Dortmund Grundriss
© IStG

Dortmund - Königspfalz (A)

Dortmund ist neben Paderborn der zweitwichtigste königliche Aufenthaltsort in Westfalen. Während letzterer seinen ersten Höhepunkt bereits in karolingischer Zeit erlebte, kann Dortmund als die ottonische Pfalz in Westfalen angesprochen werden. Mit 30 belegten Aufenthalten, darunter Osterfeste, Hoftage und Synoden, war sie wichtigster Haltepunkt auf dem Weg der Herrscher zwischen Ostsachsen und dem Rheinland und umgekehrt. Grundlage dieser Bedeutung war zum einen die verkehrsgünstige Lage am Hellweg und an einem nordsüdlich verlaufenden Fernweg wie auch die Nähe des Ortes zu Rohstoffvorkommen für die Metallverarbeitung. Zum anderen bot der umfangreiche königliche Besitz vor Ort – vier Reichshöfe sind im Dortmunder Raum überliefert – die ökonomische Basis zur Versorgung des Herrschers und seiner Begleitung.

Dortmund erlebte also als königlicher Aufenthaltsort seinen Höhepunkt im 10. und in der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts (25 von 30 Aufenthalten). In karolingischer Zeit wurden andere Orte, allen voran Paderborn, bevorzugt; sicherlich ist aber das umfangreiche Königsgut um Dortmund, das die ökonomische Basis für die Aufenthalte bildete, in dieser Zeit entstanden. Das Königsgut wurde von einem Wirtschaftshof aus verwaltet, der als curia allerdings erst deutlich später, 960, genannt wird. Ob die 939 erwähnte Burg ebenfalls bereits im 9. Jahrhundert existiert hat, bleibt ungewiss. Mit Beginn des 10. Jahrhunderts wird Dortmund dann als königlicher Aufenthaltsort fassbar. Seit Otto I. nutzen alle Herrscher bis Heinrich IV. die Stadt am Hellweg mehrfach auf ihren Reisen von Ostsachsen an den Rhein oder umgekehrt. In Dortmund wurden Hoftage, kirchliche Hochfeste und Synoden begangen, für die entsprechende Räumlichkeiten und Anlagen vorhanden gewesen sein müssen. Nach dem Aufenthalt Heinrichs IV. 1068 bricht die Reihe der kontinuierlichen Herrscherbesuche ab; Dortmund verliert seine Rolle als wichtiger Pfalzort in Westfalen. Heinrich V. kam 1113/1114 im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzung mit den sächsischen Großen nach Dortmund; hier wird eher, vor allem nach der Zerstörung der Stadt durch Lothar von Süpplingenburg, eine Beherbergung im Feld zu vermuten sein. Friedrich I. besuchte Dortmund 1152 und 1154 im Rahmen seines Herrschaftsantritts bzw. in Vorbereitung des ersten Romzuges. Der Aufenthalt 1152 ist nicht direkt, sondern nur indirekt über ein späteres Diplom belegt. Dortmund wurde bei diesen Reisen ähnlich wie die ebenfalls besuchten Orte Soest, Paderborn und Corvey als Rastpunkt an dem wichtigsten west-östlichen Verbindungsweg, dem Hellweg, genutzt. Die beiden Besuche Friedrichs I. führten jedoch nicht zu einer Wiederbelebung Dortmunds als königlichem Pfalzort. 70 Jahre später besucht dann letztmals der 13jährige Heinrich (VII.) Dortmund. Zielpunkt dieser selten gewordenen Reise durch Westfalen waren die Orte Bardowick und Bleckede, um die Freilassung des dänischen Königs zu bewirken. Er reiste zusammen mit seinem Vormund, dem Kölner Erzbischof Engelbert von Berg, und wird vermutlich ebenso wie in dem nächsten Aufenthaltsort Soest, in der erzbischöflichen Pfalz gewohnt haben.

Nach wie vor ist die Lokalisierung der Pfalz bzw. der königlichen Unterkünfte unsicher. Hier können nur archäologische Untersuchungen weitere Aufschlüsse ergeben. Vielleicht muss aber für Dortmund die Vorstellung einer festen Pfalzanlage nach dem Vorbild von Magdeburg, Ingelheim, Duisburg oder auch Paderborn korrigiert werden. Dortmund ist auf jeden Fall ein Beispiel für einen Pfalzort mit über das spätere Stadtgebiet verteilten Funktionseinheiten: Königlicher Wirtschaftshof, Grafenhof als Sitz des herrschaftlichen Verwalters, sichernde Burg mit Burgkapelle, Pfalzkirche sowie ggf. Pfalzgebäude. Möglicherweise wohnten die Herrscher auch an unterschiedlichen Orten, zum Teil in Gebäuden vor Ort, so in der Burg im Norden der Stadt, in einer noch nicht lokalisierten königlichen Pfalz oder dann später in der Pfalz des Kölner Erzbischofs nördlich von St. Reinoldi. Ebenfalls vorstellbar ist auch – gerade bei Aufenthalten im Zusammenhang mit Kriegszügen oder größeren Umritten und Hoftagen –, eine Beherbergung in Zeltlagern oder ephemeren Anlagen. Im Gegensatz zu dieser Leerstelle kann als zugehöriger Kirchenbau mit einiger Sicherheit der ergrabene Vorgängerbau der Reinoldikirche identifiziert werden, der als große Saalkirche mit Querhaus und eingezogener halbrunder Apsis in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts angelegt wurde. Teile dieser Anlage können möglicherweise bereits vor 953, also vor dem ersten Osteraufenthalt Ottos I., bestanden haben.

Die abnehmende königliche Präsenz in Dortmund seit der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ist in den größeren politischen Zusammenhängen der Zeit zu sehen. Zuerst sind dies die Auseinandersetzungen Heinrichs IV. mit den sächsischen Großen und die Verlagerung der Herrschaftspräsenz nach Mittel- und Süddeutschland. Doch die Hellwegzone und Westfalen insgesamt treten seit der späteren Stauferzeit in den Herrscheritineraren deutlich zurück, neben Heinrich (VII.) besucht lediglich noch einmal der Welfe Otto IV. zwischen 1200 und 1204 den Raum zwischen Ems und Weser.  

Angelika Lampen

 

Literatur

Manfred Balzer, Frühe Stadtbildung in Westfalen. Die Rolle von Kirchen, in: Die Pfarre in der Stadt. Siedlungskern – Bürgerkirche – Urbanes Zentrum, hrsg. v. Werner Freitag, Köln u.a. 2011 (Städteforschung A82), S. 1–62, hier S. 27–47 (Dortmund).

Angelika Lampen, Art. Dortmund, in: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 7: Westfalen (in Vorbereitung).

Gustav Luntowski, Günther Högl, Thomas Schilp, Norbert Reimann, Geschichte der Stadt Dortmund, hrsg. v. Stadtarchiv Dortmund, Dortmund 1994.

Bernhard Sicherl u. Henriette Brink-Kloke, Dortmund vor 1200 - ein neuer Blick auf die alte Stadt, in: Archäologie in Westfalen-Lippe (2012), S. 228–231.

Dortmund (Deutscher Historischer Städteatlas, Bd. 5), bearb. v. Stefan Mühlhofer, Thomas Schilp, Daniel Stracke, Münster 2017.

Dortmundtk25klein