratisierung und die Herausbildung einer kritischen Öffentlichkeit, die Pluralisierung der Lebenswelten und -entwürfe sind nur einige Aspekte eines Wandels, der mit Begriffen wie „Fundamentalliberalisierung“, „Wertewandel“ oder „Westernisierung“ beschrieben worden ist. Das Proseminar versucht, diesen vielfältigen, aber zusammenhängenden Entwicklungslinien in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur nachzuspüren und diese „dynamische Zeit“ in das 20. Jahrhundert einzuordnen. Für das Bestehen des Proseminars sind eine aktive Teilnahme inkl. Referat, das Bestehen einer Klausur und das Verfassen einer Hausarbeit obligatorisch.

Literaturhinweise: Axel Schildt/Detlef Siegfried/Karl Christian Lammers (Hrsg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hamburg 2000; Matthias Frese/Julia Paulus/Karl Teppe (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik. Paderborn u.a. 2005; Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn 1993; Ulrich Herbert (Hrsg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945-1980. Göttingen
2002.

Kurse

DR. RÜDIGER SCHMIDT
084225 Kurs: Stände – Klassen – Schichten: Strukturen und differentielle Gestaltung sozialer Ungleichheit in Deutschland von der Frühneuzeit bis zur Moderne.
Freitag 14-16 Uhr, Raum , Beginn: zweite Semesterwoche.

Das Erleben sozialer Ungleichheit, auch des sozialen Wandels, zählt zu den prägenden Erfahrungen der Menschen in der Geschichte. Dabei richtet sich der Blick zumeist auf die industrielle Moderne, die sich in der Phase ihrer Entstehung zunächst als Klassengesellschaft ausdifferenziert und rund hundert Jahre später mit ihrer (so diagnostizierten) Einschmelzung zur „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky) eine ungeahnte Veränderungsdynamik unter Beweis gestellt hatte. Seit den Zeiten von Comte, Marx, Weber und Simmel wird – ebenso wie gegenwärtig von Vertretern der modernen System- oder Handlungstheorie – darüber nachgedacht, welchen Einfluß die ungleiche Verteilung verschiedenster materieller und ideeller Ressourcen auf die soziale Lagen von Individuen ausübt. Dabei sind in Gesellschaftstheorie und Geschichtswissenschaft in letzter Zeit zum einen Fermente einer „Klassentheorie jenseits von Marx und Weber“ vermehrt zu Prominenz gelangt, wobei Lebenslagen und Lebensstile längst nicht mehr nur als Resultante sozial-ökonomischer Faktoren, sondern auch als Ergebnis kultureller Zugehörigkeiten gedeutet werden. Zum anderen wird danach gefragt, welche Traditionsüberhänge ständischer Vergesellschaftung prägend in die Moderne hineingewirkt haben. Das Seminar will im Wechsel von Empirie/Darstellung und theoretischer Reflexion bzw. theoriegeschichtlicher Rezeption o.a. Problemkreisen nachgehen.

Literatur zur Einführung: Paul Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000.

Hauptseminare

DR. RÜDIGER SCHMIDT
084242 Hauptseminar: Dahrendorf – Habermas – Popper: Die intellektuelle Gründung der
Bundesrepublik
Montag: 18-20 Uhr, Raum: n.n.; Beginn: zweite Vorlesungswoche

Zwar verband sich bereits die unmittelbare Gründungsphase der Bundesrepublik mit einer weitgespannten Debatte, in der beispielsweise die Rolle und Funktion des Grundgesetzes sowie der sozialen Marktwirtschaft thematisiert wurde; doch erst mit einiger Verspätung, nämlich etwa seit dem Beginn der sechziger Jahre erfolgte jene sich etwa parallel zur Konsolidierungsphase der jungen Republik abzeichnende „intellektuelle Gründung“ der Bundesrepublik. Die allmähliche Verschiebung der intellektuellen Achsen ging wesentlich von den sogenannten 45ern aus, die nicht zuletzt im Rahmen eines Generationenwechsels und schließlich auch forciert im Zuge der institutionellen Expansionsphase der Universitäten mit neuen Themen, Fragestellungen und Methoden eine sich rasch beschleunigende Umorientierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften einleiteten. Die kritischen Impulse richteten sich (wenngleich nicht ausschließlich) auf die „Schattenlinien“ (Nipperdey) der deutschen Geschichte und Gesellschaft und gipfelten bereits um 1960 in scharf geführte Auseinandersetzungen, beispielsweise der Fischer-Kontoverse in der Geschichtswissenschaft oder dem Positivismusstreit in der Soziologie. Am Beispiel von führenden Protagonisten der 45er, aber auch von Vertretern einer „Brückengeneration“, die – wie etwa Helmut Schelsky – auf eine wissenschaftliche Sozialisation in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ zurückblickten, thematisiert das Seminar Aspekte dieses folgenreichen Wandels in den Wissenschaften und der politischen Kultur der Bundesrepublik, die schließlich in den „lange[n] Sommer der Theorie“ mündeten.


Literatur zur Einführung: Philipp Felsch, Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960-1990, München 32015. Konrad H. Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1995, München 2004. Volker Kempf, Helmut Schelsky. Wider die Wirklichkeitsverweigerung. Leben, Werk, Aktualität, München 2012. Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993. Dirk A. Moses, German Intellectuals and the Nazi Past, New York 2007. Ders., Die 45er. Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie, in: Neue Sammlung 49 (2000), S. 233-263. Paul Nolte, Intellektuelle Zeitgeschichte im „Age of Fracture“. Zum vorläufigen Abschluss der „Kleinen politischen Schriften“ von Jürgen Habermas, in: Geschichte und Gesellschaft 39 (2013), S. 391-408. Ulrich Raulff, Wiedersehen mit den Siebzigern. Die wilden Jahre des Lesens, Stuttgart 2014.

DR. DR. HABIL. MASSIMILIANO LIVI
084244 Hauptseminar: Walls and Integration: Die Diskurse über den europäischen (Des)Integrationsprozess in Deutschland, Italien und Frankreich seit den 1960er Jahren
Do 14-16

Seit seiner Gründung stellt Europa in seinen unterschiedlichen Formen bis zur aktuellen Europäischen Union einen sowohl komplexen als auch ambitionierten politischen Versuch dar, ein zukunftsweisendes Modell friedlicher Koexistenz zu schaffen. Darum ist die Integration Europas in erster Linie auch als fundamentaler Prozess des gesellschaftlichen Wandels zu verstehen, mit dem erklärten Ziel, eine europäischen Gesellschaft zu konstruieren indem die nationalen Gesellschaften dekonstruiert werden. Gerade auf dieser Ebene zeigen sich noch stärker sowohl die integrativen als auch die zahlreichen gegenläufigen und gleichzeitigen des-integrativen Tendenzen, die den Integrationsprozess seit den 1960er begleiten.
In dem ersten Teil des Seminars werden wir uns sowohl mit den politischen und ökonomischen Wurzeln des europäischen Integrationsprozesses als auch mit dessen wichtigsten Auswirkungen auf die nationalen Gesellschaften beschäftigen. In dem zweiten Teil werden wir unseren Blick vermehrt auf die des-integrativen Dynamiken der letzten 20 Jahren richten und diese am Beispiel der europapolitischen Diskurse aus den letzten fünf EU-Wahlkämpfe (1994, 1999, 2004, 2009 und 2014) untersuchen.


Einführungsliteratur: F. Bönker (Hg.), Postsozialistische Transformation und europäische (Des-)Integration. Bilanz und Perspektiven, Metropolis-Verl., Marburg, 2008. F. Brettschneider; J. Deth; E. Roller, Europäische Integration in der öffentlichen Meinung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2003. G. B. Clemens; A. Reinfeldt; G. Wille, Geschichte der europäischen Integration. Ein Lehrbuch, Schöningh, Paderborn, 2008. J. Elvert, Die Europäische Integration, WBG (Wiss. Buchges.), Darmstadt, 2013.

Übungen

DR. CHRISTOPH LORKE

Übung: Geschichte als Gegenwart: Perspektiven und Probleme bei der Historisierung des vereinten Deutschland
montags, 10-12 Uhr, Beginn: 11. April 2016

Im Oktober 1990 wuchs, mit Willy Brandt gesprochen, „zusammen, was zusammengehört“. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik verbanden sich für gut 16 Millionen Ostdeutsche die Durchsetzung von Freiheit und Menschenrechten, Rechtsstaat und Demokratie. Doch gab es für die Deutsche Einheit international wie auch historisch keinen Präzedenzfall. Innerhalb kürzester Zeit mussten komplexe politische, rechtliche, soziale und wirtschaftliche Fragen gelöst werden, die zu erheblichen Reibungsverlusten führen sollten: Sozioökonomische Verwerfungen, tatsächliche und imaginierte soziokulturelle Abweichungen und wirtschaftliche Disparitäten waren ebenso wie geschichtspolitische Debatten oder Fragen um die „innere Einheit“ wesentliche Herausforderungen für die neu zusammenwachsende Gesellschaft im Übergang – und sind mitunter bis heute relevant. Die Übung nimmt nicht nur diese unterschiedlichen Problemlagen in den Blick; sie möchte daneben auch methodisch-konzeptionelle Vorschläge diskutieren, wie eine Annäherung an die jüngste Zeitgeschichte gelingen kann. Für einen Studiennachweis ist das Halten eines Impulsreferates, für einen Leistungsnachweis zudem das Verfassen eines Essays erforderlich. Um eine rechtzeitige Anmeldung per Email wird gebeten.

Empfohlene Literatur zur Einführung:
Görtemaker, Manfred: Die Berliner Republik: Wiedervereinigung und Neuorientierung, Bonn 2009; Jarausch, Konrad H.: United Germany: Debating Processes and Prospects, New York 2013; Ritter, Gerhard A.: Der Preis der deutschen Einheit : die Wiedervereinigung und die Krise des Sozialstaats, München 2006; Rödder, Andreas: Deutschland einig Vaterland : die Geschichte der Wiedervereinigung, Bonn 2010; Stiftung Deutsches Historisches Museum (Hg.): Alltag Einheit: Porträt einer Übergangsgesellschaft, Berlin 2015.

Übung: Fremde in Westfalen: Migrationsgeschichten im 20. Jahrhundert
montags, 14-16 Uhr, Beginn: 11. April 2016

Nordrhein-Westfalen ist wie kein anderes Bundesland von Einwanderung geprägt - etwa ein Viertel der hiesigen Bevölkerung hat Wurzeln in anderen Ländern. Auch Westfalen ist bereits geraume Zeit wichtiges Auswanderungsziel für Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion. Deren Motivationen, ein neues Leben fernab ihrer Heimat zu beginnen, waren ebenso mannigfaltig, wie deren Aufenthaltsdauer, Ankunftserfahrungen oder gesellschaftliches Standing. Die Übung, die in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen durchgeführt wird, beleuchtet ausgewählte Aspekte regionaler Migrationsgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Neben inhaltlichen Aspekten vermittelt das Seminar grundlegende Kenntnisse für den Umgang mit migrationsgeschichtlichen Quellen, die selbständig er- und bearbeitet werden sollen. Diese werden dann im Seminar vorgestellt und diskutiert (= Studiennachweis). Für einen Leistungsnachweis ist zudem die Anfertigung eines Essays erforderlich. Um eine rechtzeitige Anmeldung per Email wird gebeten.

Empfohlene Literatur zur Einführung:
Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2002; Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, Bonn 2003; Nonn, Christoph: Kleine Migrationsgeschichte von Nordrhein-Westfalen, Köln 2011; Strotdrees, Gisbert: Fremde in Westfalen, Westfalen in der Fremde. Zur Geschichte der Ein- und Auswanderung von 1200 bis 1950, Münster 2011.

PROF. DR. MARKUS KÖSTER/DR. RALF SPRINGER:
084277 Westfalen in Filmen der Weimarer Zeit – Eine regional- und filmhistorische Quellenübung
Termin: wöchentlich 2stündig, Mo., 16-18 Uhr
Ort: LWL-Medienzentrum für Westfalen, Fürstenbergstr. 14.
Anmeldung zwingend erforderlich: markus.koester@uni-muenster.de
Beginn: 18.4.2015

Die Zeit der Weimarer Republik war (auch) in Westfalen eine Epoche scharfer Gegensätze, Krisen und Ungleichzeitigkeiten. Während in den ländlichen Regionen des Münster-, Sauer- und Paderborner Landes noch weitgehend die Landwirtschaft den Lebensrhythmus der Menschen prägte, existierte in der Mitte Westfalens mit dem Ruhrgebiet ein hochindustrialisierter Ballungsraum. Politische Instabilität, wirtschaftliche Depressionen und soziale Not standen im Westfalen der Weimarer Republik neben mannigfaltigen Aufbrüchen in die kulturelle Moderne. Einer dieser Aufbrüche verband sich mit dem noch jungen Medium Film, das damals enorme Popularität gewann. Aber Film wurde nicht nur zum massenkulturellen Phänomen, er entwickelte sich in den 1920er Jahren auch zu einer neuen Quelle der Regionalgeschichte. So sind im Filmarchiv des LWL-Medienzentrums für Westfalen eine ganze Reihe von Filmen aus dieser Zeit überliefert: Stadt- und Landschaftsporträts ebenso wie Jugend- und Wohlfahrtsfilme, Festdokumentationen und sogar Spielfilme. Anschaulich und unmittelbar spiegeln sie verschiedene Aspekte der Sozial- und Kulturgeschichte der Weimarer Zeit in Westfalen.
Die Sicherung, Erschließung und Interpretation solcher Quellen bedarf eines sensiblen Umgangs und spezifischer Kenntnisse – archivisch wie geschichtswissenschaftlich. Die Übung möchte an ausgewählten Beispielen aus den Jahren 1919 bis 1933 Wert und Grenzen von Filmen als Quellen der regionalen Geschichte diskutieren und zugleich einen Einblick in die Arbeit eines regionalen Filmarchivs geben. Erwartet wird die Bereitschaft, sich eigenständig mit mindestens einer regionalhistorischen Filmquelle auseinanderzusetzen.

Zur Einführung empfohlen: Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vierter Band: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, München 2003, S. 231-593; Karl Ditt (u.a.): Westfalen in der Moderne 1815-2015. Geschichte einer Region, Münster 2014; Klaus Kreimeier/ Antje Ehmann/ Jeanpaul Goergen (Hg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd.2: Weimarer Republik (1918-1933), Ditzingen 2005; Manfred Rasch/Astrid Dörnemann (Hg.): Filmarchivierung. Sammeln, sichern, sichten, sehen, Essen 2011; sowie die Webangebote www.filmundgeschichte.de und www.filmarchiv-westfalen.lwl.org.