Papst Leo XIV. nach seiner Wahl auf dem Balkon des Petersdoms.
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Leo XIV. ist neuer Papst: Stimmen aus der Fakultät

Überraschend schnell haben sich die Kardinäle darauf geeinigt, wer neuer Papst wird. Am Mittwoch erst hatte das Konklave begonnen, am Donnerstagabend stieg schon weißer Rauch auf: Kardinal Robert Francis Prevost aus den USA ist das neue Oberhaupt der katholischen Kirche. Leo XIV., so sein Papstname, wandte sich am Donnerstagabend erstmals an die Gläubigen. Der 69-Jährige sprach eine Friedensbitte und rief dazu auf, durch Dialog „Brücken zu bauen“.

Professorinnen und Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster äußern sich zur Wahl und zu möglichen Themen des neuen Papstes:

Prof. Dr. Hubert Wolf (Seminar für mittlere und neuere Kirchengeschichte):

Die Wahl von Robert Francis Prevost stellt eine Überraschung dar. Er ist ein Weltbürger: ein US-Amerikaner mit europäischen Wurzeln und südamerikanischer Prägung, polyglott und erfahren in der Leitung des internationalen Ordens der Augustiner. Er gilt als Mann der Mitte, diplomatisch versiert, pragmatisch, nicht ideologisch ausgerichtet. Äußerlich vollzog er einen klaren Bruch mit der Bescheidenheit des Franziskus, der ganz in schlichtem Weiß aufgetreten war, und kam wie Benedikt XVI. mit rotem Schulterumhang und Stola. Er machte allerdings in seiner ersten Ansprache eine Kontinuität zu Franziskus’ Zuwendung zu allen Menschen deutlich. Begriffe wie Dialog, Synodalität und Barmherzigkeit spielten eine zentrale Rolle.

Leo XIV. will auf jeden Fall ein politischer Papst sein, wie der Friedensgruß am Anfang seiner relativ langen Rede und die mehrfache Betonung der Friedensbotschaft Jesu Christi verdeutlicht. Der 8. Mai 2025 als Tag seiner Wahl ist für den neuen Papst ein Auftrag, seine ganze Autorität für den Frieden einzusetzen. Die Wahl seines Papstnamens enthält eine weitere Botschaft: Leo XIII. (1878-1903) gilt als der Papst, der sich erstmals der Arbeiterfrage und den sozialen Problemen im Kontext der Industrialisierung angenommen hat. In seiner berühmten Sozialenzyklika ,Rerum Novarum‘ von 1891 wandte er sich gegen Liberalismus und Marxismus und schlug als dritten Weg eine Balance der Sozialprinzipien von Personalität und Solidarität vor, die auf dem christlichen Menschenbild basieren und heute etwa die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft bilden. Leo XIV. will demnach auch ein sozialer Papst und Brückenbauer sein.

Prof. Dr. Regina Elsner (Ökumenisches Institut):

Papst Leo XIV. hat sein Pontifikat mit einer starken Friedensbotschaft begonnen, die in der aktuellen globalen kriegerischen Eskalation ein Hoffnungszeichen ist. Gleichzeitig ist sie für einen Papst wenig überraschend, und gerade die diplomatischen Bemühungen des Vatikans im russischen Krieg gegen die Ukraine haben gezeigt, wie vieldeutig und manipulierbar dieser Ruf nach Frieden sein kann. Es wird sich also an dem konkreten theologischen und diplomatischen Umgang des neuen Papstes mit den Kriegen unserer Tage zeigen, welche Ethik diese Friedensbotschaft füllt.

Mit seinem Namen stellt er sich in die Nachfolge von Leo XIII., der die katholische Soziallehre angestoßen hat. Er weckt damit die Erwartung, dass für dieses Pontifikat die brennenden Fragen unserer Gesellschaften – ihre Polarisierung, Ungerechtigkeit und Gewalthaftigkeit – zentrale Themen werden. Der Wahlspruch des Pontifikats ,In diesem einen (Christus) sind wir vielen eins‘ unterstreicht den Wert der Vielfalt und ist damit sozialethisch, aber auch ökumenisch vielversprechend. Leo XIV. hat bisher weder in der Ökumene mit den Kirchen der Reformation noch in den Beziehungen mit den orthodoxen und altorientalischen Kirchen eine aktive Rolle gespielt. Gerade die Orientierung an dem gemeinsamen Ursprung der verschiedenen Kirchen kann eine Chance bieten, um institutionelle Abgrenzungen und identitäre Verhärtungen zu überwinden.

Prof. Dr. Thomas Schüller (Institut für kanonisches Recht):

Mit der Wahl von Papst Leo XIV. ist den Kardinälen ein Coup gelungen. Der neue Papst verbindet aufgrund seiner Herkunft und Berufsbiographie Kontinente, Kulturen, Sprachen und die verfeindeten katholischen Lager in der katholischen Kirche. In sozialethischen Themen folgt er seinem Vorgänger und kritisiert eine kapitalistische Wirtschaft, die tötet und die Natur ausbeutet. In binnentheologischen Konfliktthemen wie Frauen, Gender und queere Menschen vertritt er strukturkonservative Positionen. So war er für beide Lager wählbar, auch für die römische Kurie, in der als verantwortlicher Personalchef für die Bischöfe Verantwortung trug.

Als Kirchenrechtler wird er das synodale Projekt seines Vorgängers in verbindliche Strukturen überführen und als erfahrener Diplomat den Tyrannen der Welt wie Trump und Putin die Stirn bieten. Offen ist, ob er das vollmundige Programm seines Vorgängers von einer heilsamen Dezentralisierung der Kirche weg von einem römischen Einheitskatholizismus fortführt und vor allem konkrete rechtliche Schritte einleitet, um den Kirchen vor Ort mehr kultursensible Eigenständigkeit zu geben.

Zu hoffen ist, dass die vatikanische Diplomatie, die unter den sprunghaften Äußerungen von Papst Franziskus zu den Konflikten in der Ukraine und im Gaza Schaden genommen hat, unter dem neuen Papst wieder in verlässliche Fahrwasser gebracht werden wird. Schließlich: Nach einem Jesuiten folgt der nächste Ordensmann als Papst. Augenscheinlich sind in der verfassten Kirche keine Kardinäle mehr, die die geistliche und intellektuelle Kraft hätten, das anspruchsvollste religiöse Amt, das die Welt kennt, erfolgreich ausüben zu können.

Prof. Dr. Christian Bauer (Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie):

Die Wahl von Papst Leo XIV. ist eine handfeste Überraschung. Als Kandidat immer wieder genannt, war er gleichwohl kein Frontrunner der Buchmacher. Und doch erscheint seine Wahl als naheliegend, im Nachhinein fast schon logisch. Robert F. Prevost ist ein polyglotter Augustiner aus Chicago, der die meiste Zeit seines Lebens in Peru verbrachte und als Präfekt der Bischofskongregation Kurienerfahrung mitbringt. Menschen, die ihn aus seiner Zeit in Lateinamerika kennen, sprechen sehr positiv von ihm. Sie loben nicht nur seine Leitungskompetenz, sondern auch seine menschlichen Qualitäten als guter Zuhörer und Brückenbauer.

Auch die ersten medialen Überschriften stimmen zuversichtlich – und zwar nicht nur in weltpolitischer, sondern auch in innerkirchlicher Hinsicht: sanfter Löwe, Mann der Mitte, pragmatischer Reformer. Zum ,synodalen Weg' in Deutschland suchte er stets ein konstruktives, nicht konfrontatives Verhältnis. Der erste öffentliche Auftritt des neuen Papstes war in sympathischer Weise gewinnend. Weltgewandt und hochpolitisch. Zugleich jesusnah und mit Signalen an alle innerkirchlichen Lager. Rückkehr der Mozetta, aber kein Bruch mit Papst Franziskus. Das signalisiert bereits der Name: Bruder Leo war der treueste Gefährte des Heiligen Franziskus. Augustinus zitiert er synodal: mit Euch Christ, für euch Bischof.

Aber auch in politischer Hinsicht ist diese Namenswahl (Leo = der Löwe) ein deutliches Signal: Nicht nur, weil sie an Papst Leo XIII., den Begründer der katholischen Soziallehre erinnert, sondern auch an Papst Leo den Großen, der den Hunnen furchtlos entgegentrat und Rom rettete. Schon die ersten Worte des neuen Papstes waren eine klare Ansage an Politiker wie Donald Trump und Wladimir Putin. ,Friede sei mit euch allen' – diese Worte skizzieren bereits ein erstes Programm: Dialog suchen, Brücken bauen, Frieden stiften, Schwache stärken, synodal vorangehen. In der Spur von Papst Franziskus, aber zugleich auch weniger aneckend. Das ist nicht gerade wenig angesichts der gegenwärtigen Polarisierungen von Kirche und Welt.

Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins (Institut für Christliche Sozialwissenschaften):

Leo XIV. – Die Namenswahl des neuen Papstes ist mindestens so überraschend wie die Tatsache, dass erstmals ein US-Amerikaner auf den Stuhl Petri gewählt wurde. In der kontinuitätsbewussten römisch-katholischen Kirche bedeutet es etwas, wenn der Papst des Jahres 2025 mit dem Namen Leo an den Kirchenführer anknüpft, der die Kirche vom 19. ins 20. Jahrhundert geführt und wichtige Impulse der Modernisierung gesetzt hat: Leo XIII. gilt als Begründer der vatikanischen Außenpolitik. Als Autor der allerersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“ ist er zugleich Initiator der Päpstlichen Sozialverkündigung. Seine Aufmerksamkeit galt der „sozialen Frage“: Damals standen die sozialen Folgen der Industrialisierung, die Verarmung und das prekäre Leben des Industrieproletariats im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Längst hat sich die soziale Frage im Zuge der Globalisierung zur globalen sozial-ökologischen Frage gewandelt. Der weltkirchlich erfahrene und global vernetzte Ordensmann Robert Francis Prevost wird als Papst Leo XIV. in der kirchlichen wie in der politischen Weltöffentlichkeit den Pfad seines politischen und sozialen Namensgebers fortsetzen. Er wird sich zugleich im Sinne seines unmittelbaren Vorgängers für die Anliegen derer einsetzen, denen die Lasten der neuen „sozialen Frage“ aufgebürdet werden, die unter der sozialen Ausgrenzung der Armen, einer Politik der Abschottung gegen Migranten leiden. Er wird – das hat seine erste Ansprache gezeigt – entschieden für Frieden eintreten.

Dr. Daniel Minch (Lehrstuhlvertreter Seminar für Dogmatik und Dogmengeschichte):

Ich habe so etwas wie eine persönliche Verbindung zu unserem neuen Papst Leo XIV., wenn auch eine indirekte. Wir sind beide Alumni der Villanova University, die vom Augustinerorden außerhalb von Philadelphia geführt ist. Als ich dort war, wollte ich den Augustinern beitreten und lebte sogar ein Jahr lang in einer Klostergemeinschaft für junge Kandidaten und Pränovizen. Robert Prevost war unser Generalprior in Rom, aber wir kannten ihn alle als „Bob Prevost“ aus der Midwest-Provinz „Our Mother of Good Counsel“. Sein Foto hing im Flur zusammen mit denen von Papst Benedikt und dem Prior Provinzial.

Ich hatte nie die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen, aber meine Freunde und ehemaligen Oberen kannten ihn alle und sprachen in den höchsten Tönen von ihm als einem Mann, auf den wir stolz waren. Meine Freunde im Orden waren begeistert, als er in Peru zum Bischof ernannt wurde, und als er 2024 zum Kardinal ernannt wurde, war das ein sehr persönliches Gefühl. Jemand, der vom Geist des Hl. Augustinus inspiriert ist, wie ich es nach wie vor bin, hatte eine Position mit großer Verantwortung inne.

Ich und meine Freunde bei den Augustinern waren alle überrascht, als er als Nachfolger des Hl. Petrus verkündet wurde, aber wir sind gespannt. Wir kennen ihn als einen guten Mann mit einem guten Herzen. Er hat ein offenes Ohr für andere, ist mitfühlend und vor allem hat er großen Mut. Leo XIII. war ein wichtiger Freund der Augustiner - er hat das Skapulier Unserer Frau vom Guten Rat genehmigt, und so sollte diese Geschichte bei der Wahl seines Namens mit einfließen, hoffentlich als zusätzliches Element neben anderen Faktoren. In Papst Leo XIV. setzen ich und viele Menschen, die ich kenne, denen ich vertraue und die ich liebe, große Hoffnung.

He is my fellow American, fellow Villanovan, and fellow seeker of God following a restless heart.