Das narrative Potenzial von Filmmusik.
Am Beispiel von Spielbergs JAWS

Annika Herrmann, Katharina Scheerer

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Filmmusik: Desiderat und Herausforderung der Filmnarratologie
In seiner Filmnarratologie thematisiert Markus Kuhn explizit die visuelle sowie die fakultativ sprachliche Erzählinstanz in Form eines voice-over oder voice-off, der dialogischen Figurenrede, eingeblendeter Schrifttafeln und Textinserts (vgl. Kuhn 2013: 95). Die Erzählinstanz im Film sei nicht nur „,eine perspektivierende, selektierende, akzentuierende und gliedernde Vermittlungsinstanz‘ […], sondern Kamera und Montage im Zusammenspiel“ (ebd.: 74; Herv. i. O.). Eine Lücke ergibt sich allerdings mit Blick auf die nicht-sprachliche akustische Ebene zusammenhängend mit der Frage, inwiefern auch dort narratoriale Elemente (das heißt: Elemente bezogen auf eine Erzählinstanz) eingesetzt sein können. Zurückführen könnte man diese Leerstelle in Kuhns erzähltheoretischem Analysemodell auf sein eng gefasstes Verständnis von Narrativität, das sich in seinen Minimalbedingungen durch die Kategorien der ereignishaften Zustandsveränderung im zeitlichen Verlauf auszeichnet (vgl. ebd.: 56–57).

Mit einer weiteren Begriffsdefinition ist jedoch davon auszugehen, dass Filmmusik durchaus erzählerisches Potenzial entfalten kann. Dieser Beitrag soll am Beispiel der Filmmusik in Steven Spielbergs JAWS (USA 1975) zeigen, inwiefern auch die Musik narrative Funktionen übernehmen kann, und im Zuge dessen analytische Herausforderungen aufzeigen. Es wird der These nachgegangen, dass die Filmmusik in JAWS insbesondere zur Darstellung des ‚Innenlebens‘ der Figur des Hais narratologisch funktionalisiert wird.

(Film-)Musik und ihr narratives Potenzial
Indem Kuhn das narrative Potenzial von Filmmusik in seinen Ausführungen übergeht, lässt er sich der ersten der drei Positionen zuzuordnen, die Jarmila Mildorf im Handbuch Erzählen zur Narrativität von Musik unterscheidet. Ausgangs-punkt ist hier 1. die Auffassung, „Musik k[önne] nicht erzählen“ (Mildorf 2017: 88), wohingegen die beiden anderen Standpunkte davon ausgehen, „2. Musik erzähl[e] in Verbindung mit narrativen Texten und Medien insofern, als sie narrative Funktionen übernehmen k[önne] (z. B. Filmmusik)“ (ebd.) und „3. Musik [sei] eine erzählende Kunst“ (ebd.)1. Als Argumente gegen die Narrativität von Musik werden ins Feld geführt, dass Musik keine „Erzähler- oder Vermittlungsinstanz“ (ebd.) habe, es demnach auch keine „Grade der Mittelbarkeit (showing vs. telling)“ (ebd.; Herv. i. O.) gebe und sich Musik nicht auf eine „erzählte Welt mit Figuren, Zeit und Raum“ (ebd.) beziehe. Die Selbstreferenzialität von Musik (gepaart mit einer fehlenden Referenz außerhalb des musikalischen Zeichensystems) ist eines der Kernprobleme in der Bestimmung des narrativen Potenzials. Jedoch lassen sich durchaus musikalische Strukturmerkmale bestimmen, die eine erzählerische Funktion übernehmen können. So konstatiert unter anderem Eero Tarasti, dass sich, wenn man der Minimaldefinition der Narration (Ausgangssituation/Ereignis/Finalsituation) folgt, Strukturanalogien zwischen den von Propp erarbeiteten Plot-Funktionen für folkloristische Erzählungen und musikalischen Sequenzen ergeben. Tarasti korreliert 31 der Propp’schen Funktionen mit musikalischen Sequenzen (vgl. Tarasti 1979: 283).

Der narratologischen Bestimmung von Musik über eine zeitliche Abfolge steht die Bestimmung über räumliche Diffusion gegenüber. So kann Musik insbesondere in audiovisuellen Zeichensystemen wie dem Film eine „Klangwelt“ (Mildorf 2017: 89) erzeugen. Das Näherkommen einer Figur kann beispielsweise durch ein crescendo angekündigt werden (vgl. ebd.). Neben dem Erzeugen einer ‚Klangwelt‘ übernimmt Filmmusik als Musik, die in Verbindung mit einem erzählenden Text steht, weitere narrative Funktionen, wozu nach Gräf u. a. Dramaturgisierung, Spannungsgenerierung, Emotionalisierung und Konzeptionalisierung zählen (vgl. Gräf u. a. 2017: 262–275).2 Der Grad an musikalischer Narrativität ist stark von den Rezipierenden abhängig. Bestimmte musikalische Phänomene sind im kulturellen Bewusstsein abgespeichert und können bei erneutem Hören aktiviert werden und eine narrative ‚Ladung‘ auf den Film übertragen. Dies funktioniert nicht nur im makrostrukturellen Kontext. Auch innerhalb eines Films können Melodien mit symbolischen Funktionen besetzt werden und beispielsweise in Form eines Leitmotivs auftauchen (vgl. Wulff 2012). Ein solches ordnen Gräf u. a. als Erinnerungsmotiv dem dramaturgischen Einsatz filmischer Musik zu (vgl. Gräf u. a. 2017: 263). Peter Moormann definiert es als „jene wiederkehrenden, charakteristischen Motive und Themen […], die einzelnen Personen, Gegenständen, Orten oder Situationen zugeordnet werden und beim Rezipienten eine Atmosphäre des Erinnerns oder Vorausahnens evozieren können“ (Moormann 2010: 33). Wie zu zeigen bleibt, ist die filmische Musik diesbezüglich in dem ausgewählten Filmbeispiel deutlich funktionalisiert.

Das musikalische Leitmotiv als Mittel interner Okularisierung und Aurikularisierung in JAWS
Die immense Relevanz von John Williams Filmmusik in JAWS (USA 1975, Steven Spielberg) betont laut Peter Moormann auch Regisseur Spielberg selbst, indem er angibt: „And without that score, to this day I believe that this film would have been half as successful.“ (ebd.: 37) In engem Zusammenhang mit der bildlichen wie sprachlichen Handlung ist die musikalische Inszenierung textintern in hohem Maß bedeutungstragend.

Bekannt ist der Film vor allem für das von tiefen Streichinstrumenten gespielte Zweitonmotiv, das aus der Wiederholung einer aufsteigenden kleinen Sekunde (e-f) besteht, das Moormann als „eine[s] der berühmtesten Motive in der Filmgeschichte“ (ebd.: 38) wertet. Als zentrales Element wird es noch vor dem ersten visuellen Eindruck auf diegetischer Ebene während der Credits in seiner Grundform eingeführt (JAWS: 00:00:283) und mehrfach wiederholt. Indem es dabei klanglich an eine Geräuschkulisse unter Wasser gekoppelt wird, wird die Handlung unter der Meeresoberfläche verortet. Dieser auditive Eindruck wird mit der Aufblende des Kamerabildes, das über den Meeresboden gleitet, bestätigt, während das Zweitonmotiv nun in kontinuierlicher Präsenz und gesteigerter Geschwindigkeit zu hören ist. So wird bereits im Vorspann die semantische Kopplung zwischen einer sich unter Wasser bewegenden Bedrohung und dem Zweitonmotiv aufgemacht, wobei die bedrohliche Tiefe der Musik sich räumlich auf die Tiefe des diegetischen Meeres bezieht (vgl. Moormann 2010: 42–43).

Eindeutig auf den Hai bezogen wird das musikalische Thema in der Szene des ersten Haiangriffs auf eine schwimmende Jugendliche, indem die unter Wasser in Untersicht auf sie zufahrende Kamera von dem sich während der räumlichen Annäherung in Geschwindigkeit wie Lautstärke steigernden musikalischen Motiv begleitet wird (00:03:45). Die Kamera simuliert in ihrer Handlung die interne Okularisierung des jagenden Hais, der auf seine Beute zusteuert. Die im Vorspann angedeutete semantische Kopplung wird im Film wiederholt angewandt und entspricht im Sinne Moormanns einem Leitmotiv, indem das Hai-Thema die bedrohliche Atmosphäre erneut aktiviert und den folgenden Angriff proleptisch ankündigt.

Die Funktionalisierung des Zweitonmotivs im Rahmen der Narration erfährt etwa nach der Hälfte des Films eine Verschiebung: Während im ersten Teil bis zum Auslaufen der ‚Orca‘ das musikalische Schema einen verlässlichen Indikator für die Präsenz des Hais darstellt, der visuelle Leerstelle bleibt, und damit spannungsgenerativ dem Bereich der suspense zuzuordnen ist, wird im zweiten Teil des Films die Kopplung von bildlicher und musikalischer Ebene sukzessive unterlaufen.4

Ein Beispiel für die erste Form der Funktionalisierung ist die Sequenz des zweiten Haiangriffs (00:13:05–00:17:22). So schreckt Brody in der Befürchtung einer weiteren Attacke des Hais zweimal in seiner Beobachtung der im Meer schwimmenden Menschen auf: Ein dunkles Objekt, das sich einer älteren Frau nähert, offenbart sich als Badekappe eines Tauchers (00:14:26) und ein panisch strampelndes Mädchen wird lediglich durch einen Freund erschreckt (00:14:50). Beide Szenen, die letztlich keinen Bezug zum Hai haben, werden durch die fehlende musikalische Untermalung akustisch als harmlos markiert.5 Die unsichtbare Präsenz des Hais wird schließlich zunächst durch den verschwundenen Hund ungewiss angedeutet [00:16:00]. Erst die darauffolgende Einstellung, in der die Kamera analog zum ersten Angriff eine Unterwasserperspektive einnimmt und die im Meer schwimmenden Menschen in Untersicht zeigt, wird durch das Zweitonmotiv begleitet, sodass das Kamerabild sich als subjektivierte Sicht des Hais intern okularisiert erweist. Seine räumliche Annäherung an den Jungen auf der Luftmatratze wird begleitet von einem crescendo sowie accelerando des akustischen Leitmotivs (00:16:09–00:16:27), was als musikalische Strategie interner Okularisierung des Raubtiers gewertet werden kann. Bewusst wird hier auf Genettes Term der Fokalisierung verzichtet, da dieser von einer „Wissens[…]relation zwischen visueller Instanz und der (jeweiligen) Figur“ ausgeht (Kuhn 2011: 123). Passender im Hinblick auf die ‚Figur‘ des Hais erscheinen die von François Jost geprägten Terme ‚Okularisierung‘ und ‚Aurikularisierung‘, da diese auf die sensorische Wahrnehmung der Figur referieren (vgl. ebd.: 127 f.).

Erst das anschließende, von einer Blutfontäne begleitete Untergehen des Jungen macht den Angriff aus der visuell undurchdringlichen Meerestiefe an der Wasseroberfläche sichtbar (00:16:27–00:16:33). Während der Junge schließlich – wiederum aus Mitsicht des Hais präsentiert – unter Wasser gezogen wird, steigert sich das Hai-Motiv zum fortissimo und markiert die Klimax der Szene.

Die Filmmusik ist in dieser Sequenz auf verschiedene Weise funktionalisiert (vgl. Gräf u. a. 2017: 262–275): Zum einen markiert sie den dramaturgischen Höhepunkt der Szene, indem sie die Handlung der visuellen Bilder intensiviert. Hinsichtlich der Spannungsgenerierung erzeugt das Zweitonmotiv insbesondere während der Annäherung des intern okularisierten Jägers an sein Opfer nach der Technik des suspense „eine sich langsam aufbauende Spannungskurve“ (ebd.: 265), die eine Affizierung der Rezipierenden zur Folge hat. Obendrein trägt die musikalische Untermalung zur Semantisierung der oppositionellen Teilräume bei: Während über der Wasseroberfläche intradiegetische Freizeitgeräusche vorherrschen, markiert das extradiegetische Hai-Motiv die Tiefe des Meeres als einen semantischen Raum der Gefahr. Diese durch den Hai repräsentierte Bedrohung kündigt das Zweitonmotiv schließlich in seiner Erinnerungsfunktion als Leitmotiv akustisch an und funktioniert hier (noch) als zuverlässiger Marker seiner Präsenz.

Im zweiten Teil des Films wird das akustische Zeichen für die Anwesenheit der unsichtbaren Bedrohung dagegen sukzessive unzuverlässig eingesetzt, da der Hai zunehmend häufig über der Wasseroberfläche sichtbar wird und die Spannungsgenerierung nun eher auf die Technik der surprise umschwenkt. Beobachtbar wird dies beispielsweise nachdem der zweite Versuch, den Hai zu fangen scheitert und Hooper sich in den Käfig und damit in das Jagdgebiet des Raubtiers begibt. Kurz bevor er ins Wasser taucht, setzt das Helden-Thema ein (01:46:32). Dieses ist jedoch mit tiefen, dunklen Tönen variiert, die proleptisch den bevorstehenden Kampf andeuten. Von dem Moment an, in dem Hoopers Kopf unter Wasser taucht, sind lediglich die Geräusche der Unterwasserwelt und das gedämpfte Quietschen der Spule zu hören, an der der Käfig befestigt ist (01:48:21). Auf der Soundebene wird intern aurikularisiert und die erzählerische Wiedergabe an Hooper gekoppelt. Sie zeigt deutlich, dass die Orientierung durch auditive Reize unter Wasser beeinträchtigt ist. Neben Hoopers Gehör ist auch seine Sicht unter Wasser deutlich eingeschränkt. Anders als in der Eingangsszene, in der die Pflanzen und Farben der Unterwasserwelt aus Sicht des Hais klar zu erkennen sind, blickt Hooper gegen eine dunkelblaue Wand. Auf Ebene der histoire wird seine visuelle Beeinträchtigung dadurch dargestellt, dass er Probleme hat seine Taucherbrille richtig aufzusetzen. Auf discours-Ebene wird seine Mühe, sich visuell zu orientieren, durch eine Großaufnahme, die die Augen Hoopers fokussiert (01:48:37) ausgestellt. Es ist klar, dass Hooper in dieser diegetischen Teilwelt der Unterlegene ist. In dem Moment, in dem Hooper seine Brille justiert hat und die Augen öffnet, erblickt er schemenhaft den Hai und das Zweitonmotiv setzt ein (01:48:41). Auch an dieser Stelle wird das Näherkommen des Tiers musikalisch durch ein crescendo sowie ein accelerando abgebildet. Der Hai schwimmt einmal um den Käfig herum und entfernt sich, die Musik schwillt ab und verstummt schließlich (01:49:19). Erneut sind lediglich die Geräusche unter Wasser zu hören. Hooper macht seine Waffe scharf, schaut nach vorne und wartet auf das erneute Auftauchen des Raubtiers.

Die Beeinträchtigung der Sinne, die sowohl auf discours- als auch auf histoire-Ebene ausgestellt wird, generiert Spannung. Der Film hat an dieser Stelle bereits mit der zuvor etablierten semantischen Kopplung von proleptischem Ertönen des Hai-Themas und dem kurz darauf folgenden Angriff des Hais gebrochen. Somit gibt es für die rezipierende Person nicht nur auf intradiegetischer Bild- und Soundebene, sondern auch auf extradiegetisch-musikalischer Ebene keinen Orientierungspunkt. Visuell wird eine vage Bedrohung vermittelt, denn es ist anzunehmen, dass sich der Hai noch nicht allzu weit von Hooper entfernt hat. Auditiv wird die Bedrohung jedoch nicht eingelöst. Die rezipierende Person verharrt wie auch Hooper im Käfig in gespannter Erwartung. Plötzlich taucht der Hai von Hooper unbemerkt auf der Rückseite des Käfigs auf und rammt seine Schnauze gegen die Stäbe (01:49:36). Das Rammen wird extradiegetisch auf Soundebene durch ein lautes metallisches Geräusch unterlegt. Direkt danach setzt ein hoher schriller Streicherton mit kalter Klangfarbe ein, der das surprise-Moment unterstützt. Durch die Plötzlichkeit der einsetzenden Musik wird eine Äquivalenz zwischen Bild, Sound und Musik hergestellt. Mehr noch: Da Bewegungen unter Wasser langsamer ablaufen als an Land, wirkt das Rammen des Hais erst durch den Sound und die Musik plötzlich und erschreckend.

Die beiden Szenen, die stellvertretend für die verschiedenen Arten der Funktionalisierung im Rahmen der suspense- beziehungsweise surprise-Strategie der Spannungserzeugung stehen, zeigen, inwiefern diese Techniken narratorial durch die musikalische Ebene eines audiovisuellen Mediums eingesetzt werden können. Der mit einer internen Okularisierung des Hais einhergehende Einsatz des Hai-Themas in der ersten Hälfte des Films kann nur so lange des suspense dienen, wie er verlässlich an eine zwangsweise folgende Eskalation der Situation gebunden ist. Die interne Okularisierung beziehungsweise Aurikularisierung der Hai-Jäger im zweiten Teil bewirkt das plötzliche, unangekündigte Auftauchen des Hais im Sinne einer surprise-Strategie. Das akustische Hai-Thema entfaltet seine volle Wirkung damit vor allem angesichts der fehlenden Visualisierung des Monsters, während es sukzessive durch dessen plötzliche Sichtbarkeit in seiner Zuverlässigkeit unterlaufen wird. So erscheint die Filmmusik im Fall von JAWS eng gebunden an die narratologischen Kategorien der Okularisierung und Aurikularisierung beziehungsweise Perspektivierung und zeigt die variablen Einsatzmöglichkeiten dieses Zeichensystems gerade in Kombination mit den übrigen Informationskanälen audiovisueller Medien.

Ausblick
Eine Untersuchung von Filmmusik anhand von narratologischen Begriffen kann im Anschluss an die Analyseergebnisse durchaus als gewinnbringend gewertet werden. Insbesondere auf der Ebene der Wahrnehmung entfaltet Filmmusik ihr erzählerisches Potenzial. Es böte sich deshalb an zu erörtern, inwiefern Filmmusik als subjektivierende Darstellungsform gelten kann. Auch der Einsatz von Filmmusik als Marker beispielsweise für einen Wechsel der diegetischen Erzählebene oder eine Abweichung von der chronologischen Erzählweise dürfte interessante Erkenntnisse hervorbringen.

Dabei bliebe zu betonen, dass eine erzähltheoretische Analyse von Musik im Rahmen eines audiovisuellen Mediums selbige nur im Zusammenspiel der Ebenen Ton und Bild in den Blick nehmen kann, da ihr nur vor dem Hintergrund der im Bild dargestellten Handlung eine narrative Funktionalisierung zukommt. Diesem Verständnis musikalischer Narrativität nach folgt dieser Beitrag der zweiten Position in Mildorfs Ausführungen. Unter dieser Einschränkung erscheint es jedoch gewinnbringend, die Lücke des narrativen Potenzials der Filmmusik, die beispielsweise in Kuhns Filmnarratologie zu finden ist, zu schließen, um diese für eine narratologische Analyse audiovisueller Medien nutzbar machen zu können.
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1Zu diesem Aspekt nennt Mildorf vor allem Programmmusik, das heißt Instrumentalmusik, die bestimmte Vorstellungen hervorrufen will. Auf Programmmusik wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
2 Die diesbezüglichen Einteilungen und Bezeichnungen variieren je nach Forschungsansatz. So unterscheidet Mildorf als Funktionen der Filmmusik Handlungssequenzierung, Kommentar, Charakterisierung, Stimmungs- sowie Spannungserzeugung (Mildorf 2017: 90) und Moormann als Funktionen von Filmmusik ihre deskriptive Qualität, Affektsteuerung, Repräsentation von Erinnerungen, Strukturierung und Kommentierung (vgl. Moormann 2010: 29–35).
3 Im Folgenden beziehen sich alle Timecodes auf den Film Jaws (USA 1975, Steven Spielberg).
4 Auf diese Technik weist auch Faulstich im Rahmen seiner Thematisierung von JAWS als Beispiel für die Rezeptionssteuerung durch Geräusche hin, wobei die Zuordnung des Zweitonmotivs zum Bereich Dialog und Geräusche statt zur Filmmusik hinterfragt werden sollte (vgl. Faulstich 2013: 141).
5 Ähnlich verfährt der Film, indem die Haiflosse, die nach dem Eintreffen der Tourist*innen am Strand von Amity gesichtet wird, ebenfalls durch das fehlende Hai-Thema auf akustischer Ebene bereits im Vorfeld als Streich zweier Jungen entlarvt wird (00:56:48–00:58:35).


Filme

JAWS (USA 1975, Steven Spielberg).

Forschungsliteratur

Faulstich, Werner (2013): Grundkurs Filmanalyse. 3. Aufl. Paderborn.

Gräf, Dennis u. a. (2017): Filmsemiotik. Eine Einführung in die Analyse audiovisueller Formate (= Schriften zur Kultur- und Mediensemiotik 3). 2. Aufl. Marburg.

Kuhn, Markus (2011): Filmnarratologie. Ein erzähltheoretisches Analysemodell. Berlin/New York.

Mildorf, Jarmila (2017): „Musik“. In: Matías Martínez (Hg.): Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart, S. 87–90.

Moormann, Peter (2010): Spielberg-Variationen. Die Filmmusik von John Williams (= Filmstudien 57). Baden-Baden.

Tarasti, Eero (1979): Myth and Music. A Semiotic Approach to the Aesthetics of Myth in Music, Especially that of Wagner, Sibelius and Stravinsky. Berlin.

Wulff, Hans Jürgen (2012): „Leitmotiv“. In: Lexikon der Filmbegriffe. https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=3635 (11.05.2019).