„Ohne Wunde kein österliches Heil“

Neue Ausstellung „Deine Wunden“ zeigt Kunstwerke über Leid und christliche Passionsfrömmigkeit vom Mittelalter bis zur Moderne – Kooperation des Exzellenzclusters und der Kunstsammlungen der Uni Bochum

Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 10. April 2014

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Prof. Dr. Reinhard Hoeps

Die Ausstellung „Deine Wunden“ zeigt ab April in Bochum 90 Kunstwerke zum Thema Leid und christliche Passionsfrömmigkeit vom Mittelalter bis zur Moderne. Die Schau in den Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum, die in Kooperation mit dem Exzellenzcluster der Uni Münster und der WWU-Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie entstand, präsentiert 45 Gemälde und Skulpturen seit dem 15. Jahrhundert sowie 45 druckgrafische Arbeiten vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart aus renommierten Sammlungen von Freiburg bis London, wie Theologe Prof. Dr. Reinhard Hoeps vom Exzellenzcluster ankündigt. „Christen erinnern seit Jahrhunderten in der Karwoche an das Leiden und Sterben Christi und Ostern feiern sie die Auferstehung. Beides hat sich vielfach in der europäischen Kunst niedergeschlagen“, so Prof. Hoeps. 

Die Wunde des gekreuzigten Christus sei in der Kunst zum Symbol für Tod und Auferstehung schlechthin geworden, erläutert der Experte. „Sie trifft ins Zentrum des christlichen Glaubens. Theologisch gesprochen, kann es ohne die Wunde kein österliches Heil geben.“ Der Leiter der Arbeitsstelle für christliche Bildtheorie hat die Ausstellung mit dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Richard Hoppe-Sailer von der Ruhr-Universität Bochum konzipiert. Zugrunde liegen Forschungsergebnisse aus Prof. Hoeps‘ Cluster-Projekt D8 Bilder der Wunde. Die Wunde als Bild. Passionsimaginationen im vormodernen Christentum und in der bildenden Kunst der Moderne.

Pietro Lorenzetti, Imago Pietatis, um 1340 (Lindenau-Museum, Altenburg)

Pietro Lorenzetti, Imago Pietatis, um 1340 (Lindenau-Museum, Altenburg)

Durchstochene Leinwände

„Körperlicher Schmerz und Verletzungen wurden erstmals im 8. und 9. Jahrhundert mit der Darstellung der Leiden Christi zum Thema der europäischen Kunst“, sagt Prof. Hoeps. Seitdem hätten mittelalterliche Künstler die Wunden Christi unzählige Male dargestellt. Als Beispiel zeigt die Ausstellung die „Imago Pietatis“ des italienischen Malers Pietro Lorenzetti (1280-1348). „In den Werken der Moderne hingegen ist die christliche Aussage nicht mehr so eindeutig zu finden“, so der Theologe. „Doch Leid und Schmerz, ob körperlich oder seelisch, bleiben ein zentrales Thema. Sie werden nun nicht mehr bildlich dargestellt, nicht als Wunde, sondern zum Beispiel durch das gewaltsame Herstellen eines Kunstwerkes.“ So durchstach der Italiener Lucio Fontana (1899-1968) seine Leinwand mit dem Messer, der Österreicher Arnulf Rainer drückt das Thema Leid in seiner „Fingermalerei Kreuzübermalung“ durch heftiges und aggressives Auftragen der Farbe aus. Beide Künstler werden in der Ausstellung mit Werken vertreten sein.

Zeigte die Antike noch den unversehrten Körper des Menschen als Ideal, so malten und gestalteten mittelalterliche Künstler in ihren Passionsbildern erstmals plastisch die Wunde, wie Prof. Hoeps darlegt. „Die Darstellung der Verletzung sollte die Menschen im Inneren berühren. Dazu musste sie in gewisser Weise realistisch sein. Aber zugleich musste sie weit mehr als realistisch sein, denn der Betrachter sollte mit Jesus mitleiden.“ Auch heute könnten diese Darstellungen noch Mitgefühl im Betrachter auslösen, gleich, ob dieser gläubig sei oder nicht. „Die Ausstellung wird das eindrücklich zeigen.“

Arnulf Rainer, Fingermalerei Kreuz-Übermalung, 1987

Arnulf Rainer, Fingermalerei Kreuz-Übermalung, 1987

Die Ausstellungsmacher stellen die christlichen Passionsvorstellungen des Mittelalters ausgewählten Bildkonzepten der Moderne bewusst im Raum gegenüber und suchen auf diese Weise nach Verbindungslinien, Übergängen und Brüchen. „Die Künstler des Hochmittelalters stellten das Leid eindrücklich dar. Die Frage, die sie sich damals stellten, beschäftigt uns auch heute: Wie lassen sich Gewalt, Verletzung und Schmerz angemessen darstellen, etwa mit Blick auf die tägliche Berichterstattung über Konfliktregionen?“ Der Wissenschaftler betont, der Ausstellung liege keine abgeschlossene Theorie der Beziehungen zwischen mittelalterlich-christlichen und modernen Bildern zugrunde. Vielmehr diene die Gegenüberstellung im Raum als Forschungsfeld, um mögliche Verbindungen zu identifizieren und zu beschreiben. Prof. Hoeps: „Unser Projekt führt die Ausstellung als Format der Forschung ein.“

Die Ausstellung „Deine Wunden. Passionsimaginationen in christlicher Bildtradition und Bildkonzepte in der Kunst der Moderne“ ist vom 26. April bis zum 31. August in den Räumen der Stiftung „Situation Kunst (für Max Imdahl)“ zu sehen, in Bochum-Weitmar an der Nevelstraße 29c. Sie ist mittwochs, donnerstags und freitags von 14 bis 18 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 12 bis 18 Uhr geöffnet, Führungen auch außerhalb der Öffnungszeiten. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (ca. 280 Seiten), an dem Studierende der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster und des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Bochum mitgearbeitet haben. Die Ausstellung ist vom 20. bis 21. Juni Veranstaltungsort der Tagung „Imaginatio Passionis – Die Wunde als Bildkonzept“. (ska/vvm)